In Deutschland werden zu wenige Organe gespendet. Bezogen auf die Einwohnerzahl rangiert die Bundesrepublik europaweit auf einem hinteren Platz. Das zu ändern, vereint zwei Initiativen im Bundestag, über die an diesem Donnerstag abgestimmt wird: doppelte Widerspruchslösung oder Entscheidungslösung.
Wir haben die zwölf unterfränkischen Bundestagsabgeordneten gefragt, wie sie votieren werden. Sechs sprechen sich für eine Entscheidungslösung aus, wie sie von einer Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping auf den Weg gebracht wurde: Danach soll künftig standardmäßig bei Behörden die Bereitschaft zur Organspende abgefragt und in einem zentralen Register eingetragen werden. Ein solches ist auch bei der doppelten Widerspruchslösung vorgesehen, initiiert von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Sie würde die Organspende zum Regelfall machen – wenn nicht zu Lebzeiten selbst oder nach dem Tod durch Angehörige widersprochen wurde.
Wie würden Sie entscheiden? Machen Sie mit bei unserer Umfrage.
So argumentieren die unterfränkischen Bundestagsabgeordneten (in alphabetischer Reihenfolge):
Dorothee Bär, CSU (Wahlkreis Bad Kissingen): "Die Entscheidung zwischen beiden Anträgen ist eine sehr schwere und emotionale. Uns alle eint, dass wir die Zahl der Organspender in Deutschland erhöhen wollen. Denn uns lässt keine Ruhe, dass trotz einer grundsätzlichen Spenderbereitschaft von über 80 Prozent in Deutschland derzeit 10 000 Menschen auf eine Organspende warten. Um den richtigen Weg, diese Lücke vertrauensvoll zu schließen, debattieren wir am Donnerstag im Bundestag noch einmal vor der Abstimmung. Da diese Entscheidung für mich auch tiefgreifend ethische Überzeugungen berührt, werde ich die Argumente der Debatte noch einmal nutzen, um sorgsam eine gewissenhafte Entscheidung zu treffen."
Simone Barrientos, Die Linke (Wahlkreis Würzburg): "Durch die Widerspruchslösung bringt man Menschen dazu, sich aktiv mit der Frage einer Organspende auseinanderzusetzen. In 20 europäischen Ländern gibt es dieses Verfahren seit langem. Es ist solidarisch, wenn sich Deutschland am internationalen Spender-Transfer angemessen beteiligt und nicht Nehmerland bleibt. Solidarisch ist auch die Verbesserung der Vergütung von Ärzte- und Pflegepersonal für Operationen und die Freistellung von "Transplantationsbeauftragten" in Krankenhäusern und Kliniken. Mit dem Gesetz wird eine kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung sichergestellt, um zu gewährleisten, dass jede und jeder Einzelne selbstbestimmt über mögliche Organ- oder Gewebespenden entscheiden kann."
Sabine Dittmar, SPD (Wahlkreis Bad Kissingen): "Ich unterstütze den Gesetzentwurf der doppelten Widerspruchslösung, den ich selbst mitinitiiert habe. Trotz intensiver Informationskampagnen stagnieren die Organspenden. Die Wartezeiten auf ein Organ sind extrem lang im internationalen Vergleich, täglich sterben drei Menschen. Angesichts der 10 000 schwerstkranken Patienten auf der Warteliste ist es jedem Einzelnen zumutbar, sich damit zu beschäftigen und eine Entscheidung zu treffen. Die Spende bleibt freiwillig. Wer nicht als Spender zur Verfügung stehen möchte, muss lediglich ein Nein im Register oder gegenüber seinen Angehörigen dokumentieren. Das Grundrecht auf Leben hat für mich einen höheren Stellenwert als das Recht auf Nichtbefassung."
Klaus Ernst, Die Linke (Wahlkreis Schweinfurt): Keine Festlegung. Ernst will die Debatte im Plenum "nutzen, um sich eine abschließende Meinung zu bilden und erst dann entsprechend abzustimmen." Deshalb könne er im Vorfeld keine Stellungnahme abgeben.
Alexander Hoffmann , CSU (Wahlkreis Main-Spessart): "Ich stimme für die Widerspruchslösung. Alle Aufklärungskampagnen haben bisher zu wenig Erfolg gebracht. Wenn man sich zudem in die Lage eines Menschen bzw. einer Familie hineinversetzt, die dringend auf ein Spenderorgan warten, kann ich für mich zu keinem anderen Ergebnis kommen. Ich halte das deshalb für einen vertretbaren Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. Im Erbrecht genauso wie im Rahmen von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten haben wir auch heute schon die Konstellation, dass sich jeder einmal aktiv damit auseinandersetzen muss, wenn er die Regelungen nicht haben möchte, die der Staat vorsieht."
Karsten Klein, FDP (Wahlkreis Aschaffenburg): "Ich werde für die Entscheidungslösung stimmen. Das Thema Organspende ist so persönlich und weitgehend, dass Spenderinnen und Spender ihre Bereitschaft aktiv erklären sollten. Wir alle sind aufgerufen, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine individuelle Entscheidung zu fällen. Dafür soll bei Behördengängen und Arztbesuchen vermehrt Ansprache und Aufklärung geleistet werden. Wichtig finde ich zudem, dass wir endlich die Probleme bei Transplantationsprozessen in den Krankenhäusern angehen. Jedes gespendete, transplantationsfähige Organ muss auch transplantiert werden können. Damit retten wir nicht nur Menschenleben, sondern erhöhen gleichzeitig das Vertrauen in unser Transplantationssystem."
