Der bekannteste Fall einer Teufelsaustreibung fand vor 40 Jahren in Klingenberg am Main statt. In dem beschaulichen Städtchen im Landkreis Miltenberg lebte und starb unter tragischen Umständen Anneliese Michel. Die epilepsiekranke Pädagogikstudentin glaubte, von Dämonen besessen zu sein. In jüngster Zeit gab es Hinweise, dass ihre Dämonen auch einen anderen Ursprung als einen teuflischen gehabt haben könnten.
Ihr Tod 1976 sorgte weltweit für Schlagzeilen. Etliche Bücher befassten sich mit ihrem Fall, Kinofilme spielten auf ihr Leben und Sterben an. Seither ist ihr Name mit dem umstrittenen Ritual der katholischen Kirche verbunden: mit dem Exorzismus.
Rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister
Unter diesem Begriff wird in vielen Religionen die rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister aus Menschen, Tieren oder Gegenständen verstanden. In der katholischen Kirche war die Teufelsaustreibung im Mittelalter weit verbreitet. Heute unterliegt sie strengen Auflagen.
Zum offiziellen Exorzismus (griechisch exorkismós: das Hinausbeschwören) gehören das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen. Zuvor müssen medizinische und psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten genutzt werden. Letzteres war bei Anneliese Michel nicht der Fall.
Diagnose „Epilepsie“
Sie wuchs in einer tiefreligiös-konservativen katholischen Familie auf. Bereits als Kind soll sie kränklich gewesen sein. Als Teenager begann sie unter Krämpfen zu leiden. Sie sah „Fratzen“ und glaubte von Dämonen besessen zu sein. Die medizinische Diagnose lautete jedoch „Epilepsie“. Sie weitete sich zu einer schweren Psychose aus. Behandelt wurde die junge Frau allerdings mit dem sogenannten Großen Exorzismus.
Ab September 1975 führten zwei Priester mit Erlaubnis des Würzburger Bischofs Josef Stangl an der damals 23-Jährigen insgesamt 67 Mal das Ritual durch. Einer der Beteiligten ließ dabei sogar das Tonband mitlaufen. Einige Mitschnitte kursieren heute noch im Internet.
Tod aufgrund extremer Unterernährung
Obwohl sich der Zustand der Frau immer mehr verschlimmerte, wurde kein Arzt hinzugezogen. Am 1. Juli 1976 starb Anneliese Michel an extremer Unterernährung.
Ihr grausames Ende wurde letztlich nur bekannt, weil der mit der Familie befreundete Arzt keine Totenschein-Vorlagen dabei hatte. Ein daraufhin verständigter Mediziner aus Klingenberg stellte wegen des erschreckenden körperlichen Zustands des Leichnams das gewünschte Formular nicht aus. So kam der Fall ans Licht.
Von der Bessenheit der Tochter überzeugt
Den beiden Geistlichen und auch den Eltern, die ebenfalls von einer Besessenheit ihrer Tochter überzeugt waren, wurde ab Frühjahr 1978 am Landgereicht Aschaffenburg der Prozess gemacht. Sie wurden im April 1978 wegen fahrlässiger Tötung zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
Bis heute sind Spekulationen über die Todesumstände der jungen Frau sowie ihre „dämonischen Botschaften“ in konservativ-religiösen Kreisen im Umlauf. Bereits vor Prozessbeginn ließen Anneliese Michels Eltern ihren Leichnam exhumieren, um ihn in einen Eichensarg umzubetten. Eigentlicher Grund dafür war jedoch die Vision einer Nonne, nach der Michels Leichnam nicht verwest sei – ein Zeichen für ihr göttliches auserwählt Sein. Dies bestätigte sich jedoch nicht. An ihrem Todestag besuchen noch immer Anhänger ihr Grab.
Dokumente erstmals gesichtet
Die Dokumente über den Exorzismus von Klingenberg befinden sich im Staatsarchiv Würzburg sowie im Diözesanarchiv. Die Ermittlungsakten der Aschaffenburger Polizei, die Akten der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Aschaffenburg sowie die gesammelten Unterlagen der Diözese Würzburg unterliegen einer Sperrfrist. Die Würzburger Historikerin Petra Ney-Hellmuth erhielt eine Sondergenehmigung und konnte die Schriftstücke für ihre Doktorarbeit erstmals einsehen. Ihre zeitgeschichtliche Analyse erschien 2014 unter dem Titel „Der Fall Anneliese Michel. Kirche, Justiz, Presse“ im Würzburger Verlag Könighausen & Neumann.
