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WÜRZBURG
"Musketier"-Premiere: Roter Teppich für die Komparsen
Freier Eintritt, freies Popcorn und viel Aufmerksamkeit: Einen Abend lang waren die Kleindarsteller aus der Region die Stars auf der Kino-Leinwand.
Komparsen im Talk: Rudolf Bernhardt (von links), Christina Feige, Heribert Kadletz, Manfred Lindner und Main-Post-Moderator Michael Czygan.
| Komparsen im Talk: Rudolf Bernhardt (von links), Christina Feige, Heribert Kadletz, Manfred Lindner und Main-Post-Moderator Michael Czygan.
Von unserem Redaktionsmitglied Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 07.11.2019 16:29 Uhr

Heute ist Rainer Moran kein kleiner, dünner Mann mit dicker Brille. Heute geht Rainer Moran über den roten Teppich in seinem guten Anzug und dem gebügelten, weißen Hemd. Wird fotografiert mit vier Hünen in den Uniformen der Leibgarde von Kardinal Richelieu. Bekommt Freibier, freies Popcorn, freien Eintritt. Heute ist Rainer Moran ein Star. „Ich war ein Händler“, erzählt er, „mein Kostüm war grün und sehr schwer“. Über eine Stunde lang ist Rainer Moran „mit einer Dame am Arm an der Festung flaniert“. Ein Jahr sind die Dreharbeiten für den Film „Die drei Musketiere“ jetzt her. Die 75 Euro Gage, die Rainer Moran für seine Komparsenrolle bekommen hat, sind längst ausgegeben.

Fotoserie

Nun ist es 16 Uhr und er ist im Cineworld-Kino, um sich den fertigen Blockbuster anzuschauen, der ein bisschen ja auch sein Film ist. Außer ihm sind rund 160 der 300 Würzburger Komparsen gekommen – und weitere über 1800 Neugierige aus der Region. „Ich will mich sehen“, sagt Rainer Moran.
 

Das will auch Thomas König aus Unterpleichfeld, der „einen Passanten auf einer Marktstraße an der Festung“ gespielt hat. Und Karlheinz Schneider. Der wird allerdings zunächst mal gesehen. Der Würzburger trägt, passend zum Film, ein Musketier-Kostüm samt Hut und Stiefeln. Blauer Samt, silberne Stickerei, lange Feder. Schneider hat die Klamotten aus der Faschingskiste gekramt.

Auf dem roten Teppich stehen jetzt Ex-Kiliani-Festwirt Peter Müller-Reichert und seine Frau Carmen. „Haben die auch mitgespielt?“, fragt eine Frau ihren Begleiter. Die Müller-Reicherts haben nicht mitgespielt. Sie bewirten die Gäste im VIP-Bereich des Kinos. Da ist aber noch nicht viel los. Wer hat schon Interesse an Sekt und Häppchen, wenn er sich gleich in 3-D und an der Seite von Orlando Bloom auf einer Kinoleinwand sehen kann?

Georgia Templiner jedenfalls nicht. Die Malerin war eine Dame auf der Alten Mainbrücke. „Ich habe mich unterhalten, gewinkt und so getan, als interessiere ich mich für die Töpfe eines fahrenden Händlers“. Fünf Röcke übereinander trug sie während der Dreharbeiten, eine Bluse und ein Jäckchen. „Meine Haare wurden hoch gesteckt und dann kam noch ein lockiges Haarteil drauf“. Die Komparsin macht sich keine Illusionen. „Wahrscheinlich sehe ich mich nur ganz klein“, sagt sie, „oder gar nicht.“

Um 17.15 Uhr werden zwei Kinosäle für die Komparsen und ihre Begleiter geöffnet. Mitarbeiter des Cineworld verteilen blaue 3-D-Brillen. Zunächst mal braucht niemand die Dinger. Es läuft Werbung. Danach Trailer mit Mr. Bean, mit Til Schweiger, mit dem „Gestiefelten Kater“. Und einer mit „Tim und Struppi“. Letzterer auch in 3-D.

Dann schließt sich der Vorhang, Ingrid Weigert, Pressesprecherin des Cineworld, begrüßt die Gäste, lässt alle Komparsen aufstehen, „Einer für alle, alle für einen“ rufen. Blitzlichtgewitter, Winken, Applaus. Imke Duplitzer, Europameisterin im Fechten, erzählt von ihren Erlebnissen am Set. Sie hat die Darsteller trainiert. Christoph Waltz, der den Kardinal spielt, sei ein talentierter Schüler gewesen, sagt sie. „Er hat in seiner Jugend Florett gefochten.“

Um 18 Uhr wird Oberbürgermeister Georg Rosenthal auf die Bühne gebeten. Die 3-D-Brille hängt locker in seinem offenen Hemdkragen. Er hat den Film auf Einladung von Constantin Film schon vorab gesehen und freut sich, „wie Würzburg hier in Szene gesetzt wurde“. Gerhard Weiler, Chef der Schlösserverwaltung, damit Hausherr in Residenz und Festung, darf auch vor den Vorhang.