Paul Lehrieder, CSU (Wahlkreis Würzburg): "Die Widerspruchslösung setzt auf die Trägheit bzw. Entscheidungsunfähigkeit der Menschen. Es sieht vor, dass alle, die sich nicht mit der Organspende befassen, automatisch zu Spendern werden. Manche Menschen, vor allem die Schwächsten in unserer Gesellschaft, können oder wollen sich nicht mit der Organspende auseinandersetzen. Schweigen darf jedoch nicht als Zustimmung gewertet werden. Der Staat darf nicht über den Körper der Bürgerinnen und Bürger bestimmen – es kann keine "Organsteuer" geben, die Würde des Menschen gilt auch im Sterben! Ich werde daher für die Entscheidungslösung stimmen, die u.a. durch bessere Aufklärungsangebote von der Organspende überzeugen soll und die Individualrechte schützt."
Andrea Lindholz, CSU (Wahlkreis Aschaffenburg): "Organspenden retten Leben, aber es gibt zu wenig Spender. Ich möchte den Menschen helfen, die auf eine passende Spende warten. Es darf aber niemand gezwungen werden, sich als Organspender zu registrieren. Ich habe mich daher für die "doppelte Widerspruchslösung" entschieden. Seinen Widerspruch kann man jederzeit dokumentieren. Geschieht dies nicht, müssen die Angehörigen gefragt werden, ob ein Widerspruch bekannt ist. So ist sichergestellt, dass niemand gegen seinen Willen zum Organspender wird. Jeder muss sich aber zumindest einmal in seinem Leben mit diesem schwierigen Thema beschäftigen. Angesichts der Bedeutung dieser Frage für Leben und Tod halte ich das für zumutbar und verhältnismäßig."
Manuela Rottmann, Grüne (Wahlkreis Bad Kissingen): "Blickt man auf die Schicksale der betroffenen Patienten, ist völlig klar, dass wir dringend mehr Spenderorgane benötigen. Persönlich habe ich mich daher vor langer Zeit für eine Spende meiner Organe entschieden. Die Haltung zur Organspende ist aber eine höchstpersönliche Gewissensfrage, die jeder für sich frei entscheiden können muss. Ich werde für die Entscheidungslösung stimmen. Damit fördern wir, dass sich die Menschen mit der Spende ihrer Organe beschäftigen. Schweigen dürfen wir aber nicht als Zustimmung werten. Denn die Hintergründe für ein Schweigen können wir nicht sicher ausmachen. Dahinter kann auch Angst oder Überforderung stecken. Das müssen wir respektieren."
Bernd Rützel, SPD (Wahlkreis Main-Spessart): "Ich setze in dieser wichtigen Frage auf frei verantwortliche und informierte Entscheidungen. Schweigen als Zustimmung zu werten ist für mich keine Option. Eine solche Unterstellung würde vor allem die Schwächsten unserer Gesellschaft treffen, zum Beispiel Obdachlose oder psychisch Kranke. Die bewusste Auseinandersetzung mit der Frage einer Organspende, auch mehrmals und an verschiedenen Stellen des eigenen Lebensweges, finde ich wichtig. Ich wünsche mir, dass die Zahl der Organspenden in Deutschland steigt. Ein verbessertes Verfahren, Offenheit und Vertrauen sind dafür der richtige Weg."
Andrew Ullmann, FDP (Wahlkreis Würzburg): "Ich werde am Donnerstag im Bundestag für die Entscheidungslösung stimmen, denn ich wünsche mir so viele Organspender wie möglich. Die Bereitschaft, Organe zu spenden, hängt vor allem vom Vertrauen in die Organspende ab. Wichtig ist auch die hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Heute können die Menschen darauf vertrauen, dass sie nur dann Spender werden, wenn ihr Hirntod zweifelsfrei festgestellt ist und sie sich freiwillig und selbstbestimmt für die Organspende entschieden haben. Die Widerspruchslösung hat mit Freiwilligkeit nichts zu tun: Spenderin und Spender ist danach zunächst jede und jeder. Das schränkt für mich das Selbstbestimmungsrecht massiv ein."
Anja Weisgerber, CSU (Wahlkreis Schweinfurt): "Nach reiflicher Überlegung stimme ich für die Entscheidungslösung. Sie hat das Ziel, dass die Aufklärung durch den Hausarzt über die Organspende zur Regel wird, damit sich mehr Menschen bewusst dafür entscheiden. Bei der Widerspruchslösung muss im Register hinterlegt sein oder müssen die Angehörigen bestätigen, dass der Sterbende kein Organspender sein will, sonst gilt er als Spender. Stillschweigen darf aber keine Zustimmung sein. So erlangen wir das Vertrauen der Menschen nicht. Das brauchen wir aber, um mehr Spender zu bekommen. Studien belegen ein Erkennungs- und Meldedefizit von Hirntoten in Krankenhäusern. Genau da setzen wir an und verbessern gesetzlich Organisation und Strukturen."