Jazz-Klänge swingen über die matt von einem Kronleuchter erhellte Tanzfläche, unterlegt mit kurzen, knackigen Electro-Beats. Dann wieder federt Bigband-Sound der Goldenen Zwanziger durch den Raum. Freitagabend, Zeit für „Electroswing Nation“ im Tanzcafé Ludwig. Angesagt sind Outfits im Stil der 20er oder 30er Jahre. „Die Mädels tragen gerne Haarbänder, Perlenketten und Federboas. Ein Kleidchen gehört auch dazu“, sagt Veranstalter Josef Hiebl. Für die Jungs sei's einfach: „Da reichen Schiebermütze, Hemd und Hosenträger.“
Hiebl, 36-jähriger Münchner, ist über seinen Bruder Andreas nach Würzburg gekommen. Der studierte an der Würzburger Musikhochschule Geige und ist bei „Electroswing“ hauptsächlich für das Design, die Flyer und die Werbung zuständig.
Ein paar Meter weiter, an der Bar, gibt es passend zu den Goldenen Zwanzigern Sekt – auf Englisch „Champaign“. Und da der Mojito in der Zeit der Prohibition, als Alkohol verboten war, seinen Durchbruch erlebte, gehört auch das Getränk mit Minze mittlerweile zu den Klassikern der Electroswing-Partys im Tanzcafé Ludwig.
Die Reihe hatte im November 2012 ihre Premiere, seitdem findet einmal im Monat die „Electroswing Nation“ statt. „Das Ganze hat mehr Event- als Partycharakter“, sagt Hiebl. Er hat für gut 3000 Euro Dekoration auf dem Flohmarkt und im Internet zusammengekauft: Kronleuchter, ein altes Grammofon, alte Blechschilder, nicht zuletzt einen Hund aus Keramik: „Die 20er und 30er Jahre ziehen sich wie ein roter Faden durch den Abend.“ Das Organisieren koste „wahnsinnig Zeit“, aber die sei „gut investiert“. Schließlich könnten man „tolle Leute kennenlernen“.
Und Electroswing, das sei nicht nur eine einzelne Musikrichtung. Da gebe es Techhouse, also Techno mit wenigen Swingeinflüssen. Davon hält Hiebl selbst nicht allzu viel: „Wir wollen keinen Rave, sondern eine stilvolle Party, wo einem nicht das Trommelfell rausfliegt“. Beim Swinghouse würden House-Beats mit swingendem Rhythmus kombiniert. Der klassische Electroswing habe sich erst in den vergangenen Jahren etabliert.
„DJs, die zu uns passen, gibt es weltweit nur 40 oder 50“, erzählt Hiebl, studierter Japanologe, während sich die Tanzfläche allmählich füllt. „Die wirklich guten Acts sind schon Monate vorher gebucht.“ Live hören könne er die DJs, die er bucht, vor ihrem Auftritt selten. In Deutschland gebe es abgesehen von Berlin kaum Möglichkeiten, die internationalen Größen des Electroswing anzutreffen. Auch in der Partymetropole München, wo Hiebl arbeitet, sei es schwierig: „Wenn sie schon mal nach München kommen, dann waren sie meistens schon bei uns.“
Die Künstler, die Hiebl in den vergangenen Monaten nach Würzburg geholt hat, kamen aus ganz Europa. „Im Juni hat bei uns der House-Produzent Nikola Vujijc aufgelegt, der aus der Nähe von Belgrad kommt. Sein erster Auftritt in Deutschland.“ Eine nicht weniger lange Anreise hatten im Mai „The Swingbot“ und Vasili Gemin – die DJs kamen aus dem südfranzösischen Nîmes und Lille, mit „schicken neuen Tracks“ im Gepäck. Aus Malta reiste der April-Act an: Dr. Zicotron, ein promovierter Jurist. Aus England kamen die DJs für die Abende im März und Januar: „The Killer Dillers aus Nottingham veranstalteten eine der erfolgreichsten Electroswingpartys. Und Jamie Berry aus Leeds gehört zu den bekanntesten Electroswing-Produzenten.“
Dass die Reihe beim Würzburger Publikum so gut ankommen würde, überraschte Hiebl dann doch: „Wir hatten uns gefragt, ob die Idee und die Musik in Würzburg auf Interesse stoßen oder ob das nur in einer Metropole funktionieren kann.“ Nach einem Jahr kann Hiebl sagen: „Es hat gut funktioniert.“
