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Kirchheim
Muschelkalk-Abbau: Modellprojekt soll für geordnete Verhältnisse in der Kirchheimer Flur sorgen
Der Muschelkalk-Abbau prägt die Kirchheimer Landschaft, im Hintergrund ist Moos zu sehen.
Foto: Christian Ammon | Der Muschelkalk-Abbau prägt die Kirchheimer Landschaft, im Hintergrund ist Moos zu sehen.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 08.01.2024 02:58 Uhr

Ebenso so rasch wie sie in die Höhe wachsen, verschwinden sie auch wieder: die Abraumhügel, die die Kirchheimer Landschaft prägen. Ein Modellprojekt zur kommunalen Landschaftsplanung, an dem sich Kirchheim als eine von nur sechs Gemeinden in Bayern beteiligt, hat ein einheitliches Nachnutzungskonzept zum Ziel, das stärker für geordnete Verhältnisse in der Flur sorgen, den Muschelkalkabbau, aber auch Landwirtschaft und Naturschutz zu ihren Rechten kommen lassen soll. In den letzten Jahren durchgeführte Probebohrungen des Landesamts für Umwelt haben neue abbauwürdige Vorkommen des begehrten Quaderkalks nachgewiesen. Einige der Flächen befinden sich im Gemeindewald. Auch deswegen ist ein verbindliches Konzept nötig.

Die Herausforderungen an eine Landschaftsplanung liegen in Kirchheim offen zu Tage: Die Fragmentierung der Landschaft durch den Steinbruch-Abbau ist weit fortgeschritten, von der Kulturlandschaft früherer Zeiten nicht viel übrig. "Ich war selber überrascht, in welchem Ausmaß das hier stattfindet und wie die Landschaft schon jetzt verändert ist", sagt Bernd Nothelfer vom Bayerischen Landesamt für Umwelt, der das vom Freistaat geförderte Kirchheimer Projekt verantwortet. Steinbrüche, Halden und landwirtschaftlich genutzte Flächen wechseln sich zum Teil auf engstem Raum ab. Besonders dort, wo schon in früheren Zeiten Gestein gebrochen wurde, haben sich oft hochwertige Biotope entwickelt, meist in aufgelassenen Steinbrüchen oder überwachsenen Schutthalden.

Muschelkalk-Abbau: Modellprojekt soll für geordnete Verhältnisse in der Kirchheimer Flur sorgen

Das Projekt stellte der Landschaftsplaner erstmals Ende des vergangenen Jahres genauer im Kirchheimer Rat vor. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt: Die wichtigsten Vorarbeiten, die Erfassung der Eigentumsverhältnisse, Vorgespräche mit den Fachbehörden des Landratsamts und vor allem die Gespräche mit dem entscheidenden Akteur, den Steinbruch-Unternehmen, waren geführt: "Die mussten erst überzeugt werden, ich glaube, das haben wir jetzt geschafft", so Nothelfer. Geplant ist nun, eine Kooperationsgemeinschaft der Abbauunternehmen zu gründen. Noch 2024 könnten die Planungen zu einem Abschluss kommen und im Anschluss in einen rechtlich verbindlichen Landschafts- beziehungsweise Flächennutzungsplan einfließen.

Die Genehmigungsauflagen für den Steinabbau schreiben derzeit eine Folgenutzung vor, bei der die Fläche nach dem Abbau je zu Hälfte für die Landwirtschaft sowie als Biotop zu nutzen ist. Das Ergebnis ist, so Nothelfer, eine "Verinselung", eine kleinteilige Zersplitterung der Landschaft. Noch bis 1960 war zudem überhaupt keine Genehmigung nötig. Auch danach spielten Abbaudauer und Folgenutzung keine Rolle. Eine Genehmigung, wie sie heute vom Landratsamt verlangt wird, sei noch gar nicht so lange üblich. Eine Sonderregelung gibt es für den früheren Steinbruch der Firma Haaf, der sich auf offener Fläche zwischen den beiden Ortsteilen Gaubüttelbrunn und Kirchheim befindet, und seit längerem für das Recyceln von Bauschutt genutzt wird. Hierfür hat der Gemeinderat in gleicher Sitzung einen Aufstellungsbeschluss für den separaten Bebauungsplan "Sondergebiet Steinwerk- und Recyclingbetrieb Haaf" gefasst.

Der frühere Steinbruch Scheuermann wurde vom Unternehmen bereits zum Biotop umgestaltet.
Foto: Christian Ammon | Der frühere Steinbruch Scheuermann wurde vom Unternehmen bereits zum Biotop umgestaltet.

Das Nachnutzungskonzept wird derzeit erarbeitet. Ziel sei es nicht, so Nothelfer, das frühere Landschaftsbild wiederherzustellen, sondern "ein schönes durchgehendes Landschaftsbild" zu schaffen. Grundlage ist die amtliche Biotopkartierung, die um weitere, verbesserungswürdige Flächen ergänzt und zum Biotopverbund ausgebaut wird. Für bestimmte Lebensraumtypen gibt es nach der Bayerischen Kompensationsverordnung von 2014 festgelegte Wertpunkte. Ein Wertpunkt entspricht derzeit etwa drei Euro. Ökologisch besonders hochwertige Flächen erhalten demnach eine höhere Punktzahl. 

Nach der Vorstellung des Konzeptentwurfs im Rat – geplant ist der Frühsommer - soll eine sogenannte "PAG" entstehen, eine Projektarbeitsgruppe, über die die Verbände der Bauern und des Naturschutzes eingebunden sind. Wer genau im PAG vertreten ist, entscheidet die Gemeinde, so Nothelfer. Am Ende des Verfahrens steht die Übernahme des Nachnutzungskonzepts in den Flächennutzungsplan. Die Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgt bewusst erst in der zweiten Hälfte des Projekts. Ansonsten drohe das Vorhaben zerredet zu werden, hieß es in der Sitzung. Im Gemeinderat betonte Jürgen Renner, SPD, dass die Planungshoheit dennoch weiterhin bei der Gemeinde liegen müsse: "Es darf nicht so sein, dass der Rat die Ergebnisse nur noch abzusegnen hat". Christian Stück und Antje Boyks sehen die Gefahr, dass die Bürger nicht ausreichend in der PAG berücksichtigt sind.

Steinhaufen aus Muschelkalk werten ein Biotop auf.
Foto: Christian Ammon | Steinhaufen aus Muschelkalk werten ein Biotop auf.
 
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