zurück
Würzburg
Molotow-Cocktail, Pyrotechnik, Pfefferspray: Wie ein Aktivist aus Würzburg die Räumung in Lützerath erlebt
Lützerath soll dem Braunkohle-Abbau weichen. Protestierende wollen das verhindern. Einer von ihnen kommt aus Würzburg und berichtet, wie sich die Lage vor Ort entwickelt.
In Lützerath (NRW) hat die Räumung durch die Einsatzkräfte der Polizei am Mittwoch begonnen. Die Demonstrierenden haben sich verbarrikadiert, um das zu verhindern
Foto: CC BY-SA Lützi Lebt | In Lützerath (NRW) hat die Räumung durch die Einsatzkräfte der Polizei am Mittwoch begonnen. Die Demonstrierenden haben sich verbarrikadiert, um das zu verhindern
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:25 Uhr

Es ist ein kleines unscheinbares Dorf zwischen Mönchengladbach, Köln und Aachen. Doch spätestens seit vergangener Woche kennt jeder den Namen des Dorfes Lützerath. Weil sich unter dem Ort große Braunkohlevorkommen befinden, soll er abgebaggert werden. Dort soll dann der Tagebau "Garzweiler" erweitert werden – so hat es die Bundesregierung gemeinsam mit dem Energiekonzern RWE beschlossen.

Dem gegenüber stehen mehrere hundert Klimaktivistinnen und -aktivisten, die sich aktuell in Lützerath auf Bäumen, Dächern und in den Häusern verbarrikadiert haben, um das Abbaggern des kleinen Ortes zu verhindern. Auch Lio, Mitglied der Würzburger Fridays for Future Bewegung, ist aktuell vor Ort und beteiligt sich am Protest. Aus Angst vor möglichen rechtlichen Konsequenzen will Lio seinen Nachnamen nicht veröffentlichen. Bei einem Telefonat mit dieser Redaktion erklärt der Würzburger Aktivist: "Das Traumziel von uns allen ist es, dass die Räumung abgebrochen wird, so wie damals beim Hambacher Forst."

Räumung in Lützerath mit Ausschreitungen gegen Polizeikräfte

Lio, der vor kurzem sein Studium in Wuppertal begonnen hat, pendelt nach eigenen Angaben seit knapp einer Woche täglich nach Lützerath. Am Dienstag war er das letzte Mal direkt im Dorf, hat mit den Aktivistinnen und Aktivisten gesprochen und ihnen geholfen, sich auf die Räumung vorzubereiten. "In den Küchen wurde Essen gekocht, auf die Bäume und Dächer gebracht und sozusagen alles räumungsfest gemacht", berichtet er.

Am Mittwochmorgen ging es los: Mehrere Hundertschaften der Polizei zogen in das Dorf und begannen mit der Räumung. Seitdem bestimmen Bilder von gestürmten Barrikaden und Demonstrierenden, die aus den Gebäuden getragen werden, die sozialen Netzwerke und die Berichterstattung.

Mit Menschenketten wollen Demonstrierende in Lützerath die Räumung verhindern. Auch ein Würzburger Aktivist war im Ort aktiv.
Foto: CC BY-SA Lützi Lebt | Mit Menschenketten wollen Demonstrierende in Lützerath die Räumung verhindern. Auch ein Würzburger Aktivist war im Ort aktiv.

Und obwohl die Polizei am Mittwochabend ein positives Resümee zum bisherigen Einsatz zog und von "einem überwiegend friedlichen Einsatz" sprach, schien die Lage kurz nach Beginn der Räumung zu kippen. Die Polizei NRW berichtete auf ihrem Twitter-Account vom Einsatz von Molotow-Cocktails und Pyrotechnik gegen ihre Einsatzkräfte. Belegt wurde die Meldung von verschiedenen Vidoeclips, die in den sozialen Netzwerken geteilt wurden.

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Angesprochen auf die Szenen erklärt Lio, er habe selbst nur durch den Twitter-Account der Polizei davon mitbekommen. Könne also keine Angaben zu den Vorwürfen machen. Er beschreibt die Lage vor Ort als ruhig und entspannt: "Die Leute sitzen auf ihren Dächern, Bäumen oder in den Häusern. Sie blockieren, aber das ist alles friedlich, was ich mitbekommen habe." Und auch die Polizei meldete im Verlauf des Tages, dass viele Aktivistinnen und Aktivisten Lützerath friedlich verlassen und besetzte Häuser und Dächer aufgegeben hätten.

Sitzblockaden und Demonstrationen auch außerhalb des Kerndorfes

Doch nicht nur den Demonstrierenden wird von Seiten der Polizei Gewalt gegenüber den Einsatzkräften vorgeworfen. Polizistinnen und Polizisten seien äußerst rabiat gegen die verbliebenen Menschen im Dorf vorgegangen, lautet ein Vorwurf, der mehrfach in den sozialen Netzwerken zu lesen war. So wirft etwa der Stuttgarter Ableger von Fridays for Future den Beamtinnen und Beamten den Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken und Schmerzgriffen vor. Rettungskräften würde zudem seit Mittwoch der Zutritt zum Camp verwehrt.

