
Der Erfolg spricht für sich: Aus 41 Nichtschwimmern in Unterfranken wurden binnen acht Wochen 40 Schwimmer. Auch wenn die betroffenen Schüler nicht Kraulen, Rücken- oder Brustschwimmen beherrschen, können sie sich doch problemlos über Wasser halten und ans nächste Ufer gelangen. Sie tun dies mittels „Ruderboot-, Raddampfer- oder Hubschraubertechnik“. Das bedeutet – sehr anschaulich ausgedrückt – nichts anderes, als dass die frisch ausgebildeten, stolzen Wasserratten sich auf dem Bauch liegend mit Beinschlägen (Raddampfer) und Armkreisen (Hubschrauber) oder auf dem Rücken liegend mit Hilfe von weit ausholenden Armzügen im Wasser vorwärts bewegen: Sie schwimmen also.
Ein Erfolg, der nicht nur das Selbstwertgefühl der betroffenen Kinder stärkt, ihnen künftigen Wasserspaß garantiert (sowie auch Ertrinken weitgehend verhindert), sondern zudem eine Unterstützung für Lehrer ist. Statt ihre Klasse nach Schwimmern und Nichtschwimmern aufteilen und unter Umständen alleine bis zu 30 Schülern völlig unterschiedlichen Niveaus gerecht werden zu müssen, können sie sich künftig aufs Lehren der Schwimmtechniken beschränken.
Sechs Pilotschulen
Das Projekt, das diesen Erfolg für 40 Grundschüler in Unterfranken möglich gemacht hat, nennt sich „Schwimm fix“. Es wurde entwickelt von der Uni Heidelberg. Uwe Mitlöhner, an der Regierung von Unterfranken zuständig für die Sportfachberatung, hat es, mit der Fachschaft Schwimmen, nach Unterfranken gebracht. Im Schuljahr 2014/15 setzten sechs Pilotschulen das Projekt testweise erstmalig um – darunter aus dem Landkreis Würzburg die Eichendorffschule Gerbrunn, die acht Schüler betreute (alle acht erfolgreich).
Kurz zusammengefasst funktioniert Schwimm fix folgendermaßen: Nichtschwimmer aus den zweiten Klassen erlernen acht Wochen lang in Kleingruppen (mit maximal sechs Kindern) in zwei zusätzlichen Schulstunden pro Woche (in den Randstunden) über ein Stufenprogramm das Schwimmen (siehe Kasten).
Künftig, so Uwe Mitlöhner, soll diese Förderung möglichst an allen Grundschulen in Unterfranken mit Schwimmunterricht selbstverständlich werden. Das sind rund drei Viertel aller Schulen (Zum Vergleich: in der Stadt Würzburg sind es fast 94 Prozent, im Landkreis Würzburg rund 49 Prozent). Allerdings soll die Beteiligung auf freiwilliger Basis geschehen, nicht durch Zwang. „Die Ergebnisse an den Pilotschulen zeigen aber, dass das Projekt tatsächlich funktioniert und die Umsetzung keine Schule vor unlösbare Probleme stellt“, so die Bilanz des Regierungsschuldirektors. Fehlt ein Schwimmbad, könne man das Projekt beispielsweise im Rahmen eines Schullandheimaufenthaltes angehen.
Mit den Vorplanungen, so Mitlöhner, müssen beteiligte Schulen jetzt beginnen. Denn es braucht entsprechend ausgebildete Lehrkräfte, eine angepasste Stundenplangestaltung und freie Schwimmflächen. Auch die Hin- und Rückfahrten für die Schüler muss organisiert werden. Letzteres konnten die Pilotschulen vernachlässigen: Alle hatten Schwimmbäder in direkter Nähe. Natürlich sollten auch Eltern beziehungsweise Elternbeiräte einbezogen werden, so der Fachberater. „Schließlich ist es wichtig, dass die Kinder ihre erworbenen Fähigkeiten auch mal außerhalb des Unterrichts anwenden können.“
Die fünf weiteren Pilotschulen waren: Gutenberg Grundschule Aschaffenburg, Dreiberg-Schule Knetzgau, Grundschule Faulbach, Dr. K.-H.-Sp-Grundschule Iphofen, Kerschensteinerschule Schweinfurt.
Gebrunner Erfahrungen
Diese zweite Gruppe besteht aus vier Schülern, von denen einer jetzt sozusagen in der zweiten Runde ist. „Es hat schon deutliche Fortschritte gemacht, traut sich aber noch nicht im tiefen Wasser zu schwimmen“, erklärt die Lehrerin. Eigentlich hätten noch zwei weitere Schüler die Chance zum Mitmachen gehabt, aber deren Eltern waren nicht einverstanden. Sie befürchteten Hänseleien für ihre Kinder wegen der Teilnahme am Förderunterricht.
Wiesmann selbst hat sehr gute Erfahrungen mit den Zusatzstunden in der Kleingruppe gemacht. „Da habe ich ganz andere Möglichkeiten auf die Kinder einzugehen, kann beispielsweise mal mit ins Wasser, wenn die Kinder sehr viel Angst haben.“ Die erfolgreichen Absolventen der ersten Gruppe hätten von der Förderung sehr profitiert. „Jetzt sind die im Klassenschwimmunterricht nicht mehr Außenseiter, sondern dabei.“ Auch die Mitschüler, erzählt sie, hätten die neuen Schwimmer begeistert und sogar mit Applaus begrüßt.
„Und ich bin wirklich auch sehr froh darüber, dass ich es ab der dritten Klasse jetzt weitgehend mit Schwimmern zu tun habe.“ Denn während es in den unteren Klassen noch Helfer beim Schwimmunterricht gibt, muss Ingrid Wiesmann den Unterricht in den älteren Klassen alleine stemmen. „Da kann man dem einzelnen Kind viel besser gerecht werden, wenn alle zumindest schwimmen können.“
Dass die Umsetzung von „Schwimm fix“ unter Normalbedingungen eventuell dann doch nicht so reibungslos gelingen könnte, befürchtet Wiesmann allerdings auch. „Es ist halt immer so, dass man bei solchen Projekten an den Pilotschulen nahezu optimale Bedingungen hat – wie zum Beispiel zusätzliche Stunden im Lehrplan.“ Das sei im Normalbetrieb meist anders, was es an der einen oder anderen Schule dann schwierig machen könne, entsprechende Lehrerstunden anderswo abzuknapsen.
Schwimm fix
Zielgruppe: Nichtschwimmer 2. Jahrgangsstufe
Gruppenstärke: maximal sechs Schüler
Zeiteinsatz pro Gruppe: acht Wochen (je zwei Unterrichtseinheiten)
Unterrichtseinheiten pro Gruppe: 16
Stellung im Stundenplan: Randstunden 5./6. oder 7./8.
Anforderung an die Lehrer: Sie müssen rettungsfähig sein, in dem Bad, in dem sie unterrichten (Tauchen also bis zur maximal vorhandenen Wassertiefe beherrschen).
Inhaltliche Konzeption (aufbauend):
1. Bewegung im Wasser stehend/ sitzend (Wassergewöhnung)
2. Gesicht im Wasser, im Wasser ausatmen; 3. Bewegung im Wasser liegend; 4. Schwimmen lernen (keine Schwimmtechniken, sondern einfache Techniken für Vorwärtsbewegung im Wasser.