
Zu Sukkot, dem jüdischen Laubhüttenfest steht diesmal an der katholischen Kirche und ehemaligen Synagoge eine Laubhütte, eine Sukkah. Gefeiert wird, wie Gott in der Wüste beim Auszug aus Ägypten für sein Volk sorgte, was auch ein Erntedankfest ist.
Die Sterne soll man bei einer Laubhütte durch das Dach sehen können. Claudia Bartel hat eine Schilfmatte für ihre erste Laubhütte gewählt und ist die Sache ganz pragmatisch angegangen, mit dem Bautrupp eines Baumarktes, der die hölzernen Bauteile in eineinhalb Stunden zu einer Laubhütte verbaute.
Eine Art Laubhüttenfest hat Bartel diese Woche dort begangen, sich Gäste eingeladen, Freunde, Nachbarn und auch eine ganze Reihe Sommerhausen-Besucher an ihrem Projekt des Erinnerns teilnehmen lassen. Sie ist selbst überrascht und glücklich erfüllt, mit wie vielen Menschen sie ihr Interesse am jüdischen Leben und dem der ehemaligen Synagoge teilen konnte. Ihr Motiv: "Es geht einfach darum, dass dieses Erbe geehrt wird. Ja, es ist ein jüdisches Erbe, aber auch ein fränkisches", führt sie vor Augen. "Laubhütten waren etwas ganz normales hier".

Der Standort ist ein Kompromiss
Tatsächlich findet sich ein interessantes Beispiel auch im Anwesen Am Berghof 8, das kurz vor der Sanierung steht. Es hat einwandfrei identifizierbar eine im ersten Obergeschoss liegende Laubhütte mit einem Lichtschacht bis zu einem historischen Dachliegefenster, bestätigt Paula Repplinger aus dem Architekturbüro Staib.
Am vorletzten Tag des einwöchigen Laubhüttenfestes kam Alexander Shef, Mitglied der jüdischen Gemeinde in Würzburg, zu Besuch. "Das ist eine wunderschöne Sukkah", löst Shef ihre Anspannung, ob die Laubhütte den vielen Kriterien auch genügt. Tatsächlich sollte es rein pflanzliches, unbehandeltes Material sein, das das offene Dach abdeckt. Die gewählte Schilfmatte passe sehr gut, findet Shef. Drahtverbindungen sollten allerdings nicht sein. Auch der Standort der Laubhütte vor dem Eingang zur Kirche ist ein Kompromiss, bedauert Bartel. Auf dem ursprünglichen Platz für die Laubhütte, direkt neben der Treppe zur Wohnung, steht ein Fahrrad- und Geräteschuppen, der ein festes Dach hat.
"Es sind emotionale Augenblicke, wenn man in den alten Orten sieht, dass Spuren da sind und wieder aufgebaut sind", erklärt Alexander Shef, der sich sehr gerne auf die Spuren der unterfränkischen Landjuden begibt. Es gebe Besonderheiten wie die Chuppa-Steine, Hochzeitsteine, die es nur hier gebe. In Obernbreit beispielsweise ist er erhalten. Die ehemalige Sommerhäuser Synagoge habe er spontan als klassische "Einbau-Synagoge" erkannt, wie er erzählt. Also Synagoge und Wohnung in einem. Der frühere Thora-Schrein, Schulsaal, Lehrerwohnung und Mikwe lassen sich klar verorten.
Eine Woche in der Hütte leben
Bartel zitiert Passagen aus den Erinnerungen des Geologen Hugo Mandelbaum (1901-1997), der als Kind hier gewohnt hatte, in der früheren Hetschegass. Seit zwei Jahren ist das Anwesen verwaist. Auch katholische Gottesdienste gibt es nicht mehr. Bartel kümmert sich um Haus und Hof. Sie pflegt damit gleichsam das Erbe von Christa Gerth, die sie sehr geschätzt habe. Gerth, Gründerin des Cafés Schatztruhe und die letzte Bewohnerin der ehemaligen Lehrerwohnung, hatte rund um die Kirche einen Garten der Religionen angelegt. Der Dialog zwischen den Religionen und die spirituelle Begegnung war ihr wichtig gewesen.
Claudia Bartels Laubhütte findet der für die Jugendarbeit der jüdischen Gemeinde zuständige Shef "kosher", das heißt, "passend" geschmückt, denn es ist ein Freudenfest, bei dem man eine ganze Woche lang in der Laubhütte lebt und auch schläft – dort wo es machbar ist, auch auf Balkonen beispielsweise oder Lastwagen – als mobile Sukkah. Shef selbst hat keine eigene Laubhütte. Er feiert in der Synagoge und hat von dort den Feststrauß mitgebracht, mit dem viel Symbolik und ein Segensritus verbunden ist.
