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WÜRZBURG
Pharma-Großhändler Ebert+Jacobi ging schnell in den Osten
Im Osten längst angekommen: Firmenlieferwagen vor der Hirsch-Apotheke im thüringischen Schönbrunn kurz nach der Wende.
Foto: Ebert+Jacobi | Im Osten längst angekommen: Firmenlieferwagen vor der Hirsch-Apotheke im thüringischen Schönbrunn kurz nach der Wende.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:45 Uhr

„Nein, da haben wir trotz aller Risiken keine Sekunde überlegt. Das war zwar eine große Herausforderung, aber wir hatten schon vor den beiden Weltkriegen viele Kunden im Osten Deutschlands.“ Ralph Schüller, geschäftsführender Gesellschafter des Pharma-Großhändlers Ebert+Jacobi erinnert sich gerne an die Zeit der Wende, als das Familienunternehmen nach dem Mauerfall als eines der ersten aus der Stadt und der Region die Brücke von West nach Ost schlug. Dieser Weg war auf jeden Fall eine Erfolgsgeschichte – „geschäftlich wie menschlich“ – bilanziert Schüller.

Der Urenkel des Firmengründers Philipp Jacobi berichtet von ersten Kontakten zum Pharmazeutischen Zentrum, unter dem die staatlichen Apotheken zusammengefasst waren, schon im November 1989. Die „Ober-Apotheke“ war die Mohren-Apotheke in Würzburgs Partnerstadt Suhl. Dort hatte Schüller am 3. Januar 1990 die erste Begegnung mit seiner künftigen Kundschaft, vor rund 25 Apothekern referierte er über die bundesdeutsche Arzneimitteldistribution. „Das Interesse war groß, man hatte anfänglich Berührungsängste, aber ich verspürte keine Ablehnung“, blickt Schüller zurück.

„Ein Familienbetrieb wie wir war zwar etwas Exotisches, suspekt waren aber eher die Konzerne.“

„Auf Augenhöhe“ habe man sich unterhalten, natürlich auch über die Arzneimittel der Noch-DDR. „Die waren gar nicht so schlecht“, sagt Schüller, „aber oft nicht in der nötigen Menge vorhanden“. Auch die Auswahl war mit rund 4000 Medikamenten weitaus kleiner als im Westen mit damals rund 60 000 Produkten auf dem Markt. „Gefragt waren vor allem Insuline und Antibiotika“, erinnert sich Schüller an die ersten Bestellungen. Die erste Lieferung nach Thüringen erfolgte im Februar 1990 – noch vor der Währungsunion im Juli, bezahlt wurde in Ostmark.

Für ein Unternehmen wie Ebert+Jacobi, das die Apotheken durchschnittlich drei Mal pro Tag beliefert, war vor allem die Logistik eine Herausforderung, es gab in der DDR keine moderne Datenübertragung und noch keine problemfreie Telefonverbindung in den Westen. Folglich übermittelten die Apotheker ihre Aufträger telefonisch an ein Suhler Fuhrunternehmen. Dieses übertrug die Bestellungen auf eine Diskette und brachte diese nach Mellrichstadt, wo sie ein Ebert+Jacobi-Fahrer von seiner Rhöntour mit nach Würzburg brachte.

In sechs Monaten hatte die Würzburger Hauptniederlassung 160 Kunden in Thüringen und „bis zu 3000 Ostprodukte im Lager“, sagt Schüler. Diese sind mittlerweile alle verschwunden, da Firmen aus dem Westen die Hersteller im Osten übernahmen. Schüller berichtet von großer Kollegialität damals unter den „Ost-Apothekern“, die sich bei Mangellage mit Arzneimitteln aushalfen und von zahlreichen Kontakten. „Da habe ich als junger Unternehmer viel vom Alltag in einer Apotheke gelernt.“ Als Wesensart ist ihm in Erinnerung, dass die Partner vielleicht „etwas langsamer“ arbeiteten, dafür „aber auch sehr sorgfältig“.

400 der 2500 Kunden des Pharma-Großhändlers sind in Thüringen beheimatet, rund 20 der 350 Mitarbeiter am Standort Würzburg kommen aus dem Osten Deutschlands. Für Schüller ein Brückenschlag, der „geschäftlich und zwischenmenschlich erfolgreich ist und auch nach 25 Jahren noch Spaß macht“, resümiert er die Erfahrungen mit der Einheit.

Kontaktknüpfer: Ebert+Jacobi-Chef Ralph Schüller.
Foto: E+J | Kontaktknüpfer: Ebert+Jacobi-Chef Ralph Schüller.
 
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