zurück
RÖTTINGEN
Moderne Mauer für die alte Burg
Die Katastrophe: Das Hauptgebäude stürzte am 2. November 1971 ein und begrub viele Arbeiterinnen unter sich.
Foto: ArchivGeorg Heußner | Die Katastrophe: Das Hauptgebäude stürzte am 2. November 1971 ein und begrub viele Arbeiterinnen unter sich.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 30.06.2015 16:57 Uhr

Eine breite Lücke in der Umfassungsmauer der Burg Brattenstein erinnert seit über 40 Jahren an eine der größten Katastrophen in der jüngeren Geschichte Röttingens. Nun soll diese Lücke geschlossen werden; mit einer modernen Konstruktion aus Naturstein und Stahl, die der Burg ihr historisches Gepräge zurückgibt und zugleich neue Nutzungsmöglichkeiten erschließt. In der jüngsten Stadtratssitzung stellten das Architekturbüro Schlicht und Lamprecht aus Schweinfurt ihre ersten Entwürfe vor. Nun geht es darum, Zuschussgeber für das Vorhaben zu gewinnen.

Alte Röttinger erinnern sich noch genau an den 5. November 1971. Im Hauptgebäude der Burg war ein Zweigwerk der Vereinigten Kleiderfabriken aus Miltenberg untergebracht. Unter der Last der Maschinen gaben die Decken und Außenmauern des historischen Gebäudes nach. Vier Näherinnen starben in den Trümmern, viele wurden verletzt.

Das übrig gebliebene Haupthaus wurde repariert, die Zehntscheune inzwischen aufwändig saniert und modern ausgestattet. Die Trümmer des Einsturzes jedoch wurden provisorisch aufgeschüttet und befestigt. Ein Bauzaun und ein Werbebanner kaschieren seit Jahren die Spuren des Einsturzes. Darüber entstand eine offene Halle aus Holz, die bei den Frankenfestspielen als Zuschauertribüne dient.

Dass dies kein Dauerzustand bleiben kann, darauf haben Statiker schon vor Jahren hingewiesen, so Bürgermeister Martin Umscheid. Regelmäßig muss überwacht werden, dass sich der aufgeschüttete Hang unter seiner Last nicht in Bewegung setzt. Und auch optisch ist der Bauzaun keine Empfehlung für die inzwischen nahezu vollständig sanierte Burganlage.

Der Lösungsvorschlag, den die Schweinfurter Architekten Stefan Schlicht und Christoph Lamprecht nun erarbeitet haben, sieht eine massive Stützmauer aus Stahlbeton vor, die den Burghof vor dem Abrutschen sichert. Sie ersetzt auch die Rückwand des heutigen Holzverschlags. An dessen Stelle rückt ein Dach aus Stahl und eröffnet der entstehenden Halle verschiedene öffentliche Nutzungsmöglichkeiten.

Architektonischer Höhepunkt ist ein „Stadtbalkon“ in der Stützmauer, von dem der Blick über die Röttinger Altstadt bis zu den Hängen des Taubertals reicht. Außerdem bleibt genügend Platz für einen breiten Treppenaufgang, der auch als Notausgang für den Burghof fungieren kann.

Modern sind die Entwürfe. Sichtbeton, Natursteinverkleidungen und Stahl sind die vorherrschenden Materialen. Martin Umscheid wünscht sich Cortenstahl, der eine natürliche Rostschicht bildet, ohne weiter zu korrodieren. „Eine historisierende Wiederherstellung des alten Gebäudes bringt nichts.“ Außerdem wäre diese Rekonstruktion mit Kosten von über vier Millionen Euro die mit Abstand teuerste Variante.

Rund 1,5 Millionen Euro soll der vorliegende Entwurf kosten, der in der jüngsten Sitzung auch die Zustimmung des Röttinger Stadtrats fand. Auch die zuständigen Stellen an der Regierung von Unterfranken und der Generalkonservator des Landesamts für Denkpflege seien begeistert von der gelungenen Verbindung zwischen historischer Substanz und moderner Architektur gewesen, so der Bürgermeister.

Ihm gaben die Stadträte nun den Auftrag mit auf den Weg, Zuschussmöglichkeiten zu erörtern und eine Finanzierungsplanung aufzustellen. Große Hoffnung setzt die Stadt dabei in die staatliche Städtebauförderung, die verschiedene Sanierungsprojekte in Röttingen in den vergangenen Jahren bereits mit mehreren Millionen Euro unterstützt hat.

Auch von verschiedenen Stiftungen und anderen öffentlichen Förderstellen erhofft sich Umscheid finanzielle Beihilfe. Bis die Finanzierung steht, werde allerdings noch einige Zeit vergehen. Frühestens 2016, so Umscheid, kann mit der Umsetzung begonnen werden.

Dabei trifft die Stadt auf ein weiteres Problem: Die Frankenfestspiele sollen von den Bauarbeiten nicht behindert werden. Es bleibt also nur ein Zeitfenster vom September bis ins folgende Frühjahr. Planer und Statiker hätten ihm aber versichert, dass dies kein Problem sei.

Burg Brattenstein

Der einstige Sitz der Herren von Hohenlohe wurde erstmals 1230 urkundlich erwähnt. 1345 ging die Burg in den Besitz des Hochstifts Würzburg über und wurde im 16. Jahrhundert Sitz des fürstbischöflichen Amtsmannes. Im 19. Jahrhundert diente die Burg als Rentamt. Der Westflügel der Burganlage mit Halbwalmdach und Fachwerkgiebel wurde im 17. und 19. Jahrhundert stark verändert, birgt aber noch immer Reste des historischen Kerns aus dem 13. Jahrhundert. Große Teile des Ostflügels stürzten am 2. November 1971 ein und wurden nicht wieder aufgebaut. BLFD

Historisch und modern: Eine neue Stützmauer aus Beton und Naturstein soll an die Stelle des vor über 40 Jahren eingestürzten Haupthauses der Röttinger Burg Brattenstein treten. Höhepunkt ist ein „Stadtbalkon“ aus Stahl.
Foto: Visualisierung: 3D Betrieb, Würzburg/Schlicht Lamprecht Architekten Schweinfurt | Historisch und modern: Eine neue Stützmauer aus Beton und Naturstein soll an die Stelle des vor über 40 Jahren eingestürzten Haupthauses der Röttinger Burg Brattenstein treten.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Röttingen
Gerhard Meißner
Architekturbüros
Burg Brattenstein
Martin Umscheid
Regierung von Unterfranken
Stahl
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top