
Der Freistaat vergab heuer erstmals Preise für "Kreativorte in Bayern". Zwei der zwölf Finalisten arbeiten in Unterfranken, die Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens (VKU) und die Dancefloor Destruction Crew. Erstere stellt in einer säkularisierten Würzburger Spitalkirche Gegenwartskunst aus, die Schweinfurter DDC trainiert im früheren Fitnessclub der US-Army akrobatisches Entertainment und erhielt einen der drei Preise.
Obwohl finanziell leer ausgegangen, freut man sich im Spitäle über die Ermutigung, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet. Darüber gleich mehr. Erst einmal fällt auf: Nicht nur die beiden unterfränkischen Bewerber sind grundverschieden. Insgesamt zeigten die zwölf Finalisten nur kleine Berührungspunkte. Müssen sie auch nicht. Laut der freistaatlichen Website Bayern-kreativ soll der Wettbewerb "der Kultur- und Kreativwirtschaftsbranche zu mehr Sichtbarkeit verhelfen – sowohl in Metropolregionen als auch in Kleinstädten und im ländlichen Raum". Die hervorgehobenen Kreativorte geben Best-Practice-Beispiele, und als solche sind sie zwangsläufig verschieden. Und auch in Richtung anderer Gebietskörperschaften sorgt das Münchner Wirtschaftsministerium, das sein Bayerisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft mit der Kreativort-Findung beauftragte, für gute Stimmung: Sehr viele der Kreativorte stehen auf städtischem Boden.
VKU ist Mieter der säkularisierten Kirche
So mietet auch die VKU ihr Spitäle von der Stadt. 140 Künstlerinnen und Künstler sind Vereinsmitglieder – die in dem Saal an der alten Mainbrücke eigene Werke ausstellen können. Das Spitäle ist also streng genommen eine Produzentengalerie, als solche freilich mit über 100 Jahren relativ alt, groß, erstklassig gelegen und vielseitig. Vielleicht sogar einzigartig? VKU-Vereinsvorsitzender Andi Schmitt findet die Galerie "auf alle Fälle nicht gewöhnlich". So alteingesessen zu sein habe allerdings "Vor- und Nachteile. Manche Leute winken nur ab und sagen: Ach, die kennen wir. Durch die Bewerbung als Kreativort sehen uns viele wieder mit frischem Blick und erkennen Wesentliches."

Das Bestätigt Martha Schubert-Schmidt, Geschäftsstellenleiterin im Spitäle. Sie verfasste die dreiseitige Projektbeschreibung für die Bewerbung und kam dabei selbst ins Staunen über "so viel Verschiedenes, was wir hier machen". Das hatte schon Schmitts Vorgänger Thomas Wachter initiiert. Und darauf kam es auch dem Wirtschaftsministerium an, dass an den prämierten Kulturstätten "Kreativunternehmende verschiedenster Teilmärkte Raum finden" und dass sie "die Infrastruktur für vielfältige kultur- und kreativwirtschaftliche Aktivitäten und Events" bereitstellen.
Bildende Kunst, aber auch Musik, Filme oder Lesungen
Genau das passiert am Fuß des Festungsbergs. Über die Bildende Kunst hinaus pflegt das Spitäle zunehmend systematisch Musik, Tanz, Performances, Film und Lesungen, und das teils so, dass Besucher "einfach mal reingucken können", wobei Schmitt und Schubert-Schmitt schon beobachtet haben, dass die Zufallsgäste sich dann auch eingehender mit der Kunst an den Wänden auseinandersetzen.
Gedanken macht sich Schmitt auch über den Verbandsnamen, der mit "Unterfranken" ja bereits eine regionale Beschränkung definiert – der Maler und Vereinsvorsitzende vermeidet das Wort Provinz bewusst. Wesentlich an der Kunst ist für ihn "das absolut Individuelle". Das sei "besonders wertvoll in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem so viel normiert wird". Außerdem hilft es gegen die "absurde Hysterie der Innovation", den Zwang, ständig etwas nie Dagewesenes zu schaffen, um in der Kunstwelt anerkannt zu werden. Schmitt hingegen gibt für sich und alle Malenden die Parole aus: "Zum Pinsel gegriffen haben schon viele, aber sie haben nicht so gemalt wie ich. Dafür gibt es das Spitäle, zur Feier der Individualität."
In zwei Jahren sucht das Wirtschaftsministerium die nächsten bayerischen Kreativorte.
