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Würzburg
Neue Produktion im Hafentheater Würzburg: Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint
In Würzburg auf der Bühne (von links): Natalia Kastner, Frido Müller, Anne Hansen
Foto: Oliver Mack | In Würzburg auf der Bühne (von links): Natalia Kastner, Frido Müller, Anne Hansen
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 10.02.2025 02:34 Uhr

Ein starkes Stück Theater hat Chambinzky-Oberspielleiter Kai Christian Moritz für die jüngste Produktion im Hafentheater ausgewählt. Entdeckt hat er "Ellen Babić" in Berlin, wo es am Berliner Ensemble (BE) im Februar 2024 in der Inszenierung von Intendant Oliver Reese seine deutsche Erstaufführung erlebte.

In Würzburg hat Kai Christian Moritz höchstselbst die Inszenierung übernommen und mit Natalia Kastner, Anne Hansen und Frido Müller einen faszinierenden Theaterabend auf die Bühne gebracht, der die Genre-Bezeichnung Psycho-Krimi nicht zu Unrecht trägt, aber weitaus mehr als spannendes Unterhaltungstheater bietet.

Missbrauch von Macht in allen Facetten

Denn Autor Marius von Mayenburg verhandelt in "Ellen Babić" höchst geschickt ein brisantes Gegenwartsthema: den Missbrauch von Macht in all seinen Facetten, vor allem den beruflichen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, aber auch das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen, sowie in den allgemein zwischenmenschlichen Abhängigkeiten.

Der Text ist klug komponiert, die Figuren vielschichtig und psychologisch fein ausgeleuchtet, die Dialoge stimmig, überaus gegenwärtig und temperamentvoll: Die Lehrerin Astrid (Anne Hansen) lebt mit der deutlich jüngeren Klara (Natalia Kastner) zusammen, die früher einmal Schülerin von ihr war. Seit vierzehn Jahren sind sie ein Paar; eines Abends kommt Astrids Vorgesetzter, der Schulleiter Balderkamp (Frido Müller) in die gemeinsame Wohnung. Der ignoriert die Trennung von Beruflichem und Privatem, und konfrontiert Astrid mit dem Vorwurf, sie habe während einer Klassenfahrt eine Schülerin, eben die titelgebende, aber auf der Bühne nicht präsente "Ellen Babić" sexuell belästigt, wenn nicht sogar missbraucht.

Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt?

Astrid kontert mit ihren umfangreichen Tagebucheinträgen, die seine Übergriffigkeiten ihr gegenüber minutiös belegen. Und diese Auseinandersetzung findet statt in Anwesenheit der ahnungslosen Klara und provoziert jede Menge Fragen: Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt? Wer ist Opfer? Und wer ist Täter? Autor und Text geben keine verbindlichen Antworten, über alles wird unter den Beteiligten verhandelt, die "Wahrheit ist das, worauf sich alle einigen", wie es an einer Stelle heißt.

Auch Regisseur Kai Christian Moritz schlägt sich nicht auf eine Seite. Seine effektreduzierte, in Gestik und Mimik allerdings punktgenaue Regie lässt uns wechselweise für jede der drei Figuren Sympathie empfinden, um sie in der nächsten Szene wieder in Frage zu stellen.

So müssen wir Zuschauer uns entscheiden zwischen drei großartigen SchauspielerInnen, in einem großen Stück Gegenwartstheater, das ein weitaus größeres Publikum verdient hätte, als es in der zweiten Vorstellung zugegen war.

Vorstellungen bis zum 9. März im Chambinzky-Hafentheater. Info: www.chambinzky.com

Bei diesem Stück im Hafentheater spielen (von links):  Natalia Kastner, Anne Hansen.
Foto: Oliver Mack | Bei diesem Stück im Hafentheater spielen (von links):  Natalia Kastner, Anne Hansen.
 
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