"Zeitgleich wurde von RWE auch der Zaun um Lützerath gebaut. Jetzt kommt keiner mehr ins Dorf rein und die Leute dort sind abgeschottet", erklärt Lio. Der Energiekonzern will damit offenbar die Rückkehr von Protestierenden verhindern. In den kommenden Tagen will Lio die Protestbewegung außerhalb des Zaunes unterstützen, die mit angemeldeten Demonstrationen weiter auf die Situation vor Ort aufmerksam machen will.

Der Würzburger wird die nächsten Tage die Geschehnisse in Lützerath außerhalb der Absperrung unterstützen und sich im nahegelegenen Ort Keyenberg, der legalen Anlaufstelle für Demonstrierende, mit den Menschen vor Ort solidarisieren. Dies sei wichtig, denn auch außerhalb des Lützerath-Zauns würden Aktivistinnen und Aktivisten immer wieder mit Sitzblockaden die Zufahrtswege zum Dorf versperren, sagt Lio. "So wird den Leuten drin jeden Tag zusätzlich ein paar Stunden Zeit verschafft."

Mit Baggern und Hundertschaften der Polizei wird der Ort Lützerath geräumt.
Foto: CC BY-SA Lützi Lebt | Mit Baggern und Hundertschaften der Polizei wird der Ort Lützerath geräumt.

Eigenen Angaben auf Twitter zufolge, erzielt die Polizei bei der Räumung Fortschritte. Einsatzkräfte haben am Donnerstagmorgen mehrere Baumhäuser abmontiert und Häuser gestürmt. Aktivist Lio hingegen hofft, dass sich die Räumung weiter verzögern lässt. Durch den Regen der vergangenen Tage und einen Rohrbruch seien die Felder rund um das Dorf unterspült und zu "einer einzigen Schlammlandschaft" geworden, erklärt er. Das erschwere es den Beamtinnen und Beamten, mit den Räumfahrzeugen vorzudringen, da diese immer wieder stecken bleiben.

Wie lang der Protest und die Räumung in Lützerath andauern werden, ist aktuell schwer einzuschätzen. Seitens der Polizei gibt es derzeit keine Prognosen. Am Samstag aber ist in dem Anlaufcamp in Keyenberg eine Großdemonstration von Fridays for Future und verschiedenen anderen Gruppen angekündigt. Klimaaktivistin Greta Thunberg wird vor Ort sein und Lio aus Würzburg bekommt Unterstützung aus seiner Heimat: Die Würzburger Fridays for Future Gruppe hat nach eigenen Angaben zwei Busse organisiert, die am Samstagmorgen mit rund 100 Personen nach Lützerath fahren.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Gina Thiel
Fridays For Future
Greta Thunberg
Häuser
Liebigschule Gießen
Massendemonstrationen
Polizei
Pyrotechnik
RWE AG
Sitzblockaden
Twitter
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • ralfestenfeld@aol.com
    Hier wird das Recht von RWE durch staatliche Organe durchgesetzt. Sonst NICHTS. Und das ist nichts Ungewöhnliches. Großunternehmen werden generelle unterstützt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • andreas_gerner@gmx.de
    Würden Fremde Ihren Garten besetzen und Sie daran hindern, Kartoffeln zu pflanzen, hätten auch Sie ein Recht darauf, dass die Polizei die Besetzer entfernt.

