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Bütthard
Ortsgeschichte: Vom Schrecken des Ersten Weltkriegs
Stefan Fach und Georg Menig erinnern in ihrem neuesten Buch an die damalige Zeit in Bütthard. Unzählige Dokumente haben sie dazu ausgewertet.
Auf Spurensuche in der Büttharder Vergangenheit: Georg Menig (links) und Stefan Fach bewahren mit ihrem Buch die Zeit des Ersten Weltkrieges vor dem Vergessen.
Foto: Hannelore Grimm | Auf Spurensuche in der Büttharder Vergangenheit: Georg Menig (links) und Stefan Fach bewahren mit ihrem Buch die Zeit des Ersten Weltkrieges vor dem Vergessen.
Hannelore Grimm
 |  aktualisiert: 25.10.2019 02:11 Uhr

"Ich könnte gerade hinaus weinen vor Schmerz". So betiteln Georg Menig aus Aub und Stefan Fach aus Tiefenthal ihr gerade erschienenes Buch. In dem Werk stellen sie den Ochsenfurter Gau im Ersten Weltkrieg am Beispiel der Marktgemeinde Bütthard dar, mit vielen Dokumenten und Fotografien.

"Ich könnte gerade hinausweinen vor Schmerz und alles zusammenschlagen vor Wut darüber, weil es doch gar kein Ende nehmen will." Das schrieb der Jäger Michael Hettiger am 28. Januar 1917 in einem Feldpostbrief an seine Eltern in Bütthard. Mit diesen Worten beschrieb er seine Trauer ob des Verlustes seines langjährigen Weggefährten Martin Bausewein. "Martin war der brävste Bursche in ganz Bütthard und ein guter Kamerad. So lange wir beieinander waren, haben wir alles miteinander geteilt."

Die Zeitzeugen sind inzwischen verstorben

Martin Bausewein und Michael Hettiger hatten bereits gemeinsam die Schulbank gedrückt. Während des Krieges gehörten sie dem Aschaffenburger 2. Jäger-Bataillon an. Beide sahen die Heimat nicht wieder, beide fielen in Rumänien. Martin Bauseweins junges Leben wurde am 5. Dezember 1916 bei Finta Mare durch Granatsplitter ausgelöscht. Michael Hettiger erlag knapp ein Jahr später seiner schweren Verwundung aus dem Gefecht bei Tifestii-Priana vom 11. August 1917 am Folgetag im Lazarett.

Die beiden Büttharder zählen zu den weit über zehn Millionen Kriegsteilnehmern, die die Schrecken des Ersten Weltkrieges erlebten und darin ums Leben kamen. Die Kriegsjahre 1914 bis 1918 und die unmittelbare Nachkriegszeit 1919 bis 1920 seien aus der öffentlichen Erinnerung weitgehend verschwunden, weil die Zeitzeugen verstorben sind, sagen die Autoren. Zum Teil sei das Geschehen auch durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs überlagert worden.

Umfangreiche Spurensuche in den Archiven

Vieles aus den Nachlässen der älteren Angehörigen werde einfach entsorgt, weil die jetzige Generation keinen Bezug mehr dazu habe, sagt Stefan Fach. Umso wichtiger ist es den Autoren, einen Teil der Geschehnisse des Ersten Weltkrieges mit all ihren Tragödien wieder ins Bewusstsein der heutigen Generation zu holen. Wie in dem im Vorjahr erschienen Buch mit dem Titel  "Da liegen die Toden wie hin gemäht", in dem es um den Ersten Weltkrieg in Gaurettersheim und Tiefenthal geht, bewahren sie in ihrem neuesten Werk die Geschehnisse in Bütthard vor dem Vergessen.

Durch umfangreiche Spurensuche und Archivrecherche, dem Sichten unzähliger Originaldokumente, Feldpostkarten und Fotos, die von privater Seite zur Verfügung gestellt wurden, ist es den Autoren erneut gelungen, die über 100 Jahre zurückliegende Vergangenheit lebendig werden zu lassen.

