Langsam rückt sie näher, die Aktionswoche „Würzburg liest ein Buch – Leonhard Frank „Die Jünger Jesu“. Vom 4. bis 13. April soll die ganze Stadt im Zeichen des Schriftstellers stehen, der 1882 hier geboren wurde und aufwuchs, ehe es ihn in die Metropolen München und Berlin zog. Vor dem Ersten Weltkrieg musste er in die Schweiz emigrieren. Den Zweiten Weltkrieg erlebte er ebenfalls im Exil, zunächst in Zürich, London und Paris und schließlich in den USA. Als er 1952 als bekannter Schriftsteller in seine Geburtsstadt zurückkehrte, war der Empfang frostig. Grund war sein 1947 erschienener Roman „Die Jünger Jesu“, der in Würzburg spielt. Es ist einer der wenigen zeitgenössischen Romane, die sich mit der aktuellen Nachkriegssituation in Deutschland beschäftigen.
Während sich die Aktionswoche direkt mit dem Buch und seiner Rezeption beschäftigt, wird das Symposium „Krieg und Nachkrieg“ am 15. und 16. Februar Franks Roman in einer größeren Kontext stellen. Es wird von der Leonhard-Frank-Gesellschaft gemeinsam mit dem Lehrstuhl für neuere deutsche Literatur- und Ideengeschichte (Prof. Wolfgang Riedel) an der Uni ausgerichtet und ist nach 2007 das zweite Frank-Symposium in Würzburg.
Was der Krieg bewirkt
Der Grundgedanke der Veranstaltung ist, sich nicht vordergründig auf Person und Werk Franks zu beziehen. Auch wenn die zweitägige Vortragsreihe anlässlich des 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs stattfindet, soll nicht das Kriegsgeschehen im Fokus stehen, sondern die Auswirkungen von Krieg und dem, was danach kommt, die Ausstrahlung von Kriegen auf menschliche Beziehungen und die Verarbeitung dieser Wirkungen auf die Literatur. Hier kommt dann wieder Frank ins Spiel, denn die Werke des erbitterten Kriegsgegners kreisen immer wieder um diese Themen.
Gerade die „Jünger Jesu“ sind dafür exemplarisch, werden hier doch am Beispiel Würzburgs die direkten Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs in der nahezu völlig zerstörten Stadt dargestellt. Während nach der Bombennacht des 16. März 1945 Armut und Mangel herrschen, stehlen die Jünger Jesu, eine Gruppe von Jugendlichen bei den Reichen und verteilen ihre Beute an die Notleidenden. Das Mädchen Johanna verliebt sich in einen US-Soldaten und ihre jüdische Freundin Ruth, die das KZ überlebte, muss erfahren, dass der Mörder ihrer Familie noch am Leben ist und weiterhin Macht besitzt. Denn auch nach Kriegsende treiben Nazis weiter ihr Unwesen.
Acht Vorträge an zwei Tagen
Das Symposium beginnt am Samstag, 15. Februar, um 11 Uhr im Oswald-Külpe-Hörsaal an der alten Augenklinik am Röntgenring 12 – wo schon Wilhelm Conrad Röntgen unterrichtete. Zur Eröffnung sprechen Prof. Riedel und Michael Henke, der Vorsitzende der Leonhard Frank-Gesellschaft. Um 14.30 Uhr referiert Katharina Rudolph (Offenbach) über Franks Roman „Der Mensch ist gut“. Ihr Thema: „Das leidenschaftlichste Buch gegen den Krieg, das die Weltliteratur aufweist“.
Nach den Vorträgen steht um 16.30 Uhr die Filmvorführung von „Chronik eines Mordes“ (nach Franks „Die Jünger Jesu“) im Central-Kino auf dem Programm (Eintritt 6.50, ermäßigt 5.50 Euro). Um 21 Uhr wird ein literarischer Abendspaziergang mit dem Frank-Kenner Hans Steidle angeboten. Die Route führt auf den Spuren Franks durch das alte Mainviertel. Treffpunkt ist am Vierröhrenbrunnen. Die Teilnahme ist kostenlos.
Die Vortragsreihe wird am Sonntag, 16. Februar, um 10 Uhr mit Dr. Judit Hetyei (Universität Pecs/Ungarn) fortgesetzt. Sie spricht zum Thema „Zur literaturwissenschaftlichen Einordnung der ,Deutschen Novelle‘ von Leonhard Frank. Beendet wird das Symposium um 12.45 Uhr mit einem Referat von Prof. Eric Hilgendorf (Uni Würzburg). Sein Thema: „Politischer Humanismus als Antwort auf Krieg und Faschismus“.
