
Blut läuft ihm an der Stirn herunter, der Kopf ist gesenkt, aber sein Blick erhebt sich gleichzeitig leidend und hoffnungsvoll nach oben. Jesus mit der Dornenkrone -aus Gips. "Das ist ganz naturgetreu gemacht, ganz fein", sagt Norbert Schaller aus Oberdürrbach, in dessen Restaurierungswerkstatt die Büste steht. "Gesichter, das muss passen", meint er. Augen seien besonders anspruchsvoll zu gestalten. Das Augenlid des Jesus' hat eine zartrosa Farbe, seine Pupillen glänzen blaugrün, ein kleiner weißlicher Punkt in der Nähe der Pupille, das Augenlicht, sorgt für Brillanz. Das Augenlicht ist wichtig, erklärt Schaller, "sonst lebt es nicht".

Schaller ist gelernter Kunstschreiner. In seiner Werkstatt restauriert er Antiquitäten, hauptsächlich Möbel, sagt er, aber seine Werkstatt ist ein Wunderland voller alter Gegenstände. Weiße Pferdchen für Kinder zum Aufsitzen und Ziehen, Nußknacker, Elefanten aus Holz, unzählige alte Metallschlüssel an großen Bünden hängend, hölzerne Jadgtrophäen: Reh- und Gemsenköpfchen mit Geweihen. Festgemacht an einem Holzbalken ist eine mächtige goldene Pendeluhr, verziert mit metallischen Blumen. Weil die Uhr zu schnell läuft, muss nun das Pendel verlängert werden. Es sind die unterschiedlichsten Gegenstände, die Schaller in seiner Werkstatt repariert und restauriert. Schaller macht die daraus entstehende Abwechslung Spaß: "Das ist ja das Spannende an so einem Beruf, diese Vielfältigkeit."
Auf die richtigen Farben kommt es an

Auf seiner Werkbank liegt in einem ausgebreiteten Werkzeugmäppchen säuberlich eingeordnet Schnitzwerkzeug. Die Gipsfiguren werden damit bearbeitet. Auch Schleifpapier kommt manchmal zum Einsatz. Die abgebrochene Nase eines wehmütig auf ein Kruzifix dreinblickenden Heiligen im Mönchsgewand möchte Schaller wieder herstellen. Zunächst hat er die Nase im Mönchsgesicht grob mit Gips modelliert. Danach wird er mit einem Schnitzmesser die Feinarbeit machen. Beim anschließenden Bemalen sei es wichtig, die Hautfarbe genau zu treffen. Der Jesus mit der Dornenkrone habe beispielsweise einen olivfarbenen Gesichtston, seine Wangen seien wiederrum leicht gerötet, beschreibt Schaller. Er besitzt ein Kästchen mit vielen kleinen Schubladen, in denen pulverförmige Farben eingefüllt sind. Es sind Erdfarben aus Mineralien, die sich nicht mischen, aber abtönen lassen.

Seit ungefähr zehn Jahren restauriert der Kunstschreiner Gipsfiguren, die traditionell entweder in Kirchen und Hausaltären stehen oder bei Prozessionen mitgeführt werden. Besonders in Franken sind Gipsfiguren auch oft im Freien an Häuserwänden oder unter Überdachungen zu sehen. "Gipsfiguren sind hochwertige Volkskunst, die gehört erhalten", erklärt Schaller seine Motivation.
Jeder Gegenstand hat seine Geschichte
Beim Restaurieren der Figuren wurde auch Schallers wissenschaftliche Neugier geweckt, gerne würde er mehr über die Kontexte erfahren, in denen die Arbeiten entstanden sind. Ein paar Ideen hat er schon: Der Jesus mit der Dornenkrone gehöre mit einer anderen Halbbüste zusammen, einer weinenden Madonna. Sie trägt eine Signatur: C. Zunbush F. München 1854. Beide Büsten kommen aus derselben Fabrik in München und sind in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, da ist sich Schaller sicher. Das sehe man am Sockel. Das für die hohlen Gipsfiguren relativ schwere Gewicht der Büsten verweist darauf, das hier ein hochwertiger und damit härterer Gips verwendet wurde. Die Ausführung der plastischen Gestaltung und die Bemalung seien von sehr guter Qualität. Ein Spezialist müsse die Büsten geschaffen haben.

Ganz wie neu sieht eine Figur nach Schallers Restaurierung nicht aus. "Es soll nicht alles perfekt sein", sagt er. Strahlend weiße Ölfarbe etwa würde nicht zu den Figuren passen. Vielmehr haben seine Arbeiten, wie übrigens auch schon im Neuzustand, eine sogenannte Patina. Das heißt, dass künstlich Altersspuren aufgebracht wurden, etwa Schatten und leichte Verschmutzungen. Oft entstehen kleine Risse oder Sprünge im Gips, die Krakelees genannt werden. Auch diese würde er nicht überdecken, erklärt Schaller. Jeder Gegenstand habe eine eigene Geschichte. Und Schaller macht es besonders Spaß, bei der Restaurierung in diese Geschichte einzutauchen. Es ist also auch in dieser Hinsicht Fingespitzengefühl gefragt: "Die Gegenstände haben ihren eigenen Charme und diesen Charme muss ich bewahren", sagt er.