Eine Milliarde Euro. Zusätzlich 13 000 Stellen. Massives Werben um Fachkräfte. So will die Große Koalition jetzt möglichst schnell ausbügeln, was in den vergangenen Jahren in der Pflege versäumt wurde. Das Sofortprogramm von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist aber nicht mehr als ein Signal. Eines, das gut klingt. Eines, das in die richtige Richtung geht. Aber auch eines, das das Grundproblem nicht löst: Dem Pflegeberuf mangelt es an Wertschätzung. Im Gesundheitswesen werden etwa Ärzte für ihre Leistung anerkannt, von Patienten ebenso wie von Politikern, Verbänden, Kassen oder Arbeitgebern. Pfleger hingegen gehen in Berlin unter. Das muss sich ändern.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert deshalb von der Politik, der Pflege die „höchste Priorität“ einzuräumen. Nur: Sofort, mit einem „Wir-haben-verstanden“-Paket, ist das nicht getan. 13 000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege, mehr Personal für die Krankenhäuser und betriebliche Gesundheitsförderung sind allenfalls ein erster Schritt. „Es werden und müssen weitere folgen“, sagt Spahn über sein Konzept. Damit hat er Recht.
Muss es erst zum Streik der Pfleger kommen?
Denn nötig sind deutlich radikalere Schritte. Braucht es etwa ein Aufbegehren der Pfleger? Bundesweit sind in der Alten- und Krankenpflege rund 35 000 Stellen unbesetzt, mittelfristig gehen Experten von bis zu 100 000 Lücken aus. Nicht selten versuchen Pflegekräfte noch, den Notstand auszugleichen. Mit Überstunden oder Doppelschichten. Mit dem Wunsch, zu helfen. In manchen Einrichtungen gelingt das, in anderen sinkt die Qualität der Betreuung. Beides ist fatal für den Beruf, beides müsste von Arbeitgebern verhindert werden. In der Industrie würden Beschäftigte in ähnlicher Lage längst massiv streiken. Dass Pfleger diesen Weg nicht wählen, auch, weil zuallererst die Kranken und Alten darunter leiden würden, ist Glück für alle Betroffenen. Und es verdient Anerkennung.
Die Folge: Wenn Politik und Verantwortliche die Pflege attraktiv machen, wenn sie Aussteiger und Teilzeitkräfte zurück- und Nachwuchs gewinnen wollen, dann muss der Beruf aufgewertet werden. Finanziell, mit mehr Gehalt. Praktisch, mit verbindlichen Personaluntergrenzen. Im Selbstverständnis der Pfleger, mit mehr gewerkschaftlicher Organisation und der Einführung von mehr Pflegestudiengängen. Und vor allem in der Wahrnehmung der Gesellschaft.
Die Arbeit der Ärzte wird wertgeschätzt, die der Pfleger verkannt
„Wir stehen auf einer Stufe mit den Ärzten und nicht unter ihnen“, hat Alexander Jorde, Gesundheits- und Krankenpflegeazubi aus Hildesheim, in einer ZDF-Talksendung von Maybrit Illner gefordert. Das ist sicher provokant. Aber Jorde, der Angela Merkel bereits im Bundestagswahlkampf 2017 Untätigkeit im Kampf gegen den Pflegenotstand vorwarf und das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, macht damit eines deutlich: In Deutschland mangelt es an Ansehen für den Pflegeberuf.
Für Kranke ist selbstverständlich wichtig, dass Mediziner sie behandeln und möglichst heilen. Deshalb werden Ärzte geschätzt. Ebenso bedeutend ist, dass jemand da ist, der frisch operierten Patienten beim Duschen hilft, der nachts im Krankenhaus noch ein Glas Wasser bringt oder der die Großmutter vom Bett in den Rollstuhl hebt. All das leisten Pfleger. Wer darauf angewiesen ist, Hilfsbedürftige, aber auch Angehörige, wissen das vielleicht zu schätzen. Politik und Arbeitgeber ignorieren es.
Mit solcher Kritik hat Alexander Jorde in Fernseh-Talkrunden die Sympathien meist klar auf seiner Seite. Die Vorwürfe eines Betroffenen kommen an. Wenn aber Gesundheitsminister Jens Spahn Wort hält und nach dem Sofortprogramm weitere Schritte gegen den Pflegenotstand folgen lässt, kann das teuer werden. Für jeden Einzelnen. Unvermeidlich werden die Pflegebeiträge dann irgendwann steigen. Aber das muss es uns endlich wert sein.
Ich denke, Pfleger leisten weitaus mehr als die hier aufgezählten Tätigkeiten. Ich finde es schade, dass in einem Artikel, der ja eigentlich die Wertschätzung fordert, so schlecht recherchiert wurde und die Tätigkeit des Pflegers auf banale Hilfstätigkeiten beschränkt wird.