Leise surrt die Nähmaschine. Birgit Spitzhüttl blickt konzentriert auf den graugemusterten Sweatshirtstoff, den sie gerade säumt. Die 38-Jährige sitzt in ihrem Atelier, liebevoll „Frauenzimmer“ genannt, weil sich dort auch ihre Töchter gerne aufhalten. Neben den drei Nähmaschinen thront in der Mitte des Raums eine Schneiderpuppe, an der Wand steht ein Klavier. Blickt sie von der Nähmaschine auf, schaut sie über die Felder des kleinen Örtchens Neubrunn im Landkreis Würzburg.
Birgit Spitzhüttl näht hier jeden Tag, und sie liebt das. „Selbermachen macht glücklich“, heißt ihr Blog, der 2015 aus ihrer Leidenschaft für das Nähen entstanden ist. Sie schreibt darin über Nähideen aus Biostoffen, ihren Biogarten und ihr Bioleben. „Wir essen kein Fleisch mehr, produzieren weniger Müll und im Sommer können wir uns selbst versorgen“, erzählt sie.
Die 38-Jährige stammt aus Kärnten in Österreich. Eigentlich ist sie promovierte Biologin und kam wegen eines Forschungsauftrags über Fruchtfliegen an die Universität nach Würzburg. In der Domstadt traf sie ihre große Liebe, die sie schließlich nach Neubrunn führte. Dort lebt sie jetzt mit ihrem Mann, ihren beiden Kindern, sechs und acht Jahre alt, zwei Riesenschnauzern und viel Natur drumherum.
Was gibt es Besseres, als sich mit eigenem Gemüse und Kleidern selbst zu versorgen, dachte sich die zweifache Mutter und gründete vor zwei Jahren ihren Blog. „Ich wollte andere an meinen Ideen teilhaben lassen“, sagt sie. „Es geht mir um Nachhaltigkeit.“ Obwohl sie erst vor zwei Jahren mit dem Nähen begonnen hat, ist ihr Plan, irgendwann einmal alles für ihre Familie selbst zu nähen und nichts mehr zu kaufen.
Nähblogs gibt es viele. Auf der Seite „With Love & Heart“ sind die schönsten 100 zusammengestellt. Doch der Nähblog von Birgit Spitzhüttl bietet mehr: „Ich nähe ausschließlich mit Biostoffen“, erzählt die Bloggerin, die an diesem Tag ihr selbst genähtes Frühlingsblüschen, rosa mit kleinen Blüten, trägt. Sie zeigt bequeme Kinderschlafanzüge, Kleidchen in bunten Farben mit passenden Jäckchen, Lieblingspullis mit Blockstreifen, Jogginghosen und sogar Unterhosen. „Die eignen sich prima, um Stoffreste zu verwerten.“
Das Nähen hat sie sich selbst beigebracht. „Ich habe mir Näh-Tutorials auf Youtube angeschaut und ab und zu meine Freundin Dagmar gefragt“, sagt sie.
Drei Nähmaschinen gehören auch zur Familie – Bernina B530, Overlock Bernina 1110D und Coverlock Bernina L220. Wichtig ist der 38-Jährigen, dass erst alle alten Stoffe vernäht werden, bevor wieder neue gekauft werden. „So schaffe ich es, meine Stoffsucht in Grenzen zu halten.“
Laut Wikipedia gibt es schätzungsweise 300 000 aktive Blogger in Deutschland. Studien belegen, dass im deutschsprachigen Raum mehr Frauen als Männer bloggen. Und warum tun diese Menschen das? Laut einer Umfrage gaben 71 Prozent von 4000 befragten Bloggern an, „zum Spaß“ zu schreiben; 62 Prozent wollen in ihrem Blog „eigene Ideen und Erlebnisse für sich selbst festhalten“. Demgegenüber bloggen 33 Prozent, weil sie ihr „Wissen in einem Themengebiet anderen zugänglich machen wollen“, und 13 Prozent „aus beruflichen Gründen“.
Birgit Spitzhüttl geht es um Nachhaltigkeit, aber auch um Spaß. „Dass Selbermachen glücklich macht, habe ich selbst erfahren, daher heißt mein Blog so“, sagt sie. 15 000 Seitenaufrufe hat sie im Monat, dazu bedient sie soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Pinterest. „Ich schreibe vier bis fünf Beiträge pro Woche.“ Das ist relativ viel und macht richtig Arbeit. Alle Fotos macht sie vor einer Fotowand mit einer professionellen Kamera. Geld verdient sie mit dem Blog noch nicht, aber sie hat bereits Kooperationen, zum Beispiel für ihre Biostoffe. „Man braucht am Anfang einfach Geduld.“
Vormittags arbeitet Spitzhüttl im Bereich E-Commerce und Marketing im Büro, nachmittags näht sie, gärtnert, kümmert sich um ihre Kinder, ihre Hunde und ihren Blog.
