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WÜRZBURG
Nach Streit um Tabak-Päckchen: Drei Jahre Haft für brutale Tritte
Gisela Schmidt
Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:54 Uhr

Grausames Ende eines Streits um ein Päckchen Tabak für fünf Euro: Das Opfer der Auseinandersetzung landete im Krankenhaus, der Täter in Untersuchungshaft. Nun sehen die Männer sich vor dem Landgericht wieder. Der eine ist Nebenkläger und Zeuge, der andere Angeklagter. In Handschellen wird der 40-Jährige aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Dort sitzt er seit Juni. Vollgepumpt mit Methadon, einem starken Schmerzmittel und Alkohol hat er damals am Hauptbahnhof einen 51-Jährigen verletzt. Die Staatsanwaltschaft spricht von versuchtem Totschlag.

Es war gegen 21 Uhr, der 40-Jährige schlief auf dem Bahnhofsvorplatz, um ihn herum saßen Obdachlose und Punker und tranken. Als der Angeklagte wach wurde, vermisste er seinen Tabak, verdächtigte aus heiterem Himmel den 51-Jährigen des Diebstahl – und trat ihn in die Seite.

Das Opfer fiel um, der Angeklagte trat ein zweites Mal zu. Dieses Mal in Richtung Kopf. Die Freunde des 51-Jährigen hielten den Angreifer fest, alarmierten Polizei und Krankenwagen. Der vermisste Tabak fand sich später im Rucksack des Angeklagten.

Nun ist der 40-Jährige vor dem Landgericht angeklagt und gibt, nach anfänglichem Hin und Her, ziemlich viel von dem zu, was die Anklage ihm vorwirft. „Ich war aggressiv“, sagt er, „ich war voll mit Drogen“.

Sein Opfer hat keine Erinnerung mehr an die Geschehnisse. „Ich weiß nur, was man mir erzählt hat“, sagt der Arbeitslose im Zeugenstand. Nach der Tat wurden bei ihm 2,6 Promille festgestellt. Dann erzählt der gelernte Mechaniker dem Gericht, dass er dem Angeklagten „nicht böse“ sei: „Man muss auch verzeihen können.“

Die Zeugen des Vorfalls machen recht unterschiedliche Angaben. „Der hat ihm volle Kanne den Schädel eingetreten“, sagt ein 24-Jähriger, „das hat richtig 'Knack' gemacht“. Eine Frau will gesehen haben, wie der Angeklagte seinem Opfer „auf den Brustkorb gesprungen“ ist, ein 25-Jähriger, dass er ihm „mit der Hake auf die Schläfe getreten hat.

Angaben, die sich nicht mit dem decken, was der Gutachter festgestellt hat. „Es gibt keine Belege für massive Tritte gegen den Kopf“ des Opfers, sagt der Rechtsmediziner er in seinem Gutachten. Auch Brustverletzungen habe der 51-Jährige nicht gehabt. „Nur eine kleine Wunde im linken Stirnbereich.“ Dann sagt er dem Gericht, dass das Opfer sich „zu keiner Zeit in akuter Lebensgefahr“ befand.

Der Angeklagte hört allen Aussagen interessiert zu. Ihm sei klar, dass er sich schuldig gemacht hat, beteuert er vor Gericht, er bereue seine Tat und wolle eine Entziehungstherapie machen.

Seit 20 Jahren hat er 40-Jährige Drogenprobleme, seine Lebensgefährtin und seine Familie haben sich deshalb von ihm abgewendet, wegen der Sucht verlor er Job und Wohnung, er war im Gefängnis, er steht unter Führungsaufsicht, er hat diverse Entgiftungen hinter sich und eine gescheiterte Therapie.

In seinem Plädoyer rückt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen von dem ursprünglich angeklagten versuchten Totschlag ab und fordert wegen gefährlicher Körperverletzung eine Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Verteidiger Nikolaus Gwosdek plädiert ebenfalls für eine Unterbringung. Er hält eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung für ausreichend. Der Angeklagte bittet in seinem letzten Worte um eine Therapie. „Ich will weg von den Drogen“, sagt er, „Heroin ist ein Teufel“.

Nach kurzer Beratung spricht das Gericht sein Urteil: Drei Jahre Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Unterbringung des 40-Jährigen in einer Entziehungsanstalt. Er werde schon bald einen Therapieplatz bekommen, sagt der Vorsitzende Richter Hans Brückner zum Angeklagten. Laut psychiatrischem Gutachter muss er etwa zwei Jahre in der Entziehungsklinik bleiben. Wenn er bis zum Ende durchhält, und nicht, wie beim letzten Mal, die Therapie abbricht, wird der Rest der Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig.

 
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