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Güntersleben
Naturisten im Landkreis Würzburg: Warum Nacktsein Spaß macht
In Güntersleben gibt es seit mehr als 50 Jahren einen Naturistenverein. Was die Mitglieder an der hüllenlosen Freizeitgestaltung lieben - und welche Vorurteile es gibt.
Hüllenlos entspannen: Auf dem Gelände des Günterslebener Naturistenvereins halten sich die Mitglieder nackt auf.
Foto: Thomas Obermeier | Hüllenlos entspannen: Auf dem Gelände des Günterslebener Naturistenvereins halten sich die Mitglieder nackt auf.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:57 Uhr

Freitagnachmittag, traumhaftes Sommerwetter. Das Auto ist erst über Felder, dann durch ein Wäldchen einen geschotterten Feldweg entlang gerumpelt. Vor einem blickdichten Holztor ist Schluss. Dahinter wartet schon Sylvia Büchold. Die Vorsitzende des Naturistenbunds Frankenland trägt ein luftiges Sommerkleid. Den Pressevertretern zuliebe. Alle anderen sind nackt. Denn darum geht es in dem Verein: ohne lästige Textilien seine Freizeit im Kreise Gleichgesinnter zu verbringen.

Vor ein paar Jahren noch wäre ein Termin wie dieser nicht vorstellbar gewesen. Da pflegte man in vielen Naturistenvereinen seine Leidenschaft für die Freikörperkultur noch im Stillen, machte auch im Kreise von Bekannten oder Kollegen nicht viel Aufhebens darum, erzählt Sylvia Büchold bei einem Rundgang durch das Gelände. Denn Begriffe wie Naturist, Nudist oder FKK setzen bei vielen Außenstehenden ein Kopfkino in Gang, das der Realität überhaupt nicht entspricht. Erst in jüngerer Zeit ist der in Güntersleben beheimatete, seit 1960 bestehende Verein dazu übergegangen, sich auch in der Öffentlichkeit selbstbewusst zu präsentieren, zu Veranstaltungen wie dem Tag der offenen Tür einzuladen.

Viele haben falsche Vorstellungen

Naturisten, erklärt Büchold, verstehen sich als Menschen, die Textilfreiheit als Teil ihrer Naturverbundenheit betrachten. Die Vorsitzende weiß aber sehr gut, dass viele bei dem Thema etwas Schlüpfriges wittern, etwas, das in Richtung Swingerclub geht. "Da sehe ich förmlich, wie es im Kopf rattert", sagt sie.

In Eigenleistung haben die Vereinsmitglieder ihr Schwimmbecken umgebaut.
Foto: Thomas Obermeier | In Eigenleistung haben die Vereinsmitglieder ihr Schwimmbecken umgebaut.

Verkehrter könnten diese Einschätzung kaum sein. Das drei Hektar große Vereinsgelände der Günterslebener Naturisten ist ein idyllischer Fleck außerhalb des Ortes, ruhig und mit viel Grün. Im Grunde handelt es sich um einen gepflegten Campingplatz, auf dem die Mitglieder ihre Freizeit verbringen. Obwohl das nicht Voraussetzung ist, haben fast alle einen Wohnwagen. Wer seine Ruhe haben will, sonnt sich vor dem Gefährt. Wer Geselligkeit sucht, trifft sich mit anderen Mitgliedern vor dem Häuschen mit Küche, wo gern mal gemeinschaftlich gekocht wird.

Auf Hygiene wird großen Wert gelegt

Dass niemand etwas an hat, ist so selbstverständlich, dass es schon längst keinem mehr auffällt. Die "Textiler" jedoch, so nennen die Naturisten den bekleideten Teil der Menschheit, finden die Vorstellung, immer und überall nackt zu sein, gewöhnungsbedürftig - beim Essen zum Beispiel. Peter Schrenk, der zweite Vorsitzende, versteht das nicht. "Wenn mir von meinem eigenen Anblick schlecht wird, dann hab' ich ein Problem", sagt er und lacht.

Nirgends gehe es hygienischer zu als bei Naturisten, sagen Büchold und Schrenk im Brustton der Überzeugung. "Niemand bei uns käme auf die Idee, sich ohne ein Handtuch unterzulegen, einfach auf die Bank zu setzen." Auch der große Pool, den die Mitglieder erst vor kurzer Zeit in 2500 Arbeitsstunden umgebaut haben, soll sauber bleiben. Dass dort niemand in möglicherweise hygienisch nicht einwandfreier Badebekleidung seine Bahnen ziehen kann, trägt dazu bei.

Das Leben ohne Bekleidung ist unkompliziert. Ein Handtuch - mehr brauchen die Vereinsmitglieder nicht. 
Foto: Thomas Obermeier | Das Leben ohne Bekleidung ist unkompliziert. Ein Handtuch - mehr brauchen die Vereinsmitglieder nicht. 

