Die zwei Würzburger Betreiber des Berliner Großbordells "Artemis" fahren schweres Geschütz gegen die Staatsanwaltschaft auf: Kenan und Haki S. drohen mit einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht. Sie wollen den Staatsanwälten verbieten lassen, in einem Fall öffentlich nachzukarten, in dem die Behörde mit Ermittlungen völligen Schiffbruch erlitten hatte.
Vollmundige Ankündigungen
Eine Großrazzia im „Artemis“ hatte April 2016 für bundesweites Aufsehen gesorgt. Der Berliner Innensenator schaute bei der Durchsuchung mit mehreren hundert Polizisten medienwirksam persönlich vorbei. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts der Ausbeutung von Sexarbeiterinnen, Zuhälterei und Beihilfe zum Menschenhandel. Vollmundig war von organisierter Kriminalität die Rede, man verglich die Brüder aus der fränkischen Provinz mit dem Mafiaboss Al Capone.
In Würzburger Polizeikreisen schüttelte man ungläubig den Kopf. Ein Ermittler mit jahrelangem Einblick in die Geschäfte der Brüder sagte in den Tagen nach der Durchsuchung: "Wenn Kenan und Haki S. sich in Berlin so korrekt an das gehalten haben, was sie den Behörden hier und dort zur Prüfung vorgelegt hatten, ist die Razzia nichts als heiße Luft."
Unschuld erwiesen, Ruf geschädigt
Tatsächlich mussten die Ankläger in Berlin immer mehr zurückrudern. Das Landgericht ließ Ende 2018 nicht einmal die Anklage wegen angeblicher Steuerhinterziehung zur Verhandlung zu. Formal galten die nach mehrmonatiger Haft wieder freigelassenen Brüder als unschuldig. Doch ihr Ruf war geschädigt. Die Kinder von Kenan S. sollen sich in Würzburg dem Spott von Mitschülern ausgesetzt gesehen haben.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin sagt dennoch auf Anfrage: Es gebe nach wie vor "Verdachtsmomente". Eine rechtlich fragwürdige Äußerung. "Fakt ist: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht," erklärt Artemis-Anwalt Ben Irle. "Aber wenn sie wirklich etwas Greifbares hätte, gäbe es keine Wahl: Sie dürfte nicht nur ermitteln, sie müsste sogar." Der Vorfall ist brisant, weil die Staatsanwaltschaft 2016 versprochen hatte, sich in Bezug auf die "Artemis"-Betreiber künftig zurückhaltender äußern zu wollen. "Wie der aktuelle Fall zeigt, wurde nichts davon eingehalten", sagt Irle.
Munteres Hin und Her: Schlagabtausch der Juristen
Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf das Presserecht: Auf Anfragen von Journalisten müsse sie Auskunft geben. Die Artemis-Anwälte, darunter die Würzburger Strafverteidiger Jan Paulsen und Norman Jacob, kontern mit der Drohung, den Fall vor Gericht entscheiden zu lassen. Die Staatsanwaltschaft erwidert, die Artemis-Betreiber kämen nur ihrer "gewohnten Herabwürdigung der Strafverfolgungsbehörden" nach. Anwalt Irle wiederum findet das "polemisch, unsachlich und gleichgültig". Ihm zufolge prüfen die Anwälte auch Ansprüche auf Schadenersatz gegen die Staatsanwaltschaft. Das Verfahren habe 31 Monate gedauert, ihre Mandanten seien dadurch zu Unrecht als Verdächtigte öffentlich angeprangert worden und hätten materielle Schäden erlitten hätten.