Auf den Anruf hatte er seit langem gewartet: "Weißt Du wer dran ist?", wurde Erwin Weyrauther an jenem Vormittag des 1. August 2019 am Telefon von einer Frau gefragt, die sich als Großcousine vorstellte. Der 78-jährige pensionierte Polizeibeamte aus Waldbrunn (Lkr. Würzburg) spielte clever mit. "Bist Du es Maria?", fragte er zurück, obwohl er gar keine Großcousine mit diesem Namen hat. Die Anruferin antwortete prompt: "Ja". Vor dem Amtsgericht Würzburg musste sich die Frau, die Dank Weyrauther auf frischer Tat geschnappt wurde, jetzt wegen versuchten Betrugs verantworten.
Bei der "Geldübergabe" in Waldbrunn, knapp drei Stunden nach dem ersten von zahlreichen Anrufen an jenem Augusttag, steckten statt der vereinbarten 20 000 Euro und einiger Goldmünzen nur Papierschnipsel in zwei Umschlägen. Als Erwin Weyrauther vor seinem Haus eine Frau auf und abgehenden sah, "die nicht ins Dorf gehörte", fragte er, ob "Maria" sie geschickt habe. Die Frau nickte nur, ließ sich an der Gartentür die Umschläge geben - und schon waren zwei Kripobeamte zur Stelle und nahmen sie fest.
Mit Schlagfertigkeit und Notlügen reagiert
Immer, wenn in der Zeitung über Enkeltrick-Betrüger oder neuerdings falsche Polizisten berichtet wird, habe er sich darüber geärgert, dass die Ganoven nie bei ihm anrufen, sagte Weyrauther vor Gericht. Bei jenem Anruf habe er - ehemaliger Erster Polizeihauptkommissar mit 41 Dienstjahren - gleich nach dem ersten Satz gewusst, dass es um Betrug geht. Er habe dann "mit Maria gespielt", schilderte Weyrauther mit dem Unterhaltungswert eines guten Krimis vor Gericht sein Vorgehen - schlagfertige Reaktionen und vorbeugende Notlügen inklusive.
"Maria" habe angeblich für ein Immobilien-Schnäppchen schnell viel Geld benötigt: Bei einer Versteigerung in Würzburg habe sie eine auf 200 000 Euro geschätzte Wohnung für 100 000 Euro bekommen, so die Anruferin. Allerdings müsse sie noch am gleichen Tag 50 000 Euro bei Gericht hinterlegen, sonst kämen andere Interessenten zum Zug. Der pensionierte Polizeibeamte zog das Gespräch in die Länge, um mehr über die Anruferin zu erfahren. Er fragte nach, wie viel Quadratmeter die Wohnung habe, in welchem Stockwerk sie liege, ob eine Garage im Preis dabei sei. Er erfuhr, dass die Wohnung eine Einbauküche habe und dass er die 50 000 Euro spätestens am nächsten Tag zurückbekommen werde.
Weitergebohrt und nach Wertsachen gefragt
Die Summe "handelte" Weyrauther bei dem Telefonat herunter. Er habe sich gerade ein Auto gekauft habe daher nur 25 000 Euro auf der Sparkasse. Und eine Reserve von 5000 Euro wolle er schon behalten, so der 78-Jährige. Mit 20 000 Euro könne er "Maria" aber helfen. Sie habe jedoch "weitergebohrt" und nach Wertsachen gefragt, schilderte der Pensionär vor Gericht. Er habe "ein bisschen angegeben": Einige Goldbarren und Krügerrand-Münzen hätte er "schon bei der Sparkasse im Tresor".
Maria habe ihn gebeten, ihr einiges davon vorübergehend zu überlassen. Sie habe den Anruf ihrer "Anwältin" angekündigt, einer "Frau Dr. Wagner", angeblich aus Karlstadt. Diese habe angerufen, den finanziellen Engpass ihrer Mandantin geschildert und die schnelle Rückzahlung des Geldes versichert.
Anruferin machte Druck
Wenig später, kurz vor Zwölf Uhr mittags, habe dann erneut "Maria" angerufen und Druck gemacht, so der pensionierte Polizeibeamte. Er solle losfahren und das Geld holen. Das gehe nicht, habe er geschwindelt. Er habe noch nicht geduscht und außerdem sei die Sparkasse im Nachbarort. "Maria" müsse sich schon gedulden, bis die Bank um 14 Uhr wieder öffne.
Vom ersten Anruf an habe man ihn unter Kontrolle haben und verhindern wollen, dass er mit anderen spreche, so der 78-Jährige. "Hast Du ein Handy?", habe Maria gefragt. Seine schlagfertige Antwort: "Hör mir auf mit dem neumodischen Zeuch, ich hab mei' Festnetz, und des reicht mir."
Sein Handy, das immer in Reichweite lag, nutzte der ehemalige Beamte zwischendurch für Gespräche mit der Polizei. Den Anruferinnen hatte er versichert, alleine im Haus zu sein. Seiner Ehefrau hatte Weyrauther während der Anrufe Zeichen gegeben, unbedingt ruhig zu sein.
Aus Tschechien zum Geldabholen nach Waldbrunn geschickt
Die 40-jährige Angeklagte gab vor Gericht an, sie habe in Waldbrunn ein Rezept für eine schwerkranke Frau abholen sollen. Nach einer kurzen Bedenkzeit, die der Richter ihr einräumte, gab die Angeklagte zu: Ihr sei klar gewesen, dass da "etwas Illegales" lief, Einzelheiten aber habe sie nicht gekannt. Sie habe die Vorgabe gehabt, mit dem Zug von Pilsen nach Würzburg zu fahren und von dort per Taxi weiter nach Waldbrunn. Sie habe Geld benötigt, da ihr Partner sie und ihr Kind verlassen habe. 500 Euro seien ihr für das Geldabholen in einem "Chat" unter Angehörigen einer tschechischen Minderheit angeboten worden. Namen nannte sie nicht.
Vom Schöffengericht wurde die 40-Jährige zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt - ohne Bewährung. Das Urteil ist rechtskräftig. Und Erwin Weyrauther hofft jetzt, dass er auch mal falsche Polizisten dingfest machen kann.
Im Video erklärt. So schützen Sie sich vor den "Enkeltrick" Betrügern:
Quelle Video: UniCredit S.p.A. in Kooperation mit der Polizei
Der Überschrift und dem Anfang des Artikels nach hatte ich doch tatsächlich geglaubt, da wäre der Justiz ein großer Schlag gelungen. Geschnappt hat man aber nur eine Geldabholerin, die dem Gericht zudem scheinbar glaubhaft machen konnte, dass sie selbst nur wenig Ahnung hatte, was da überhaupt lief, und ihre Auftraggeber nur aus einem Chat kannte.
Es ist wie so oft im Leben. Die Kleinen schnappt man,...
Und die Drahtzieher haben wieder einmal vor Augen geführt, wie ausgefeilt und sicher ihre Masche ist. Die haben ja gar keinen Grund, es nicht wieder zu probieren.
Bleibt nur zu hoffen, dass ein nächstes Mal so ein Geldabholer mit der Polizei kooperiert, und die Bande dahinter mit ausgehoben werden kann. Allerdings wenn ich lese, dass sie aus Tschechien angeheuert, und somit auch noch die Polizei verschiedener Länder in kürzester Zeit zusammenfinden müsste, ist meine Zuversicht nicht wirklich groß, dass das klappt.