Seit Dienstag gehört auch Veitshöchheim zum Netzwerk von GedenkOrten Deportationen 1941 – 1944 in ganz Unterfranken. Seit 17. Juni 2020 erinnert der zentrale DenkOrt am Würzburger Hauptbahnhof mit derzeit 89 deponierten künstlerisch gestalteten Gepäckstücken an die systematische Deportation und Ermordung von über 2000 jüdischen Männern, Frauen und Kinder aus ganz Unterfranken, die durch den NS-Staat von Würzburg und Kitzingen aus in die Vernichtungslager in Osteuropa verschleppt wurden.
Die einzelnen Gepäckstücke wurden von den jeweiligen Gemeinden in Auftrag gegeben, in welchen die Deportierten zuvor gelebt hatten. Sozusagen als Pendant gehört zu jedem in Würzburg präsentierten Gepäckstück ein Gegenstück, welches die Erinnerung in der jeweiligen Herkunftsgemeinde wachhalten soll.
Gemeinschaftsarbeit unter pädagogischer Begleitung
An der Aktion beteiligte sich auch die Gemeinde Veitshöchheim. Schülerinnen des Gymnasiums Veitshöchheim hatten 2019 in Gemeinschaftsarbeit unter pädagogischer Begleitung der Kunstlehrerin Berit Holzner einen Koffer aus Keramik gefertigt. Der "Zwillings-Koffer" befand sich seitdem im Jüdischen Kulturmuseum. Jetzt erhielt er an prädestinierter Stelle am Eingangstor in den Altort seinen Aufstellort im Freien, erfolgte am Dienstagnachmittag durch Bürgermeister Jürgen Götz die feierliche Übergabe.
Analog zu Würzburg wurde der Keramikkoffer auf einem vom Bauhof installierten Betonsockel am Gernecksplatz in Sichtbeziehung zum historischen Bahnhofsgebäude und dem Schloss aufgestellt. Der Gernecksplatz war ein Glanzlicht für den Wettbewerb "Entente Florale Deutschland 2009". Die hier zum Gestaltungsthema "Bahnschiene" verwendeten Materialien Cortenstahl und Muschelkalkschotter symbolisieren, dass Veitshöchheim 1850 an das Schienennetz angebunden wurde.
Wie auf der neben dem Koffer installierten Info-Tafel hervorgeht, begann nicht ganz 100 Jahre später 1942 für die fünf hier aufgeführten, in Veitshöchheim beheimateten Juden Fanny und Julius Freudenberger, die Geschwister Ernst Kahn und Rosa Trepp sowie Dr. Max Pretzfelder der Weg in den Tod.
Erinnerung an Millionen deportierter Juden
Der Bürgermeister sprach von einem wichtigen Signal, dass die Erinnerung an die Millionen von deportierten und ermordeten Juden auch in den Händen jüngerer, kommender Generationen liegen muss und liegt. Götz: "Gedenken bedeutet, Vergangenheit wieder sicht- und greifbar zu machen. Gedenken heißt, das Leid, den Schmerz und das Grauen zu verdeutlichen; gerade jetzt, in einer Zeit in welcher wir eine Intensivierung von antisemitischen Strömungen wahrnehmen, die sich gerade einen Weg von den äußeren Rändern wieder zurück in die Mitte unserer Gesellschaft bahnen." Die Beschäftigung mit der NS-Zeit mache deutlich, wie schnell Menschenrechte, Demokratie und ein friedliches Miteinander gefährdet sein können, so Götz.
Benita Stolz, Vorsitzende des Würzburger Vereins DenkOrt Deportationen sagte: "Der Holocaust lässt sich nicht wirklich darstellen; mit Hilfe von Symbolen nähern wir uns an." Sie hofft, dass durch das hier aufgestellte Denkmal möglichst viele Menschen wach werden und darüber nachdenken, dass so etwas nie wieder passiert.
Die musikalische Gestaltung des feierlichen Aktes, an dem ein Großteil des Gemeinderates zugegen war, hatte das Ehepaar Bernhard und Claudia von der Goltz zusammen mit Rainer Schwander mit Klezmerstücken wie "Frieden soll sein" und "Ein bisschen Sonne" übernommen.