
Sabahat Bucak, die mit ihrem Mann Mahmut in der Ochsenfurter Altstadt das Geschäft "Antalya Feinkost" betreibt, erinnert sich mit Schrecken: "Es war am 6. Februar 2023 genau um 4.17 Uhr. Unsere Handys schlugen Alarm. Per WhatsApp erhielten wir verstörende Nachrichten von verschiedenen Familienmitgliedern, die in der Türkei leben", erzählt sie, noch immer sichtlich erschüttert. Es waren die ersten Nachrichten, die Sabahat Bucak vom verheerenden Erdbeben in der Türkei erreichten. Die Verwandten berichteten von Zerrstörungen, von Toten und davon, dass sie nicht wissen, was sie tun sollten.
Mahmut Bucak lebt seit Jahrzehnten in Ochsenfurt. Sabahat ist hier geboren, ebenso wie ihre drei Söhne. Doch viele Verwandte leben noch in der Türkei, genau im Erdbebengebiet. Sie erzählten, dass die meisten Häuser zerstört seien, dass es bitterkalt ist und keinen Strom gibt, und dass sie sich Verschläge aus Planen und Decken bauen mussten, um sich wenigstens ein klein wenig vor der Kälte schützen zu können.
Viele ältere Menschen wollten ihre Heimat nicht verlassen
Viele der Angehörigen fanden inzwischen Zuflucht in größeren Städten wie Mersin, Adana, Ankara, Antalya oder Silifke. Doch einige der Verwandten, besonders die älteren, wollten ihr Dorf Ekinic in der Provinz Hatay zunächst nicht verlassen - unter ihnen auch die über 80-jährigen Eltern von Mahmut Bucak. Sie wurden bei dem Erdbeben an den Beinen verletzt und brauchen dringend ärztliche Behandlung.
Schnell kreisten die Gedanken von Sabahat und Mahmut Bucak nur noch um die Frage, wie man helfen kann. Mahir, der älteste Sohn, startete spontan einen Aufruf in den sozialen Medien und in seinem Friseursalon in Würzburg. Unterstützt wurde er von seinen beiden Brüdern Marcel und Adrian und natürlich von den Eltern. Sie baten um Hilfsgüter, um sie in die Türkei in das Erdbebengebiet zu fahren.
Die Hilfsbereitschaft für die Erdbebenopfer war überwältigend
Die Hilfsbereitschaft war überwältigend, sagt Sabahat. Schnell stapelten sich Kartons im Friseursalon und im kleinen Laden in Ochsenfurter Hauptstraße, gefüllt mit Decken, Schlafsäcken, Babynahrung, Hygieneartikeln und vielem mehr. Die Unterstützung der Menschen war überwältigend, sagt Sabahat. Schnell tauchte deshalb die Frage auf, wie die Hilfsgüter auf dem schnellsten Weg ins Krisengebiet gelangen konnten.
Mahmut wandte sich an Andreas Jutzi, der als Weihnachtstrucker viele Jahre lang Spenden nach Osteuropa gefahren hatte. Der wiederum wandte sich an Klaus Meyer, der durch seine Unterstützung für Nepal ebenfalls jahrzehntelang Erfahrung gesammelt hat. Nach intensiven Gesprächen zeigte sich, dass das Risiko für einen Privattransport in die Türkei zu groß war. Stattdessen nahmen Mahmut und Sabahat Kontakt zur Sammelstelle der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion DITIP in Fürth auf, die zentrale Hilfstransporte in die Türkei organisiert.
Der Ochsenfurter Unternehmer Joachim Beck stellte einen Sprinter zur Verfügung, der Würzburger Gemüsegroßhändler Schraud und Baunach sogar ein Fahrzeug samt Fahrer. Drei Ladungen wurden inzwischen nach Fürth transportiert, und schon wieder steht der Laden in Ochsenfurt voller Kartons. Der hiesige E-Center hat sie gestiftet, erzählt Sabahat Bucak.