Von massenhafter Kriegsbegeisterung war wenig zu spüren

In dem reich bebilderten Werk stellen die Autoren die damalige historische, strukturelle und gesellschaftliche Situation Bütthards vor. Im Kapitel über das Ortsgeschehen, das ab 1914 vom Ausbruch des Krieges geprägt wurde, beschreiben die Autoren, dass auch im Ochsenfurter Gau die Menschen an einen raschen Sieg geglaubt hätten. Dass dennoch auf dem Land von einer massenhaften Kriegsbegeisterung wohl nichts zu spüren war, zeigte sich auch in Bütthard: Von den 101 Männern, die 1914 eingezogen wurden, waren es gerade einmal vier, die sich freiwillig meldeten.

Einerseits glaubte die Bevölkerung, dass der Krieg schnell gewonnen werde. Andererseits waren die Sorgen groß um den Ernährer der Familie, den Sohn oder den Ehemann im Felde. Anders als die städtischen Arbeiter hatten die Bauern nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern Haus und Hof und die Handwerker ihre Betriebe zu verlieren.

Auch in Bütthard mussten Kriegsgefangene arbeiten

Je mehr Männer zu den Waffen gerufen wurden, desto weniger wurden die Arbeitskräfte auf den Höfen. Dort mussten ab 1915 Kriegsgefangene arbeiten. In Bütthard wurden die Gefangenen im Gemeindehaus einquartiert und von zwei Landsturmmännern bewacht. Während 1916 gefangen genommene Belgier, Franzosen, Italiener, Russen und Serben ihre Äcker bestellen mussten, kämpften weit weg von Zuhause die Büttharder. Auf zahlreichen Feldpostkarten, auf denen das "lieb Vaterland" immer wieder beschworen wird, drücken die jungen Männer ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihren Lieben in der Heimat aus.

Diese Hoffnung erfüllte sich nicht für alle 214 eingerückten Büttharder. 34 Soldaten mussten ihr Leben lassen oder sind vermisst. Was sie vor dem Vergessen bewahrt, das sind die von Georg Menig und Stefan Fach gesammelten amtlichen Dokumente, Karten und Sterbebilder.

Weitere Originaldokumente werden gesucht

Nach der Publikation über die Büttharder Ortsteile Gützingen und Höttingen, die bereits in Vorbereitung ist, sind in der Reihe weitere Bücher über Strüth/Stalldorf und Aufstetten/ Oesfeld in der Planung. Für ihre Arbeit suchen die Autoren Originalquellen wie Feldpostkarten oder Bildern. Bürger aus den genannten Gemeinden, die noch im Besitz von Hinterlassenschaften aus der Zeit des Ersten Weltkrieges sind, können diese bei Stefan Fach abgeben.

Die Büttharder Publikation "Ich könnte gerade hinaus weinen vor Schmerz" ist über Stefan Fach, Tiefental, Langgasse 3, oder www. gendi.de erhältlich.

Die Autoren
Stefan Fach, geboren 1975, studierte ab 2000 an der Universität der Bundeswehr in München Staats- und Sozialwissenschaften. Ab 2009 folgte ein Studium im Fachbereich Sozialverwaltung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Wasserburg am Inn. Er trat bislang insbesondere durch ortsgeschichtliche Arbeiten in Erscheinung, etwa die Chroniken der Gemeinden Tiefenthal, Gaurettersheim und Bütthard. Seit seiner Jugend widmete er sich zudem der Erforschung der eigenen Familiengeschichte. Zwischenzeitlich hat er auch Fachartikel über archäologische Funde im Umfeld seiner Heimatgemeinde publiziert.
Georg Menig, geboren 1987, studierte Geschichte, Germanistik und Europäische Ethnologie/Volkskunde an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und arbeitet als Leiter des Archivverbundes Ochsenfurt, Röttingen und Gaukönigshofen. Sein Forschungsbereich umfasst die Schnittstellen zwischen Sozial-, Militär- und Regionalgeschichte. In letzter Zeit erschien das Werk "Der Große Krieg im kleinen Raum – Krieg und Kriegserfahrung im ländlichen Unterfranken am Beispiel der Gemeinde Gaukönigshofen 1914–1918/19". Zudem veröffentlichte er mehrere digitale Aufsätze über historische regionale Persönlichkeiten und die Geschichte der Gemeinde Gaukönigshofen.
 
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