Um 18.05 Uhr erscheint Robbie Williams mit „Take That“. Leider nur auf der Leinwand. Die Jungs promoten ihre neue Single. Und natürlich den „Musketiere“-Film. „All for one, one for all“, brüllen sie in 3-D.

Dann, gleich zu Beginn des Films: Die Alte Mainbrücke. Zwar nicht in Würzburg, sondern in Paris. Aber mit Georgia Templiner in fünf Röcken und mit künstlichen Locken. Begeistertes Johlen im Saal. Nun erscheint die Residenz von außen, wenig später auch von innen. Mit Christoph Waltz. Und natürlich mit den „Cardinal's guards“, den Wachen des Kardinals.

Ein Luftschiff, nach den Plänen von Leonardo da Vinci erbaut, wirft Anker. Der altehrwürdige Residenzplatz als Flughafen. Orlando Bloom steigt aus, seine kajalumrandete Augen schauen tief in den Kinosaal. Andächtiges Schweigen. Dann ein lautes, heiseres „Da, da, da!“. Ein Komparse hat sich erkannt. Alle jubeln. Später strandet das Luftschiff im Hofgarten. Ein paar Damen juchzen. Ende.

Hajo Richl hat sich nicht entdeckt. Im richtigen Leben ist er Musiker. Im Film war er einer von Richelieus Wächtern auf dem Residenzplatz. „Bei den Dreharbeiten waren wir etwa 60 Mann“, erzählt er. Auf der Leinwand gab es Hunderte Cardinal's Guards. „Die haben uns geklont“, sagt er.

Rainer Moran steht traurig in einer Ecke. „Ich war nicht dabei“, sagt er, „die haben mich einfach raus geschnitten“. Vielleicht aber hat er sich auch nur übersehen.

ONLINE-TIPP

Alle Infos zum Film, ein Video und viele Bilder vom Kamparsen-Auflauf im Cineworld: www.mainpost.de/musketiere

Würzburger Musketiere: Vor über 150 Komparsen präsentieren Gerhard Weiler (links) und OB Georg Rosenthal im Cineworld ein Spezialplakat, auf dem unten links auch die Residenz zu sehen ist.
Foto: Alle Theresa Müller | Würzburger Musketiere: Vor über 150 Komparsen präsentieren Gerhard Weiler (links) und OB Georg Rosenthal im Cineworld ein Spezialplakat, auf dem unten links auch die Residenz zu sehen ist.
So wird man Star: Heribert Kadletz präsentiert Autogrammkarten.
| So wird man Star: Heribert Kadletz präsentiert Autogrammkarten.
Beleg: „Das bin ich im Film.“
| Beleg: „Das bin ich im Film.“
Fesch: Die Mieder-Mädels von der Fechtshowgruppe.
| Fesch: Die Mieder-Mädels von der Fechtshowgruppe.
Musketierisch: Degen-Europameisterin Imke Duplitzer hat Orlando Blum und Co. das Fechten beigebracht.
| Musketierisch: Degen-Europameisterin Imke Duplitzer hat Orlando Blum und Co. das Fechten beigebracht.
Rassige Kämpfe: Die Gruppe „Frank und frey“ zeigte im Kinofoyer Fechtkunst a la Musketiere.
| Rassige Kämpfe: Die Gruppe „Frank und frey“ zeigte im Kinofoyer Fechtkunst a la Musketiere.
 
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  • P. H.
    …dass der Film tatsächlich grottenschlecht ist. Die Residenz, die anderen Würzburger Schauplätze, aber insbesondere die Alte Hofhaltung in Bamberg scheint wirklich das einzige zu sein, was in diesem Film wirklich brilliert. Es tut ziemlich weh, vor so schöner Kulisse dermaßen viel filmischen Schrott ertragen zu müssen.

    Die Dialoge sind platt, die Story nicht annähernd so spannend umgesetzt, wie es denkbar gewesen wäre. Die Handlungsbögen sind ziellos, die Charaktere werden in keinster Weise in Szene gesetzt. Nicht nur die drei Musketiere enttäuschen auf ganzer Linie, auch Milla Jovowich und Orlande Bloom wirken eher peinlich. Einzig Christoph Waltz gelingt es, seiner Rolle etwas selbstironisches mitzugeben, so dass man sich über seine Performance noch amüsieren kann. Der Hauptdarsteller passt zwar in die Rolle, doch seine Darstellung rührt genausowenig, wie diese hineingepfriemelte Romanze mit der Hofdame der Königin. Die Luftschiffe machen diesen schwachen Film dann erzählerisch ruinös.

    Es ist so schade, ich bin mit sehr, sehr niedrigen Erwartungen ins Kino gegangen und wurde dennoch enttäuscht. Die tollen Kulissen und schönen Bilder hätten eine bessere Umsetzung verdient gehabt. Ich hoffe doch sehr, dass sie bei einer bereits angedrohten, möglichen Fortsetzung auf Würzburg als Drehort verzichten. Denn hier war die Stadt mal besser als der Film, Würzburg ausnahmsweise mehr Weltniveau als Hollywood.
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