Sie rennen schier endlose Strecken, quälen sich in Parcours Hügel rauf und runter, durchqueren Schlammlöcher, geruchsintensive Wasserhindernisse, steigen über Holzbalken, tauchen, schwimmen und balancieren auf Drahtseilen oder kriechen durch Röhren. Das alles für eine Medaille? Nein, erklärt der Günterslebener Michael Kilian, der gerade am „Tough Guy“ in Wolverhampton (England) teilgenommen hat: „Es macht einfach Spaß! Du bekommst den Kopf frei! Du kommst an deine Grenzen. . .“ gibt er zu – und auch: „Man muss ein bisschen verrückt sein!“.
Was für den Mann mit der Unterschenkelprothese wohl alles besonders zutrifft. Doch: „Aufgeben gibt's nicht – ankommen ist das Ziel.“ Ankommen – das bedeutete viereinhalb Stunden durchhalten, sich gegenseitig Mut machen und dann am Ziel einlaufen.
7000 Läufer
Rund 7000 Läufer von überall her waren nach Wolverhampton gekommen, um den Extrem-Hindernislauf zu bewältigen. Dass es nicht einfach wird, zeigte sich bei einer Begehung vor dem Start. Eine längere Laufstrecke, Lauf-Slaloms an teils steilen Hügeln, neue Hindernisse und vor allem viel Wasser und viele Matschlöcher.
Matsch und Wasser waren es auch, die Michael Kilian oftmals an seine Grenzen brachten. Die Unterschenkelprothese machte erhebliche Probleme und die Belastung für das Knie wurde enorm. „Ich musste viel über das gesunde Bein abwickeln,“ erklärt Michael Kilian und das bedeutet für ihn mindestens 20 Prozent mehr Kraftaufwand. Diesmal kam nicht nur er, sondern auch seine Beinprothese an die Leistungsgrenze.
Durch knöcheltiefen Schlamm
Wichtig ist für ihn deshalb Mitläufer an seiner Seite zu haben die ihn unterstützen, auch mal anschieben, wenn's im Schlammloch nicht weiter geht – oder einfach nach ihm schauen. Wer den Günterslebener beim Tough Guy gesehen hat kann nur Hochachtung haben. Er quälte sich durch den knöcheltiefen Schlamm, stieg über die Hindernisse und watete durch tiefes Wasser.
„Es ist wie Nordic Walking“, sagt Michael Kilian. Schnelles Laufen oder Losrennen, wie bei den anderen ist nicht möglich. Aber als Letzter durchs Ziel? Nein, das war in Wolverhampton nicht der Fall. „Wir haben uns durchgekämpft, die Zähne zusammen gebissen, den Schmerz verdrängt,“ sagt der 46-Jährige, der Winzer ist und Fahrdienstleiter bei der Deutschen Bahn.
Nach einem Verkehrsunfall, bei dem er angefahren wurde, musste 2003 sein rechtes Bein bis zum Unterschenkel abgenommen werden. „Nicht aufgeben,“ das war für Michael Kilian immer das Motto und so spielte er weiter bei den Münnerstädter Hornussern mit und entschied damals am Braveheart in Münnerstadt teilzunehmen.
Beim ersten Mal war sein Prothesenbauer mit dabei, dann lernte er den Günterslebener Alfred Grein kennen. Seitdem trainieren die beiden zusammen, waren viermal beim Braveheart und im vergangenen Jahr erstmals beim Tough Guy dabei, „der Mutter der Hindernisläufe“, wie Michael Kilian selbst sagt.
Respekt und Komplimente
Pro Woche ist er mindestens zweimal unterwegs, bei der Vorbereitung auf einen Lauf absolviert er mit Alfred Grein oft bis zu zwölf Kilometer. Dass man auf ihn und seine Unterschenkelprothese aufmerksam wird, ist für ihn kein Problem. Im Gegenteil: Immer wieder bekommt er lobende Wort, die Mitläufer beim Tough Guy oder Braveheart sind perplex. Komplimente wie „Respekt! Mutig! Ganz toll!“ muntern ihn auf. „Das macht Mut und auch ein bisschen stolz“ sagt Michael Kilian. Und er verrät: „Wenn man dann nach einen extrem Hindernislauf erschöpft ins Ziel läuft und die Medaille bekommt, hat man am ganzen Körper eine Gänsehaut und das unbeschreibliche Gefühl, etwas geschafft zu haben, was nur durch Training und ein bisschen Verrücktheit zu schaffen ist.“