Da dürfte den Alteingesessenen in "Hätzfeld" das Herz aufgehen: fein säuberlich und akkurat auf dem Wohnzimmertisch von Otto Wiesner liegen vier Kupferstiche von alten Ansichten ihres Wohnortes, die sie vielleicht selbst noch in Heidingsfeld gesehen haben könnten. Da sieht man auf den jeweiligen Stichen das Obertor, das Nikolaustor, den Marktplatz und eine Ortsansicht. So fein, so filigran, dass jeder Ziegelstein, jede Dachschindel, ja jeder Grashalm wie echt wirkt. Ein wenig verlegen nimmt Wiesner das Lob für diese kleinen Kunstwerke entgegen. "Es war halt mein Beruf, ich war jahrzehntelang als Techniker erst beim Volksblatt und später bei der Main-Post beschäftigt", sagt der 86-Jährige bescheiden. Und doch steht in seinen Augen geschrieben: Ich bin stolz auf meine Werke.
Es ist gut 30 Jahre her, dass der in Versbach geborene Wiesner diese Werke gemeinsam mit einem Grafiker geschaffen hat. Die Werke des Grafikers hat er, wie Wiesner erzählt, auf Kupferplatten in einer besonderen Technik geätzt und somit haltbar gemacht. So haltbar, dass sie auch heute noch eine Zierde für das ehemalige Rathaus des Würzburger Ortsteils Heidingsfeld sein dürften. "Vielleicht findet sich ja jemand, dem ich sie vermachen kann", hofft er. Er würde sie gegen eine kleine Spende an den AWO-Ortsverein von Gerbrunn, wo er seit vielen Jahren lebt, abgeben. "Mir ist daran gelegen, dass sie in gute Hände kommen", fügt er ein ganz klein wehmütig hinzu. Was er hingegen behalten würde, sind Kupferplatten mit einer Urkunde über den Verkauf des Stachelhofes in Würzburg und eine Ansicht von Würzburg mitsamt der Festung Marienberg. Auch eine Galerie mit mehreren Kupferstichen von Würzburg verbleibt in seiner Sammlung.
Wie überhaupt die Wände seine Eigentumswohnung gut gefüllt sind mit Kupferstichen, Fotos und Bildern, zum Teil selbstgemalt. Eines sticht besonders heraus: ein Bild seiner verstorbenen Frau Sieglinde, so detailliert gezeichnet, dass der Betrachter gar nichts anderes machen kann als Staunen. 1959 haben die beiden geheiratet, aus der Ehe stammen die Söhne Peter und Rainer sowie der Enkel "Lenni" hervor. Vor zwei Jahren ist Sieglinde im Alter von 82 Jahren in den Armen ihres Mannes gestorben. "Sie war dement, und ihr dankbarer Blick war mir Dank genug für meine Betreuung", sagt er mit belegter Stimme. Für die Pflege, erzählt er, sei ein Pflegedienst gekommen, "ich habe mich den ganzen Tag um sie gekümmert, mit ihr geredet und gelacht". In ihren Bildern und vor allem in seinem Herzen lebt sie für Otto Wiesner weiter.
Mit dem Verkauf des Volksblatts ging Wiesner in Rente
Nach ihrem Tod ist Wiesner in der gemeinsamen Eigentumswohnung geblieben, in die er vor vielen Jahren seine Abfindung gesteckt hatte. Damals, erzählt er, "war ich noch beim Volksblatt, und die sollte von den Nürnberger Nachrichten gekauft werden". Das sei verhindert worden, indem die Main-Post das Volksblatt gekauft hatte. Der Preis: "Sie wollten unsere Abteilung schließen und haben uns angehenden Rentnern – ich war zu der Zeit 60 Jahre – eine schöne Abfindung angeboten. Die habe ich natürlich gern genommen und die damals 60.000 D-Mark in die Eigentumswohnung gesteckt." Heute besucht ihn jeden Samstag sein Sohn Peter, der in Wiesentheid lebt. "Das ist dann auch der Einkaufstag", sagt Peter Wiesner.
Der Einkauf reicht für eine Woche aus, nach wie vor versorgt sich Otto Wiesner immer noch selbst. Und nicht nur das: um fit zu bleiben, fährt er täglich eine halbe Stunde auf dem Trimmrad, das im Wohnzimmer steht. Früher ist er mit seiner Frau und vielen Freunden zum Wandern und Ski-Langlauf gewesen. Geistig fit halten ihn seine Erinnerungen: an seinen Vater - beim Studieren dessen Feldpost aus dem Zweiten Weltkrieg - und natürlich an seine Frau durch die vielen Bilder und die Liebe zu ihr in seinem Herzen.