Zwei Textzeilen aus dem Programm fassen zusammen, was die zahlreichen Besucher und Besucherinnen am Samstag in der Mutterhauskirche der Kongregation der Schwestern des Erlösers Würzburg erlebten: "Es ist das berauschende Lied" und "In deinem Herzen schläft ein Mondschein". Das erste Zitat aus der Kantate "L’aurore" (Die Morgenröte) von Maurice Ravel verweist auf das "Festival Lied", an dessen vorletztem Abend der "figure humaine kammerchor" aus Stuttgart ein bejubeltes Konzert gab. Mit der zweiten Textzeile eröffnet ein Gedicht von Jean Laher, die "Chanson triste" (Trauriges Lied), vertont von Henri Duparc (1848-1933), für Chor bearbeitet von Denis Rouger, dem Leiter des figure humaine kammerchors.
Rouger hatte für den Erinnerungstag an die Zerstörung Würzburgs im Jahr 1945 Werke ausgewählt, die dem Chor jedwede Gelegenheit boten, Exzellenz zu demonstrieren, ohne zu plakativen Mitteln zu greifen: Kunstlied-Arrangements für fünfstimmigen, teils doppelchörigen Chor, bereichert durch Chorsolisten oder als reine a cappella-Gesänge, Werke von Gabriel Fauré (in dessen 100. Todesjahr übrigens), Henri Duparc, Robert Schumann, Hugo Wolf, Pierre Villette, Nadia Boulanger, Maurice Ravel und Denis Rouger, alles aus dem verklingenden 19. und dem 20. Jahrhundert, in denen sich deutsche und französische Musik begegnen, in denen ein Strawinsky-Zitat aufblitzt (Rouger: Lobet den Herren) oder eine bekannte Pavane auf ihre Ursprünge zurückgeführt wird (Gabriel Fauré).
Viel innere Gestaltungskraft
Vorzüglich begleitet wurde das 33-köpfige Ensemble von der Pianistin Kerstin Mörk. Chorleiter Rouger hat seine Sängerinnen und Sänger so geschult, dass er sich in seiner Zeichengebung auf dezentes Formen und Entwickeln beschränken kann. Er hat aber auch so viel innere Gestaltungskraft und Geschlossenheit im Chor erreicht, dass der Gesang, die Musik ansatzlos, vollkommen natürlich und überwältigend schön entstehen darf.
Sie ergießt sich fließend weich in den Saal, schmiegt sich ums Publikum, lässt es poetisch-musikalische "Küsse und Zärtlichkeit trinken" (Duparc). Prachtvoller Lobgesang bei reinster Intonation entwickelt sich wie aus dem Nichts; nuancenreiche Schattierungen in Atmosphären und Farben, zauberhaft besänftigende und seelenvolle Stimmungen formen Dirigent und Chor, werden üppig und rauschhaft.
Die vollendete Schönheit des Gesangs umfing ein Publikum, das nach Momenten der Verzauberung lang anhaltend Ovationen spendete, bevor es sich weiterführend in die suggestive Kraft des Gedenkgeläuts begab.