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Würzburg
Notgefängnis Friesstraße: Schulen erinnern an unfassbare Verbrechen
Die jüngsten Gefangenen waren gerade einmal 13 Jahre alt: Schülerin Tina Rottmann erklärt ihr Modell eines Denkmals, das an das„Notgefängnis Friesstraße“ erinnern könnte. Drei Schulen verschrieben sich in einem Gemeinschaftsprojekt der Erinnerungskultur zu diesem Ort des Schreckens und hatten mit ihren künstlerischen Exponaten nun Ausstellungseröffnung in der Franz-Oberthür-Schule. Oberbürgermeister Christian Schuchardt dankte den vielen Projektbeteiligten. Foto: Georg Wagenbrenner
| Die jüngsten Gefangenen waren gerade einmal 13 Jahre alt: Schülerin Tina Rottmann erklärt ihr Modell eines Denkmals, das an das„Notgefängnis Friesstraße“ erinnern könnte.
Lena Berger
 |  aktualisiert: 15.07.2018 02:14 Uhr

Die Franz-Oberthür-Schule, das Matthias-Grünewald-Gymnasium und die Goethe-Mittelschule sind eine Schicksalsgemeinschaft, von der man allzu lange nichts wusste. Im Bereich dieser heutigen Schulen beziehungsweise in deren unmittelbarer Nachbarschaft spielte sich in den Jahren 1943 bis 1945 unfassbares Leid und Unrecht ab. Im „Notgefängnis Friesstraße“ wurden von der Gestapo etwa 600 Zwangsarbeiter wie Vieh gehalten. Hunger, Krankheit, Willkür, Folter und Exekutionen waren in den Baracken und im Hof dieses Arbeitslagers an der Tagesordnung. Erst nach einer Veröffentlichung 2004 durch den Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, wozu das Notgefängnis als Außenstelle organisatorisch gezählt wurde, begann die fundierte Aufarbeitung dieses grauenvollen Kapitels Würzburger Geschichte.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt würdigte den Einsatz der Schüler dieser drei Häuser im Frauenland, die sich zusammen mit dem Fachbereich Kultur der Stadt Würzburg, Alexander Kraus
von der Geschichtswerkstatt und Bildhauer Markus Schmitt kreativ und vielschichtig mit dem „Notgefängnis Friesstraße“ auseinandersetzten. Herausgekommen ist hierbei eine Ausstellung im Untergeschoss des BBZ mit dem Schwerpunkt auf 13 Modelle denkbarer Denkmäler im öffentlichen Raum.

„Es ist ein sehr bedeutsames Projekt. Auch weil Erinnerungskultur immer bedroht ist, in ein rein ritualisiertes Handeln abzudriften. Hinter niedergelegten Kränzen und Politikerreden darf aber die persönliche Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht zu kurz kommt. Es ist wichtig genauestens zu hinterfragen, wie es in den 30er Jahren des 20 Jahrhunderts zu einer derartigen gesellschaftlichen Entgleisung kommen konnte: mit den Anfängen in einer brutalen Sprache, die schließlich zur Ermordung von Menschen führte“, unterstrich Schuchardt die Bedeutung der Exponate, die anderen Menschen nun wiederum den Zugang zu dieser düsteren Epoche erleichtern können. Auch gelte es für die Gegenwart und Bedrohungen der Demokratie heute die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Sybille Linke, Fachbereichsleiterin Kultur, gab einen Einblick in den Entstehungsprozess der Kunstwerke und bedankte sich stellvertretend bei Schulleiter Uwe Tutschku für die große Rückendeckung des Projekts. Schülergruppen hatten so beispielsweise auch die Möglichkeit Exkursionen in Ateliers oder zu verschiedenen Denkmälern in der Stadt zu unternehmen. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema äußerte sich schließlich in ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen. Das Notgefängnis ist nun beispielsweise auch in den Audioguide zur Würzburger
Erinnerungskultur integriert. Chansons von Norbert Glanzberg, dem erfolgreichen jüdischen Komponisten, der vor den Nazis fliehen musste, wurden neu arrangiert und bildeten auch den musikalischen Rahmen der Vernissage.

In der Ausstellung hängt zudem ein Büchlein von der Decke, hinter dem eine große Idee steckt. Es ist das fiktive Tagebuch von Zofia Malczyk, einer jungen polnischen Zwangsarbeiterin. Man weiß aus ihrer Gestapoakte, dass ihr junges Leben nach ihrer Flucht aus dem Lager und der erneuten Festnahme mit nur 18 Jahren durch einen Kopfschuss endete. Ein weiterer Schuss galt dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch. Sie war im siebten Monat schwanger. Eine Gruppe aus sechs  Schülern überlegte sich, welche Gedanken, Hoffnungen und Ängste die junge Frau von 1939, als sie gegen ihren Willen nach Deutschland transportiert wurde, bis zu ihrer Hinrichtung ihrem Tagebuch anvertraut haben könnte.

Aus einer Akte wird so wieder ein Mensch und ein Schicksal. OB Schuchardt musste bei dieser literarischen Annäherung an das Würzburger Zwangsarbeiterlager an das Tagebuch der Anne Frank denken. Ihr Schicksal bewegt bis heute auch Millionen Schüler, weil man ihr durch die persönlichen Aufzeichnungen so nahe kommt. Das fiktive Tagebuch kann ähnliches leisten, wie man den Besuchern der Ausstellungseröffnung anmerkte. Nach der Lesung einiger Passagen herrschte kurz absolute Ruhe, bis ganz behutsam der Applaus einsetzte.

 
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