    Hat nix mit groß und klein zu tun.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • norbert.zirnsak@igmetall.de
    Die jungen Leute setzen die Neugrünen ordentlich unter Druck. Bärbock und Co. haben längst nichts mehr mit den eigentlichen Grünen zu tun. Die grüne Partei verrät ihre Ziele. Ihr wird es ergehen wie der SPD mit ihrer Agenda 2010.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • fritschdittelbrunn
    Vielleicht machen Sie sich mal schlau, was dort ausgehandelt wurde. Die Gesamtklimabilanz ist entscheidend für die Beurteilung einer Maßnahme. Erst denken, dann schreiben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • norbert.zirnsak@igmetall.de
    2000 Grüne haben es ihren Parteioberen gerade mit einer Unterschriftenaktion ins Stammbuch geschrieben. Die grüne Partei wird auseinanderbrechen. Krieg. Atom. Kohle. Da werden viele sagen, je höher der Affe steigt, desto besser sieht man seinen A....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • stadtkind
    Es ist nicht mehr hinzunehmen, wie sich diese Zeitung, einst auf der Titelseite mit "überparteilich usw." bezeichnet hat, zum "grünen Stürmer" entwickelt.
    Es ist weiterhin nicht hinzunehmen, dass Straftäter, die Haus- oder Landfriedensbruch begehen, als Aktivisten verharmlost werden.
    Den vermeintlichen Klimafetischisten wird nur aller möglicher Raum zur Selbstdarstellung gegeben.
    Denkt eigentlich mal einer von diesen Unerwachsenen dran, was infolge des Ukrainekrieges an Umwelt- und Klimaschäden produziert wird?
    Vielleicht solltet ihr mal mit Greta bei Vladimir protestieren. Ich spendiere auch einen Bus dahin.
    Aber das könnte ja etwas gefährlicher werden, als das Zusammentreffen mit unserer Polizei, die übrigens dankenswerterweise für Recht und Ordnung sorgt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Auf eigenen Wunsch gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Kluespies
    Das sind keine Aktivsten sondern Hausbesetzer, das mindeste an Strafe wäre das sie den Polizeieinsatz bezahlen müssen. Vielleicht hilft ja das Millonäsdöchderchen Luisa Neubauer, sie ist ja auch vor Ort!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • asazyma
    Was hat ein derart anbiedernder, unkritischer und sympathisierender Beitrag in unserer Tageszeitung verloren? Für Gefälligkeitsjournalismus muss ich ständig mehr bezahlen, nicht nur die Zeitung wird immer dünner, sondern auch das, was geboten wird.
    Unmöglich! Gibt es noch einen Chefredakteur, oder darf jeder schreiben, was ihm gerade gefällt?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • steve67
    "So wirft etwa der Stuttgarter Ableger von Fridays for Future den Beamtinnen und Beamten den Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken und Schmerzgriffen vor. Rettungskräften würde zudem seit Mittwoch der Zutritt zum Camp verwehrt." Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Forderung der grünen MdB Saskia Weishaupt, die am 22.12.21 um Zusammenhang mit Querdenkerdemos den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray gefordert hatte, um Ihnen keinen Millimeter der Straße zu überlassen. Bedenke, um was Du bittest, denn es könnte Dir gewährt werden......
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mppthi
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • fritschdittelbrunn
    Es ist ein grüner Polizeichef von Aachen, der den Einsatz leitet. Dieser hat vor Räumungsbeginn in einer Pressekonferenz hervorragend kommuniziert. Er setzt das um was durch eine fehlgelaufene Energiewende notwendig wurde, er setzt um, was ein grüner Bundesminister und ein Grüne Landesmisterin ausgehandelt haben. Über den europäischen Handel mit CO2 Zertifikaten ist das übrigens in Verbindung mit dem früheren Kohle Ausstieg für das Weltklima zwar unbedeutend aber positiv. Also was soll dieser Protest? Wenn sie friedlich demonstrieren würden, und dann das Feld räumen würden wäre es Protest. Mit den Begleiterscheinungen wie Molotowcocktails und Pyrotechnik, ist es nicht mehr Protest. Die Doppelmoral von MDBs (Abgeordnete) der Grünen, die einerseits am Parteitag dem zustimmen, danach aber protestieren, wird hier überdeutlich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • GerdaRosa
    Lasst Sie oben sitzen oder angeklebt bleiben.
    Irgendwann haben sie Hunger, Durst und die Hosen voll. Dann kommen sie von alleine runter.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Wer oben bleiben will, der soll halt oben bleiben ...

    ... ohne wenn und aber ...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Mementomori
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Oreus
    Man gibt diesem Thema in den Medien meiner Meinung nach viel zu viel Öffentlichkeit!
    Es geht hier nur um einige wenige Häuser, aus denen niemand vertrieben wurde. Die Besitzer wurden entschädigt, und leben längst woanders...
    Das Ganze war ein Kompromiss, um einige andere Dörfer retten zu können. Und dieser Kompromiss war gut so!
    Das Ganze wird erst zu einer Schlagzeile, weil die Presse denen den Raum dazu gibt, wie auch dieses Medium hier!
    Oh, Wow: Selbst Grata reist am Samstag von Schweden her nach Lützerath ? Welchen CO² Fußabdruck sie dafür wohl hinterlässt? Hat Greta noch nix von Video-Konferenzen gehört?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Souldream
    Erst Steine und Co. werfen aber dann um Hilfe betteln wenn man frieren auf den Baum sitzt oder im einbetonierten Auto nicht mehr selbst raus kommt. Denken scheint bei keinem der Aktivisten groß zu sein, von daher habe ich mit denen kein Mitleid.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ souldream

    Woher wissen Sie, dass das die selben Personen sind?

    Es können durchaus verschiedene Menschen sein, die Einen, die friedlich protestieren und die Anderen, die vor Gewalt nicht zurück schrecken.
    Ich allerdings, würde bei aufkeimender Gewalt, die Szene verlassen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • oswaldbreitenbach
    Leider verstehen hier viele nicht, dass die Kosten der Klimakrise in Zukunft ein vielfach höheres sein werden als dieser Polizeieinsatz und dass die Aktivisten den "Kampf" auch für unsere Zukunft führen. Profitieren wird nur die RWE und die "eingewickelten" Politiker.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten