
Der Konsum privater Haushalte ist eine Belastungsrobe für die Umwelt. „Letztlich haben die Konsumenten 60 bis 70 Prozent der Umweltfolgen in der Hand“, sagt Armin Grunwald, Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. Damit geht ein beachtliches Potenzial zur Verringerung der Umweltbelastung einher. Entsprechend groß ist die Verantwortung für die Verbraucher, die zwischen nachhaltigem Konsum und Kauflust stehen.
Nachhaltiger Konsum – ein Absurdum?
Doch was bedeutet „Nachhaltiger Konsum“ überhaupt? Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) beschreibt er einen Lebensstil und ein Verbraucherverhalten, das Umwelteinflüsse sowie soziale Aspekte bei Kauf und Nutzung von Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt. Darunter fallen auch das Nutzungs- und Entsorgungsverhalten von Ressourcen im Alltag.

Für Susanne Waldmann, Gründerin und Geschäftsführerin des Unverpackt-Ladens in Würzburg, ist das Konzept des nachhaltigen Konsums jedoch ein Widerspruch in sich: „Konsum ist nie nachhaltig“, sagt Waldmann, weil Konsum immer einen Verbrauch von Ressourcen mit sich bringe. So sei mit nachhaltigem Konsum lediglich der bewusste Umgang mit Gütern und Dienstleistungen gemeint, die für das Leben notwendig sind.
Die Nachfrage nach grünen Produkten steigt – die Kauflust aber auch
Von der Bio-Gurke bis zur Fairtrade-Jeans – die Nachhaltigkeitsbranche boomt in Deutschland. So verdoppelte sich seit 2010 laut der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln. Verbraucher aus Deutschland gaben 2018 durchschnittlich 132 Euro für biologisch erzeugte Lebensmittel aus – Platz sechs im europäischen Vergleich. Nach Angaben des Vereins TransFair erzielten Fairtrade-Produkte in Deutschland im Jahr 2019 einen Rekordumsatz: Für fair gehandelte Lebensmittel, Textilien und Elektronik gaben Konsumenten demnach insgesamt zwei Milliarden Euro aus.
Allerdings werden diese Erfolge durch höheren Konsum der Verbraucher gemindert – man spricht vom sogenannten Rebound-Effekt. „Das meint einfach, dass vieles von dem technischen Fortschritt, den wir haben, aufgefressen wird: durch Lebensstiländerung, Konsum, Wachstum und so weiter“, sagt Armin Grunwald. So kämen die technischen Fortschritte bei Produktivität und Ressourcennutzung nicht unbedingt der Umwelt zugute, sondern zögen weitere Konsumsteigerungen nach sich.

Dieses Phänomen zeigt sich auch in der Textilbranche. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts gaben deutsche Haushalte im Jahr 2019 rund 64,4 Milliarden Euro für Bekleidung aus, zehn Jahre zuvor waren es noch 54,47 Milliarden Euro. „Das ist das typische Luxusphänomen“, erklärt Grunwald.
Auch Matthias Pieper, Mitgründer des Zukunftshaus Würzburg, sieht eine Belastungsprobe für die Umwelt: „Weil dieser ganze Ressourcenschwanz, der da hinten dranhängt, total unnachhaltig ist und unsere Erde diese Ressourcen gar nicht zur Verfügung stellt.“ Das Zukunftshaus Würzburg will Alterntiven bieten: als "Plattform, die unter einem Dach zusammenbringt, was zusammengehört: regional, fair und ressourcenschonend".
Der höhere Preis der Nachhaltigkeit
Immer mehr Verbraucher sind bereit, für nachhaltige Produkte mehr auszugeben. Zahlen des Marktforschungsinstituts Splendid Research aus diesem Jahr zeigen, dass die Preisbereitschaft bei Produkten mit Gütesiegel um 15 Prozent steigt. Dennoch: „Für viele Menschen ist der Preis nach wie vor das einzige Kriterium“, sagt Grunwald. Laut einer Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH Köln) im Jahr 2020 empfinden 37 Prozent der Befragten nachhaltige Alternativen als zu teuer. Susanne Waldmann vom Unverpackt-Laden lässt dieses Argument nicht gelten: „Viele haben das Geld, einen Großteil von Produkten mit Bio zu decken, doch die Konsumenten setzen andere Prioritäten.“
Dabei muss Nachhaltigkeit nicht mit höheren Ausgaben verbunden sein. „Es gibt auch Möglichkeiten, wo Umweltschutz nicht nur die Umwelt entlastet, sondern auch meinen eigenen Geldbeutel“, sagt Matthias Pieper und verweist auf Angebote wie Carsharing und Tausch- und Leihbörsen. Wichtig sei, dass sich jeder einzelne Gedanken mache: „Wo kann ich in meinem Alltag anfangen, was kann ich für mich umsetzen? Das kann erstmal auch ganz wenig sein“, meint Pieper.

Bei der Effizienz herrscht jedoch Uneinigkeit. „Es kann sein, dass die Summe dieser kleinen Maßnahmen eben nicht ausreicht, um diesen ganz großen Tanker Weltwirtschaft mit dem Konkurrenzdenken und der Wachstumserwartung von Milliarden von Menschen dahinter, umzustellen“, so Grunwald.
Die prinzipielle und realistische Macht der Verbraucher
Für den Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung ist der Konsument ein schlafender Riese. Prinzipiell könnte er mit seinem Konsumverhalten die Wirtschaft direkt beeinflussen. „Wenn alle Menschen auf Öko-Autos umstiegen, würde die Industrie keine Spritfresser mehr produzieren.“ Die Realität sieht jedoch anders aus: Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes machen SUVs und Geländewagen fast ein Drittel des Marktanteils der Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2019 aus. „Wir sind ja in einem liberalen Wirtschaftssystem, wo Menschen selbst entscheiden, wie sie ihr Geld ausgeben wollen“, sagt Grunwald. Man solle nicht davon ausgehen, dass der Endverbraucher gar keinen Einfluss auf die Wirtschaft habe: Die erhöhte Nachfrage nach Bio-, sowie Regionallebensmittel habe beispielsweise auch dazu geführt, dass Discounter immer mehr auf diese Produkte setzen.
Matthias Pieper indes verweist auf die Verantwortung nicht allein der Konsumenten: „Verbraucher sind aus meiner Sicht wichtig, aber Politik und Wirtschaft sind wichtiger, weil sie den Verbrauchern helfen müssen, auch die richtigen Produkte kaufen zu können.“
Serie Bioökonomie
