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WÜRZBURG
Paul Lehrieder ist längst kein Hinterbänkler mehr
Paul Lehrieder macht Haustürwahlkampf in Lengfeld.       -  Paul Lehrieder beim Haustürwahlkampf in Würzburg–Lengfeld. Foto: Daniel Peter
Foto: Daniel Peter | Paul Lehrieder beim Haustürwahlkampf in Würzburg–Lengfeld. Foto: Daniel Peter
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 17.09.2017 02:48 Uhr

Samstagmorgen am CSU–Wahlkampfstand in der Würzburger Innenstadt. Ein Passant klopft Paul Lehrieder auf die Schulter. „Gut haben Sie das damals gemacht“, lobt der Mann. Lehrieder schaut fragend. „Was denn?“ „Als Sie gegen die Griechenlandhilfe gestimmt haben. Da haben Sie wirklich Rückgrat bewiesen.“ Lehrieder lächelt. Mehr als fünf Jahre ist das mittlerweile her. Zusammen mit vier weiteren CSU-Abgeordneten hat sich der Würzburger Bundestagsabgeordnete damals gegen das zweite Rettungspaket für Griechenland ausgesprochen. Nicht gerade zur Freude der Parteioberen. Auch die Bundeskanzlerin war nicht erfreut.

Lehrieders Nein zu weiteren Milliarden für Griechenland ist lange her und bleibt sein einziger Ausreißer. Sonst bietet er wenig Angriffsfläche. Seine konservative Einstellung wird bei der in der CDU/CSU-Fraktion umstrittenen Ehe für alle deutlich. Der Familienvater will an der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau festhalten, weil dadurch „neues Leben entstehen kann, das Existenzgrundlage des Staates ist“. Lehrieder will an Bewährtem festhalten, ist traditionsverbunden. Eine Haltung, die viel mit seiner Herkunft zu tun hat.

Aufgewachsen auf dem Land

Paul Lehrieder wird zusammen mit drei Geschwistern in Gaukönigshofen groß. Einem kleinen Ort mitten im Ochsenfurter Gau. Seine Eltern bewirtschafteten einen Bauernhof mit 12,5 Hektar Land. „Da blieb für die sechsköpfige Familie nicht viel übrig“, sagt er. Und das Moped, eine Honda-Dax, die er sich so sehr wünschte, habe er deswegen auch nie bekommen. Gram ist er seinen Eltern dafür aber nicht.

Vielleicht auch deswegen hat er nicht gleich mit dem Studium begonnen. Nach seinem Abitur beginnt er erst einmal eine Ausbildung. Er wird Augenoptiker, erst danach schreibt er sich für Jura ein. Schnell kommen auch politische Erfahrungen dazu. Mit 31 Jahren wird er Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde, bleibt es 15 Jahre. Im Oktober 2005 wird er in den Bundestag gewählt. Erst einmal bleibt er Hinterbänkler, gehört dem Ausschuss für Arbeit und Soziales an. Dann, 2014, wird er Vorsitzender des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Genau das Richtige für den Papa von zwei Söhnen.

Ein Anwalt der Schwachen

In seiner neuen Rolle fällt Paul Lehrieder auf. Er ist streitbar. Setzt sich ein. Vor allem für die sozial Benachteiligten. Aus Gesprächen in seinem Wahlkreis weiß er, dass die Menschen „gut und sicher leben“ wollen. Hier ist er ganz bei der Kanzlerin, die auf CDU-Plakaten für ein Deutschland wirbt, „in dem wir gut und gerne leben“. Und jungen Leuten ruft er bei jeder Wahlveranstaltung zu: „Ihr werdet gebraucht. Nicht nur als Akademiker, sondern auch zum Fenster einbauen.“

In Würzburg nimmt er sich der Obdachlosen an, trifft sich mit ihnen in der Wärmestube, hilft bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Dieser Blickwinkel setzt sich im Bundestag fort. Auch hier fällt Lehrieder dadurch auf, dass er sich für jene einsetzt, die nicht im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen. Beispielsweise für die Kinder psychisch kranker Eltern. „Diese Kinder haben niemanden, weil die natürlichen Anwälte der Kinder, ihre Eltern, durch psychische Erkrankungen als Anwälte ausfallen“, sagt er in einer Rede im Juni vor dem Deutschen Bundestag.

Auch als die Abgeordneten in Berlin über Kinderarmut debattieren, steht Lehrieder wieder am Rednerpult und sagt: „Kinder aus armen Familien haben oftmals keine echten Chancen auf gleichberechtigte Teilhabe.“ Sicher denkt er dabei auch an den eigenen Werdegang. „Dabei hatte ich aber Eltern, die zwar wenig hatten, aber es trotzdem geschafft haben, dass aus allen vier Kindern etwas wird.“ Dafür kann er dann auch schon mal auf ein Moped verzichten, auch wenn's schwer fiel.

Lehrieder bringt Stenografen ins Schwitzen

Auf dem Bauernhof seiner Eltern lernt „Paul“, wie viele ihn kumpelhaft nennen, auch das Zupacken. Da wird nicht nur einmal privat eine Hütte mit den Söhnen gebaut, auch im Wahlkampf packt der 57–Jährige kräftig mit an. Egal, ob er mit der Jungen Union auf Nachtschicht geht, mit den jungen Christdemokraten Apfelsaft-Dosen verteilt, an Hunderten von Haustüren klingelt, mit CSU-Frauen im Cabrio Konvoi fährt, Lesebüchlein an Erstklässler verteilt oder fast jeden Samstag am CSU-Stand in der Würzburger Innenstadt steht und mit Bürgern diskutiert. Schnell entsteht der Eindruck, Lehrieder ist omnipräsent. Stets begleitet von der Kamera. Vor dieser nimmt er immer die gleiche Haltung ein. Egal, ob beim Feuerwehrumzug in Allersheim oder beim Posieren mit der Zuckerfee.

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Die Fotos stellt seine Fotografin kurz nach dem Termin, manchmal sogar noch währenddessen, bei Facebook ein. So sind viele quasi live dabei beim Händeschütteln. Und er versteht es, auch außerhalb der digitalen Welt, Wahlkampf zu machen. Alexander Dobrindt, Edmund Stoiber, Jens Spahn, Wolfgang Bosbach, Joachim Herrmann – allesamt leisten sie Schützenhilfe. Lehrieder hält sich dabei stets zurück, wenn die prominenten CSU- oder CDU-Politiker in Würzburg und Umgebung ihr Stelldichein geben. Zurückhaltung, auch das hat Paul Lehrieder auf dem Land gelernt.

Nur in einem sollte sich Lehrieder manchmal doch noch mehr bändigen. Beim Reden. Der Bundestagsabgeordnete bringt derart viele Worte in kurzer Zeit über seine Lippen, dass selbst seine Anhänger Schwierigkeiten haben, zu folgen. Eine Frau bringt es bei einer Wahlveranstaltung in Veitshöchheim auf den Punkt: „Herr Lehrieder, Sie sprechen so schnell. Zwischendurch sollten Sie mal Luft holen.“

Das Wahlprogramm von Paul Lehrieder
auf einem Bierdeckel: „Vereinbarkeit von
Familie & Beruf: Kita-Ausbau, Baukindergeld, Kindergeld, etc; Sicherheit: Innere Sicherheit; Wohnungseinbruchskriminalität; Wissen, wer zu uns kommt, Überprüfung der Identität bei Flucht & Asyl“
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