Klaus Meyer erinnert sich an das Erdbeben in Nepal 2015: "Es ist schrecklich, die Zerstörung und die vielen Toten zu sehen. Aber es gibt viele Überlebende, Verletzte und Kranke. Das sind die Menschen, die jetzt sofort Hilfe und Unterstützung benötigen", sagt er. In Absprache mit Pfarrer Johannes Müller von der Evangelischen Kirchengemeinde Ochsenfurt wurde deshalb ein Spendenkonto eingerichtet. Als einer der ersten hat Bürgermeister Peter Juks im Namen der Stadt 1000 Euro auf das Konto eingezahlt.
Geldspenden helfen am wirklungsvollsten
Bei Sabahat und Mahmud Bucak direkt sind ebenfalls viele Spenden eingegangen. Auch der Ochsenfurter FV, der SV Kleinochsenfurt und eine Grundschule in Kitzingen haben gespendet. Insgesamt 3000 Euro hat Sabahat inzwischen an einen Vertrauten in der Türkei überwiesen, der das Geld direkt an Bedürftige weiterleitet. Inzwischen seien die meisten Menschen aus dem Dorf in der Stadt Mersin untergekommen, 200 Kilometer vom Erdbebengebiet entfernt, erzählt Sabahat. Sie leben bei Bekannten oder konnten sich eine kleine Wohnung mieten. Dort gibt es ausreichend Waren in den Geschäften, auch die Bankautomaten funktionieren.
Trotzdem reißen die Schreckensnachrichten nicht ab, die sie mehrmals täglich per WhatsApp von einem Bekannten erhält. "Die Situation dort ist unvorstellbar", sagt Sabahat. "Man geht über Leichen, die langsam anfangen zu verwesen. Es stinkt. Es gibt keine Geräte, keine Maschinen, kein Wasser, kein Sanitär." Die Ausgabe von Hilfsgütern laufe schleppend, sogar von staatlichen Helfern werde berichtet, die Sachspenden unterschlagen. Auch deshalb seien Geldspenden jetzt am wirkungsvollsten.
Dazu will auch "Johanns Brauhaus" im Ochsenfurter Kastenhof beitragen. Am Samstag ab 11 Uhr verkauft die Gaststätte Bratwürste vom Grill. Der Erlös geht an die Erdbebenopfer. Gleichzeitig will Sabahat Sohn Mahir am Samstag aufbrechen, um doch selbst die Sachspenden ins Krisengebiet zu bringen.
"Seit neun Tagen denke ich an nichts mehr anderes", sagt Sabahat Bucak, "das ist psychisch und auch physisch sehr belastend." Beim Gedanken an die Unterstützung treten ihr Tränen in die Augen. "Mit so viel Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit haben wir nicht gerechnet, obwohl die Ochsenfurter ja für ihre Solidarität bekannt sind", sagt sie.
Main-Klinik sagt Behandlung für Mahmuts Eltern zu
Bürgermeister Peter Juks erinnert daran, dass in Ochsenfurt Hilfsbereitschaft großgeschrieben werde, man denke nur an die Unterstützung für Nepal, an ein Hilfsprojekt von Burkard "Sassi" Freitag für Tansania oder die Unterstützung der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine. Auch Klaus Meyer und Andreas Jutzi sind sich einig, dass der soziale Zusammenhalt in der Stadt funktioniert.
Eine erfreuliche Nachricht hat Mahmut Bucak am Montag Nachmittag erreicht. Der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib habe ihren Schwiegereltern eine Behandlung in der Ochsenfurter Main-Klinik vermittelt, erzählt Sabahat Bucak. Wenig später bestätigte Klinik-Geschäftsführer Christian Schell die Einladung. Gleichzeitig ist es Mahmut Bucak gelungen, ein Flugticket für die beiden zu organisieren. Am Mittwoch früh holt er sie am Flughafen in Frankfurt ab.