Sylvia Büchold entdeckte die Freikörperkultur für sich, als eine Freundin sie auf den Verein aufmerksam machte. Sie kam zu Besuch, war begeistert und wurde, da sie sich ohnehin einen Wohnwagen kaufen wollte, Mitglied. Vom Zwang der Bekleidung befreit zu sein, hat für Büchold ausschließlich Vorteile. "Das fängt schon morgens an", sagt sie. Im Naturistenverein kann sie einfach in den Waschraum gehen - ohne erst überlegen zu müssen, welches T-Shirt sie anziehen soll oder ob der Bademantel richtig sitzt.

Peter Schrenk war in seiner Jugend gern mal nackt baden, zu nachtschlafender Zeit mit Kumpels, wenn die Disco vorbei war. "Da hatte ja keiner eine Badehose dabei." Zum Verein kam er dann durch einen Tag der offenen Tür. Die Naturisten haben erkannt, dass sie die Werbetrommel rühren müssen, wenn sie neue Mitglieder gewinnen wollen. Etwa 120 sind es derzeit. Sie kommen aus der ganzen Umgebung, denn der nächste Naturistenverein befindet sich erst wieder in Schweinfurt.

Die Jugend tut sich schwer mit Nacktheit

Aber die Jugend, sagt Sylvia Büchold, tue sich mit dem Konzept der textilfreien Freizeitgestaltung offenbar schwer. Wo rührt das her? "Anerzogene Verklemmtheit", sagt Peter Schrenk spontan. Sylvia Büchold kann die Scheu der jungen Leute nicht richtig nachvollziehen. "Das Shirt so ausgeschnitten wie möglich, die Hose so eng wie möglich", sagt sie. Aber komplett ausziehen - auf keinen Fall.

Dabei bietet der Verein mehr als nur Ruhe. Es gibt einen Volleyballplatz und Pétanque-Bahnen, man kann Tischtennis spielen oder in die vereinseigene Sauna gehen. All das wissen die vielen Gäste zu schätzen, die gerade jetzt im Sommer mit ihren Wohnwagen und -mobilen auf der Gästewiese stehen. Es sind Mitglieder anderer Naturistenvereine aus dem In- wie Ausland, die hier ihren Urlaub verbringen.

Vom Küchenhäuschen her weht inzwischen ein köstlicher Duft über den Platz. Ein Vereinsmitglied hat Geburtstag und lädt zum Aal-Essen ein. Die ersten Gäste haben schon Platz genommen, auf ihren Handtüchern, selbstverständlich. Es verspricht ein schöner, geselliger Abend zu werden bei den Naturisten in Güntersleben.

 
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    Am Tag der offenen Tür bei den Naturisten in Güntersleben,können die“hängenden Gärten der Semiramis“in Natura bestaunt werden.Klinikpackung“Underberg“sollte mitgeführt werden.
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  • I. F.
    Dem, @Zeltinger...

    ...wurde von unsrer Mutter durch zwei Garnituren Badesachen abgeholfen zwinkern
    Nach dem Schwimmen die nasse Badehose zum Trocknen auf Handtuch in Sonne und derweil die trockene Zweite angezogen.
    Bei nochmaligem Schwimmen umgekehrter Vorgang.

    MfG
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  • R. B.
    @Laeufer, und meine Mutter hat uns immer erzählt, dass die größten Spießer die Schlimmsten sind.
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  • B. D.
    Es ist schon auch recht unangenehm sich mit nassen Badesachen am Strand aufzuhalten, bzw vor dem Baden wieder in die nasskalten wieder reinschlüpfen
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  • G. F.
    Es wird immer wieder vom Naturistenverein in Güntersleben berichtet, grundsätzlich ist das sehr löblich. Viele denken noch immer FKK wäre etwas schmutziges, dabei ist es die natürlichste Sache der Welt, keiner ist mit Kleidern auf die Welt gekommen.
    Ein Wermutstropfen dabei ist die Tatsache daß es hier nicht nur um FKK sondern auch um Camping geht. Was ist mit Leuten die der Freikörperkultur fröhnen aber mit Wohnwagen + Co. nichts anfangen können? Oder mit den Leuten die keine Lust haben sich dem Vereinszwang zu unterwerfen? Diese bleiben in Unterfranken leider auf der Strecke.
    Es gibt keinen offiziellen Badesee der auch die Möglichkeit des Nacktbadens und Nacktsonnens bietet. In Dettelbach wurde dies praktiziert aber mittlerweile verboten da manche der Meinung waren sie müssen ihren Sexualtrieb dort ausleben. Leute, FKK hat nichts mit Sex zu tun, es ist eine Art Lebensgefühl und ein Gefühl der Freiheit!!! Es wird Zeit daß hier endlich umgedacht wird!!!
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  • K. G.
    Der Deutsche ist eben prüde…
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