Die Teilnahme an dem Symposium mit acht Vorträgen ist kostenlos. Das komplette Vortragsprogramm gibt es auf der Website der Frank-Gesellschaft: www.leonhard-frank-gesellschaft.de
Über 100 Veranstaltungen
Ausstellungen, Vorträge, Lesungen, Filmvorführungen, Führungen und vieles mehr wird es vor allem im April in Hülle geben. 100 Programmpunkte hatten sich die Veranstalter zum Ziel gesetzt. Dieses Ziel war bereits Anfang Februar erreicht. So erwartet die Würzburger eine literarische Straßenbahnfahrt mit dem Schoppenexpress, in dem Mitglieder des Autorenkreises aus den „Jüngern Jesu“ lesen werden. Im Waschsalon in der Zellerau wird es Frank-Lesungen geben. Gesprächsrunden mit Zeitzeugen, Lese-Performances, Schultheater-Aufführungen und auch eine Illumination in der Stadt mit Bildern und Texten sind geplant.
Auch das Museum im Kulturspeicher wird sich mit Leonhard Frank beschäftigen: Ab Dienstag, 18. Februar, wird im Museum die Lithografienfolge von Leonhard Frank „Fremde Mädchen am Meer und eine Kreuzigung“ von 1913 zu sehen sein. Die sechs Blätter werden dann bis zum Ende der Aktionswoche gezeigt. Die stellvertretende Museumsleiterin Henrike Holsing veranstaltet dazu am Donnerstag, 6. März, um 18 Uhr auch „Kunstaperitif zum Feierabend“ mit einer 20-minütigen Führung und einem anschließenden Glas Sekt. Der Eintritt beträgt fünf Euro, für Mitglieder des Freundeskreises Kulturspeicher 3,50 Euro.
Auch die Main-Post wird sich mit einem „Stadtgespräch“ am Freitag, 11. April, 20 Uhr, im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus beteiligen. Darüber, was Leonhard Frank heute noch zu sagen hat, diskutieren Hans Steidle, Michael Henke und die ehemalige Oberbürgermeisterin Pia Beckmann, die als Germanistin bekennende Frank-Anhängerin ist, sowie die Würzburger Autorin Ulrike Schäfer, die zur Frank-Woche eine Dramatisierung von Franks „Ruth“ und eine Leseperformance zu den „Jüngern Jesu“ vorbereitet.
Die Aktionswoche
Der Roman: Das Werk „Die Jünger Jesu“ ist zur der Aktionswoche „Würzburg liest ein Buch“ in einer neuen erweiterten Auflage im Würzburger Verlag Könighausen & Neumann erschienen. Der Preis für den 266-seitigen Band beträgt acht Euro. Er ist im Würzburger Buchhandel erhältlich. Die Initiatoren: „Würzburg liest ein Buch“ findet vom 4. bis 13. April statt und wird von den vier unabhängigen inhabergeführten Würzburger Buchhandlungen Knodt, Neuer Weg, Dreizehneinhalb und Schöningh zusammen mit der Leonhard-Frank-Gesellschaft und der Stadtbücherei durchgeführt. Schirmherr der Aktionswoche ist der frühere Würzburger Oberbürgermeister und jetzige SPD-Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal. Die Ausstellung: Im Foyer des Würzburger Rathauses findet vom 13. bis 27. Februar die Ausstellung „Leonhard Frank – Lebenszeichen 1945 bis 1952“ statt. Die Schau wird an diesem Donnerstag um 14 Uhr von Bürgermeister Adolf Bauer eröffnet. Mehr über Leonhard Frank:
Die Zeitschrift „Kulturgut“ widmet sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit mehreren Beiträ-gen dem Schriftsteller Leonhard Frank und seinem Verhältnis zu seiner Heimatstadt Würzburg. Außerdem wird ein Fotoprojekt von Studierenden der Fachhochschule vorgestellt, das zur Aktionswoche entstanden ist. Leseanmeldung: Für die Leseprojekte wie „Readers’ Corner“ oder die tägliche Mittags-Lesung in der Stadtbücherei während der Aktionswoche können sich noch Vorleser anmelden: Wer sich zutraut, in der Öffentlichkeit zu lesen, kann sich unter www.wuerzburg-liest.de informieren. Unter info@wuerzburg-liest.de kann man sich mit Angabe der gewünschten Readers' Corner anmelden.
Schoko-Herz mit Frank Aus der Confiserie Bossert gibt es für die Aktion „Würzburg liest ein Buch“eigens eine Praline in Form eines Schokoladen-Herzens, das mit einem Frank-Porträt verziert ist. Die Marzipan-Schokoladen-Praline gibt es vorerst im Bossert-Laden im Falkenhaus am Marktplatz und im Antiquariat Osthoff in der Martinstraße 19. Sie kostet 3,30 Euro. 50 Prozent davon erhält die Leseaktion. FOTO: Theresa Müller