Der 13-Jährige aus Dingolshausen rennt sofort, als er von der Landung erfährt, aus dem Luftschutzkeller in der Brauerei Hümmer die Schlossteige hoch und zu der Faulbach, wie das kleine Bächlein genannt wird. Dort liegt der Schüler jetzt mit Freunden tief geduckt im Graben, und beobachtet, wie sich zwei Männer an dem Flugzeug zu schaffen machen.
Weil die deutsche Ju 88 immer noch über dem Bomber kreist, hat Roland Martin nicht viel Zeit zu experimentieren. Nachdem er damit gescheitert ist, den Tank anzuzünden, geht er zurück in die Kanzel, zieht seinen unbenutzten Fallschirm heraus und breitet den Stoff in Bug und Cockpit aus. Er setzt eine Leuchtkugel in die Falten, hoffend, alles würde in Flammen aufgehen, nachdem er und Nicholas Macri weg sind. Doch auch dieser Versuch misslingt. Zurück bleiben nur ein paar verkohlte Sachen im Inneren und die Schmauchspuren am Rand des Seitenfensters im Bug, dessen Scheibe schon nach einem Treffer über Schweinfurt weggeflogen ist.
Inzwischen sind einige Minuten vergangen und mehrere ältere Bauern und Feldarbeiter, bewaffnet mit verschiedenen landwirtschaftlichen Geräten, sind inzwischen den beiden bedrohlich nahe gekommen. Der Anwesenheit der deutschen Männer haben es die Amerikaner zu verdanken, dass das immer noch über der Stelle kreisende deutsche Jagdflugzeug mittlerweile das Feuer eingestellt hat. Nachdem Roland Martin noch schnell seinen Colt ins Innere geworfen hat, marschiert er mit Macri mitten durch den von den Bauern gebildeten Halbkreis, um im Wald zu verschwinden. Roland Martin: "Sie waren in dem Moment wohl so verunsichert, nervös und ängstlich wie wir".
"Die Bauern waren wohl so verunsichert wie wir"
Roland Martin, Pilot der "Eisernen Jungfrau"
Der Dingolshäuser Hans Behr und der Gerolzhöfer Landwirt Andreas Wächter sind gerade am Volkach-Bach in der Nähe des Lindelachshofes bei der Feldarbeit, als der aus Richtung Vögnitz heranrauschende Bomber beim Eindrehen zum Neuen See über ihre Köpfe hinwegfliegt.
Gemeinsam brechen sie nach der Landung des Flugzeugs wie viele andere Bauern, Bäuerinnen und Erntehelfer in der Umgebung auf, um das "Wunderding" näher zu betrachten. Überhaupt verbreitet sich die Nachricht von der Notlandung des amerikanischen Prachtbombers wie ein Lauffeuer in Stadt und Land. Kurz nachdem die letzten Besatzungsmitglieder geflüchtet sind, eilen die Menschen von überall her zu der Stelle, wo die "Eiserne Jungfrau" niedergegangen ist.
Im Lauf der nächsten Tage werden es Tausende sein, die sich einen Blick auf die absolute Attraktion in der Gegend nicht entgehen lassen. Die Menschen strömen zu Fuß oder auf Rädern herbei. Bald führt ein breiter Trampelpfad vom Neuen See hinauf.
Den Schaulustigen kommt entgegen, dass die B-17 mehr recht als schlecht von Luftwaffe, Polizei und Volkssturm bewacht wird. Tagelang kommt trotz der uniformierten Wachposten hinein, wer will. Aber auch, als später schärfer kontrolliert wird, gibt es noch Mittel und Wege, um das Ziel zu erreichen.
Der in Schweinfurt als so genannte Luftwaffenhelfer bei der Flak eingesetzte 17-jährige Oberschüler Ottmar Wolf aus Gerolzhofen schaut an seinem dienstfreien Tag vorbei. Der Hinweis, dass er am 14. Oktober in Schweinfurt bei der Luftverteidigung dabei war, genügt, um in den Bomber vorgelassen zu werden.
Die meisten interessieren sich besonders für die Maschinengewehre. Die sind allerdings noch scharf. Wiederholt pfeifen die Kugeln, Leuten, die vor der Maschine stehen, haarscharf am Kopf vorbei.
Adam Ach, ein Junge aus Gerolzhofen, wird später von einem Streifschuss am Ohr verletzt. Der Dingolshäuser Hans Gräf trifft mit der Bordwaffe glücklicherweise nur die Tragfläche. Kreidebleich steigt er aus dem Flieger. Der Gerolzhöfer Jugendliche Adolf Hauck kommt nur ganz kurz auf den Abzug des Bug-MGs, doch bis er den Finger zurückzieht, sind bereits gut zehn Schüsse losgegangen, treffen jedoch zum Glück niemanden. Auch ein neugieriger Pfarrer soll eine Salve ausgelöst haben.
Weitere gefährliche Zwischenfälle dieser Art sind vorprogrammiert. Robert Laufer ist als 13-Jähriger von Bimbach herübergekommen. Er inspiziert die wenig Bewegungsfreiheit bietende, abgeschottete Ein-Mann-Kabine des Heckschützen und spielt am Zwillings-MG herum. Da fängt es plötzlich am Landeplatz schon wieder zu rattern an. Der 16-jährige Alexander Sender aus Dingolshausen entkommt nur knapp dem Unheil, als die nächste Salve losgeht: "Einen Meter weiter vorne und es wäre mit mir aus gewesen."
Es sind am Ende nur wenige im Gerolzhöfer Land, die das Flugzeug mit der "heißen Lady" auf dem Aluminiumblech nicht von außen oder innen besichtigt haben. Der "Erlebnispark" unter freiem Himmel wird erst wieder geschlossen, als Soldaten der Luftwaffe nach Tagen mit der Demontage des Bombers beginnen und die Teile auf große Lastwagen laden. Bis es soweit ist, lassen die Besucher aus dem Innern mitgehen, was ihnen in die Finger gerät. Es muss nur in die Hosentasche passen, damit es niemand sieht. Die Menschen können in diesen Kriegszeiten aufgrund der katastrophalen Versorgungslage alles gebrauchen.
Der Abtransport der Wrackteile gestaltet sich nicht unproblematisch. An der engen Einmündung von der Schlosssteige in die Dingolshäuser Hauptstraße bleibt der Tieflader auf dem Weg nach Gerolzhofen mit einem Teil der sperrigen Ladung an der rechten Hauswand hängen. Die Kratzspuren sind Jahrzehntelang zu sehen. Erst kurz nach der Jahrtausendwende verschwinden sie unter einem neuen Putz, weiß der Dingolshäuser Josef Weigel.
Der siebenjährige Theo Kaeuffer sieht, wie der Laster die Dingolshäuser und die Schuhstraße in Gerolzhofen hinunterfährt. Und Hans Schlagbauer beobachtet als Junge, wie die Teile schließlich am Bahnhof auf Güterwaggons verladen werden, um sie auf den Flugplatz nach Kitzingen zu bringen. Dort werden die Trümmer der abgestürzten Bomber aus dem Umkreis zu dieser Zeit auf einer Flugzeug-Werft gesammelt, auf Materialien und Schmierstoffe hin untersucht, teils wieder verwertet oder verschrottet.
Derweil läuft die Fahndung nach den flüchtigen Besatzungsmitgliedern bei Polizei und Volkssturm auf Hochtouren.