Sie näht jeden Tag. Und so entstehen im „Frauenzimmer“ mindestens zwei bis drei Kleidungsstücke in der Woche. Schlichte Kleidchen näht sie schon in ein paar Stunden. „Meine Kinder sind so begeistert, sie wollen gar nichts mehr Gekauftes anziehen.“ Auch ihr Mann trägt gern Selbstgenähtes. „Doch obwohl er sich nie beschwert, befindet sich mein Mann am absoluten Ende meiner Textilversorgungskette.“
Birgit Spitzhüttl hat sich entschieden, nicht mehr als Biologin in der Forschung zu arbeiten, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Dabei war sie auch als Wissenschaftlerin erfolgreich: Sie hat bei elf Publikationen in Fachzeitschriften mitgewirkt, internationale Fachkongresse besucht und in Schweden, Australien und Kanada gelebt. „Mein Wissen kann ich gut bei meinem zweiten Blog-Thema, dem Biogarten, einbringen“, sagt sie. Sie liebe Herausforderungen und selbstbestimmtes, kreatives Arbeiten mit Bezug zu Natur und Umwelt.
„Das Gärtnern geht jetzt richtig los“, erzählt sie und zeigt auf ihre Tomatensamen, die in kleinen Töpfen keimen. Im Gewächshaus sprießen Spinat und Pflücksalat. „Petersilie und Oregano haben zwar zum Glück die eiskalten Wintertemperaturen im Gewächshaus überlebt, dennoch konnte ich bei den frischen Kräutern und Salatpflänzchen der Dorfgärtnerei einfach nicht widerstehen.“
Wenn man Birgit Spitzhüttl so in Haus und Garten herumwerkeln sieht, fragt man sich, wie diese Frau das alles schafft. Sie gibt selbst zu: „Im Moment könnte ich mich verdreifachen und hätte noch immer genügend auf meiner To-do-Liste.“
Doch wie verdient man mit einem Blog Geld? Laut einer deutschlandweiten Umfrage des Online-Magazins „Styleranking“ unter 100 Bloggern verdient jeder Zweite mit seinem Blog tatsächlich Geld, doch nur sechs Prozent können davon hauptberuflich leben. Diese kleine Gruppe von Bloggern macht monatlich Umsätze von 2000 bis 5000 Euro – brutto. Mehr als die Hälfte allerdings verdient im Durchschnitt nur 500 Euro mit dem Bloggen. Aus diesem Grund kann sich wohl auch nur jeder 20. Blogger hauptberuflich um seinen Blog kümmern.
Birgit Spitzhüttl will mit ihrem Blog den Lesern vor allem eine kreative Inspirationsquelle bieten. Sie will zeigen, dass Mode aus Biostoffen bunt ist und schon lange nicht mehr beige und langweilig. „Durch meine Kooperationen mit Schnittmuster- und Stoffherstellern zeige ich im Blog brandneue Schnitt- und Stoffdesigns noch vor oder an den Erscheinungsterminen“, sagt sie. In ihrer wöchentlichen „Bio-Linkparty“ finden umweltbewusste Nähbegeisterte eine Sammlung an Inspirationen aus Biostoffen. Ihre wöchentlichen Gartenberichte sollen Naturliebhaber zu saisonal anfallenden Tätigkeiten motivieren.
Derzeit näht die 38-Jährige Flaschenhussen, die sich prima als Geschenk eignen. „Das ist ganz einfach“, sagt die Näherin. „Diese Flaschenhusse ist schnell genäht und eignet sich für Vasen, aber auch für Sekt- oder Weinflaschen zum Verschenken.“ Für das erste Nähen eigneten sich auch Taschen, Kissen, Wendemützen oder einfache Pullis.
„Selbermachen macht glücklich“ soll eine kreative Plattform werden, die auch für Kooperationspartner interessant ist. „Derzeit bestehen meine Einnahmen aus Provisionsvergütungen, könnten sich aber in Zukunft auch auf bezahlte Bannerwerbung ausweiten“, sagt Spitzhüttl.
Flaschenhussen selber nähen
Man braucht:
Baumwollstoff: Stoffverbrauch pro Flaschenhusse etwa 33 x 33 Zentimeter. Bei dünnerem Baumwollstoff Vlieseline H250 zur Verstärkung – auch etwa 33 x 33 Zentimeter. Eventuell ein Bügelbild oder Dekoband zum Verzieren, Nähmaschine, Schere oder Rollmesser, Bügeleisen.
Schritt 1:
Die Schnittvorlage (www.selbermachen-macht-gluecklich.de/diy-flaschenhusse) ausdrucken, ausschneiden und zweimal aus dem Baumwollstoff zuschneiden – mit einem Zentimeter Nahtzugabe! Bei leichterem Baumwollstoff zweimal Vlieseline zur Verstärkung ohne Nahtzugabe zuschneiden und auf die Rückseite des Baumwollstoffs bügeln (dabei die Bügelvorgaben des Herstellers beachten). Wenn ein Bügelbild gewünscht ist, dieses vor dem Zusammennähen aufbügeln.
Schritt 2:
Die beiden Hussenteile rechts auf rechts legen und auf einer Seite mit einem Geradstich und etwa fünf Zentimeter Abstand zum Stoffrand absteppen. Diese Nahtzugabe auf etwa zwei Millimeter kürzen.
Schritt 3:
Beide Teile aufklappen und den unteren und oberen Rand einen Zentimeter umklappen, bügeln und ebenso mit einem Geradstich absteppen.
Schritt 4:
Beide Teile wieder rechts auf rechts legen, die andere Seitennaht – wie die erste – absteppen, die Flaschenhusse wenden und glattbügeln. Fertig!