
Na, das schafft wohl nur ein Musikwissenschaftler als Ehrengast: Der Ratssaal erlebt die Gründung eines Bürgerchores, der dann auch gleich das Frankenlied anstimmt. Etwa 500 Kehlen bringt Professor Dr. Ulrich Konrad von der Universität Würzburg am Sonntagmittag beim Städtischen Neujahrsempfang zum Klingen. Vorher hatte der Gastredner Würzburg in den höchsten Tönern als Musik- und Kulturstadt gelobt. Und der Gastgeber des Tages, Bürgermeister Adolf Bauer, gab in einer äußerst emotionalen und warmherzigen Ansprache einen Ausblick auf 2014.
An diesem Morgen bildete sich eine lange Schlange von Besuchern vor dem Ratssaal, denn die Bürgermeister Marion Schäfer-Blake und Adolf Bauer begrüßten jeden persönlich. Darunter waren auch zahlreiche Ehrengäste wie Landtagpräsidentin Barbara Stamm (CSU), die Landtagsabgeordneten Oliver Jörg (CSU) und Kerstin Celina (Grüne) sowie Bundestagsabgeordneter Paul Lehrieder (CSU). Und dann waren da noch Vertreter von Bezirkstag, Polizei, Kirchen, Regierung von Unterfranken und anderen Behörden.
Sie alle erlebten einen gut gelaunten Bürgermeister Bauer, der befreit aufsprach. Den ersten stürmischen Applaus erhielt der Mann, der derzeit OB Georg Rosenthal vertritt, da dessen Amt seit seiner Wahl in den Landtag ruht, für diesen Satz: „Rosenthal sei Dank gesagt – und jetzt bin ich dran.“ Der Oberbürgermeister weilte übrigens nach Informationen dieser Zeitung am Sonntag im Urlaub.
„Wir haben 2014 viele Projekte am Start, die kommen auch irgendwann ans Ziel“, witzelte Bauer und lud die Bürger ein, ins Rathaus zu kommen: „Sie erfahren bei uns immer etwas Neues.“ Bauer erinnerte zu Beginn an einige dunkle Kapitel deutscher Geschichte und deren Gedenktage in 2014: Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, vor 75 Jahren überfiel Deutschland Polen und löste den Zweiten Weltkrieg aus, und vor 70 Jahren landeten die Alliierten in der Normandie und in der Folge wurde Würzburgs Partnerstadt Caen fast völlig zerstört. Heute sei Würzburg eine internationale Stadt, betont Bauer. Menschen aus 130 Herkunftsländern leben hier. Und für das Zusammenleben wünscht sich der Bürgermeister Offenheit, Toleranz und Respekt.
Dass sein Herz für Würzburg schlägt, machte der Rathauschef deutlich, als er Vorzüge aufzählt: Verkehrsgünstig gelegen im Herzen Europas, eine Stadt der Kunst und Kultur mit überdurchschnittlicher Lebensqualität, breit aufgestellt bei den Schulen. Eine gewaltige Rolle spielen bei der Stadtentwicklung die Hochschulen als Impulsgeber für Innovationen. Bauer sieht in der Entwicklung der Konversionsflächen auf dem Gelände der Leighton Barracks eine Jahrhundertchance. Dort werde ein neuer Stadtteil für 5000 Einwohner entstehen.
Auch zur Theatersanierung äußerte sich der Bürgermeister: „Hier geht es nicht um die Existenzfrage, Würzburg braucht sein Theater, und wir alle wollen das Theater.“ Den Gastredner Ulrich Konrad hatte er selbst ausgewählt: ein profilierter Mozart-Forscher und Träger des Leibnizpreises, des „nationalen Nobelpreises der deutschen Wissenschaften“.
Konrad, waschechter Rheinländer und seit 18 Jahren in der Domstadt, bestätigte den Würzburgern in seiner Ansprache, dass sie freundlich auf Migranten zugehen, jedenfalls wenn sie Rheinländer sind. Der Musikwissenschaflter wünschte sich für 2014, „dass wir im neuen Jahr den Grundton unseres Gemeinwesens sicher im Ohr behalten“. Er meinte das in Anlehnung an die Arbeit der Stimmgabel, die eine verbindliche Orientierung für Musiker bietet.
„In dem Grundton schwingen mit die Einigkeit darüber, dass wir für alle Menschen guten Willens offen sind, dann das Recht, das einem jeden von uns einen sicheren Schutzraum bietet und schließlich die Freiheit, nach unseren Möglichkeiten und Wünschen für das Gemeinwohl tätig zu sein“, setzte Konrad nach. Auch er streifte den Ersten und Zweiten Weltkrieg mit all seinem Leid, das über die Würzburger Familien kam. Konrad sieht das Jahr 2014 als Jahr der Dankbarkeit und der erneuten Selbstverpflichtung auf eine friedliche Gesellschaft.
Und der Ordinarius hatte erstaunliche Zahlen mitgebracht: von weltweit 176 Opernbühnen stünden 88 alleine in Deutschland. Oft wüssten die Menschen so einen Reichtum nicht zu schätzen. Gelte das vielleicht auch für Würzburg, fragt sich Konrad und spielt auf das Mainfrankentheater an:. „Ist uns eigentlich bewusst, dass wir seit 1804 in Würzburg ein Theater haben und damit auch eine eigene Oper?“
Und seitdem ringen die Bürgerschaft und der Stadtrat mit hohem Aufwand um den Erhalt. Der Musikwissenschaftler konnte es sich nicht verkneifen, den Stadtrat ein wenig unter Druck zu setzen: „Freuen wir uns auf die Feier zum 50. Bestehen seit der Einweihung 1966 im Jahr 2016 in einem wunderbar hergerichteten Haus.“
Na, das wären dann noch knapp drei Jahre. Würzburg sei jedenfalls eine Musikstadt der Extraklasse, schloss Konrad. Mozart habe hier eine Kaffeepause gemacht, sein Rivale Georg Joseph Vogler kam in der Pleich zur Welt, Komponist Winfried Zillig sei in Würzburg aufgewachsen und Richard Wagner habe seine Musikerlaufbahn als Chor-Einstudierer am Würzburger Theater begonnen.
Mit einem schwungvollen Sound begleiteten die jungen Musiker der Big Band Route 66 der Sing- und Musikschule den Empfang, der in vielen angeregten Einzelgesprächen ausklang.