Die Forschungen der Historikerin beleuchteten auch das Verhalten des damaligen Würzburger Bischofs. Josef Stangl hüllte sich zunächst in Schweigen, als der Tod Anneliese Michels bekannt wurde. Er sei aber, so Petra Ney-Hellmuth, von Anfang an über den Verlauf des Exorzismus informiert gewesen. Die beiden Geistlichen hätten den Bischof Briefe geschrieben und auch Tonbandmitschnitte der Sitzungen zugesendet – deren Veröffentlichung später von Josef Stangl als „bedauerlichen Eingriff in die Intimsphäre“ sowie Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kritisiert wurden.
Erklärung des Bischofs
Der Bischof ist nach Angaben der Wissenschaftlerin aber nie in Klingenberg gewesen, um sich selbst ein Bild zu machen. Erst am 12. August 1976 meldete er sich mit einer „Erklärung zum Geschehen von Klingenberg“ zu Wort. Darin schreibt Bischof Stangl, der Exorzismus sei nicht anderes, „als das Gebet der Kirche im Namen Jesu für einen Menschen, der seiner nicht mehr mächtig ist, sich ausgeliefert fühlt, sogar selbst nicht mehr beten kann“.
Darin heißt es auch: „Für jemanden beten, ihm aber eine Heilbehandlung vorenthalten, ist unchristlich.“ Genau dies ist jedoch geschehen – angeblich auf Wunsch von Anneliese Michel.
Damals wurde von der Deutschen Bischofskonferenz eine Überarbeitung des Exorzismusritus angekündigt. Das Gremium verdonnerte aber Bischof Stangl später zum Schweigen. Er durfte sich nach der Verurteilung der Eltern von Anneliese Michel sowie der beiden Geistlichen, die den Exorzismus durch geführt haben, nicht mehr offen zu Wort melden. Dieses „vermeintlich selbst gewählte Schweigen“ wurde nach Angaben von Historikerin Petra Ney-Hellmuth von den Gläubigen, den Exorzismus-Befürwortern und Exorzismus-Kritikern mit Verwunderung und Unverständnis zur Kenntnis genommen.
Neue Vorwürfe gegen die Kirchenmänner
Die beiden Geistlichen sind in jüngster Zeit noch in einem anderen brisanten Zusammenhang aufgetaucht: In seinem im März veröffentlichten Bericht erwähnt der Missbrauchsbeauftragte der Diözese Würzburg, Professor Klaus Laubenthal, einen Vorwurf sexuellen Missbrauchs gegen einen der beiden Kirchenmänner.
Auch der zweite am Exorzismus beteiligte Pfarrer, der ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Anneliese Michel gehabt haben soll, wird von einer anderen Frau des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Dieser Fall wurde aber nicht von Professor Laubenthal bearbeitet. Vielmehr habe sich der Missbrauchsbeauftragte eines in Bonn ansässigen Ordens an ihn gewandt, der in diesem Fall die Plausibilitätsprüfung durchgeführt hat. Er bat um die Anschrift des zur Diözese Würzburg gehörenden Pfarrers, um ihn zu den Vorwürfen zu befragen.
Zu beiden zeitlich und örtlich völlig unabhängig voneinander vorgebrachten Vorwürfen meint Professor Laubenthal, dass künftige Forschungen zum Fall Anneliese Michel auch den Aspekt des sexuellen Missbrauchs in Erwägung ziehen sollten.
jemand der sich vom Wahnhaften distanziert, muss nicht automatisch blind sein für die geistige Welt. Die Verurteilung der Exorzisten wegen fahrlässiger Tötung spricht Bände. Aus den im Internet kursierenden Interviews mit Zeitzeugen geht hervor, dass eine ärztliche Behandlung in der "Exorzismus-Phase" von den Verurteilten unterbunden wurde. Wer das verleugnet was offensichtlich ist, ist vermutlich wahnhaft fixiert. Gegen einen Wahn mit Fakten zu argumentieren erübrigt sich mangels Aussicht auf Erfolg.
Das hatte sicher verschiedene Ursachen. u.a. standen wohl auch nicht die Medikamente zur Verfügung die man heute hat. Aufgrund dieses Misserfolgs kam es zum Beschluss des großen Exorzismus. Da sie nur eingeschränkt über die Gesamttatsachen informiert sind, bitte ich darum ihren Ton etwas zu ändern. Schieben sie nicht jeden Andersdenkenden gleich in die Richtung von "wahnhaft fixiert"!
Was sich damals wirklich ereignete, lässt sich nur sehr schwer rekonstruieren. Die Priester auch nur fehlerhafte menschen sind, sollten wir uns überlegen, ob wir dem Mittelalter das Wort reden möchten, oder ob wir nüchtern und sachlich an Symptome herangehen. Der Teufel existiert nur in unseren Köpfen.