Das Mozartfest ist schon lange mehr als eine bloße Reihe von Konzerten. Vor ein paar Jahren kam die Wissenschaft dazu, heuer gleich die Disko. Am Freitag startete das Kabarett in der bewährten Bürgerspital-Kelterhalle.
Die einzige „Operncomedienne“ des deutschsprachigen Raums, Annette Postel, streifte als gut ausgebildete Sopranistin durch das weite Arbeitsfeld namens Oper. Sie sang zur Begleitung des Pianisten Klaus Webel selbstgebaute, zitatengespickte oder ganz übernommene Arien, die schon allein deshalb lachen machten, weil sie mit fulminantem Kunstaufwand textlich die kleine Alltäglichkeit des Musiktheaterbetriebs schilderten.
Aber was heißt Alltagsbeschreibung in einem Metier, das selbst ziemlich ungewöhnlich schillert? Postel, in einem Rezitativ: „Wo erkennt man seinen eigenen Mann nicht, weil er einen Bart angeklebt hat?“ Oder über ihr Bühnenfach: „Sopran ist warten, bis der Tenor mich rettet.“
Postel ist klassisch ausgebildet, kann aber auch so gut Chanson, dass sie einen New Yorker Kurt-Weill-Preis gewann. Sie bedient sich bei allen Genres: „Die große Kunst hält ewig, die kleine nur ein wenig.“ Ihr Repertoire reicht von von Purcell bis Pop, ihre wandlungsfähige Stimme stellt sie aber auch vor eine Herausforderung. Denn gerade weil sie die technischen Anforderungen so sicher meistert, muss sie all dieses verschiedene Material auch innerlich zusammenhalten. Eben dafür sorgt schon Annette Postels große Bühnenpräsenz. Und: Hier liebt eine das, was sie tut, auch wenn sie darüber lästert.
Das Programm mit dem blassen Titel „Sing oder stirb! Operette sich, wer kann“ eignet sich prima, Opernneulinge an die Gattung heranzuführen. Schon in der ersten Hälfte kommt der Wunsch auf, sie möge doch mal ernst werden, ihre Lieder nicht immer zerhacken, sondern wenigstens eine Arie ordentlich schön zu Ende singen. Prompt entlässt sie das Publikum mit der erschütternden Piu-Arie von Verdi in die Pause. Später wird sie noch eine barocke Dido drauflegen, aber auch eine Gloria Gaynor, und dann vor voll besetzter Halle drei Zugaben singen. Wenn es noch einen Beweis für die Vereinbarkeit von ernster und lustiger Unterhaltung gebraucht hätte: Der offizielle Teil dieses Opernsbends endete mit demselben Song wie Leander Haussmanns Biertrinkerfilm „Herr Lehmann“.
Noch früher als Annette Postel ausverkauft und noch früher zum Mitklatschen gebracht hat das Trio Wildes Holz die 336-Plätze-Halle. Drei Jahre nach ihrem umjubelten Mozartfest-Debüt kehrten die Kohlenpottler am Samstag zurück.
Tobias Reisige (Blockflöten), Anto Karaula (Gitarre) und Markus Conrads (Kontrabass) mixen E- und U-Musik in rasanten Wechseln, z. B. Barockes und Michael Jacksons „Billie Jean“. Oder sie nähern sich dem Namensgeber des Festivals durch ihre Interpretation von Falcos „Amadaeus“. Die Komik dieser ihrer kontrastreichen Arrangements und damit den Effekt aufs Publikum steigern sie systematisch mit drei Mitteln: Sie brillieren mit Fingerfertigkeit, geben sich ausgesprochen neckisch und zudem und vor allem bläst Reisige so gefühlsschwanger in seine Hölzer, wie man etwa Beethovens Pathétique eigentlich gar nicht hören möchte. Zum Glück setzen die Stakkatorhythmen der Saiteninstrumente da hübsche kleine Gegengewichte. Trotzdem: Mit Flatterzunge und Glissandi tut die Flöte einfach etwas zu viel.
Die heitere Programmschiene verläuft über die „kleine Lachmusik“ (Freitag und Samstag, 23. und 24. Juni) im Staatlichen Hofkeller zu den Wellküren (26. Juni) in der Hofbräu-Abfüllhalle.