Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein Thema, das viele angeht. Angehen müsste. Denn nicht immer sind helfende Erwachsene gleich zur Stelle, wenn Kinder gequält, gedemütigt, körperlich und seelisch verletzt werden. Wenn Kinder in größter Not niemanden haben, dem sie sich anvertrauen können, niemanden haben, der sie beschützt, dann kann Missbrauch ein ganzes Leben zerstören.
Vor allem dann, wenn die Übergriffe von Menschen kommen, die man doch eigentlich am liebsten hat. Vom Onkel. Vom Opa. Vom großen Cousin. Vom Freund der Eltern. Womöglich vom Papa. Und ganz schlimm, aber gar nicht so selten, wie man glaubt: Von der eigenen Mama.
„Wir haben deshalb dieses Thema ganz bewusst für den Würzburger Kinderschutztag ausgewählt“, sagen die Vertreter der Berufsgruppe gegen sexuelle Gewalt, die an diesem Samstag, 8. Oktober, von 11 Uhr bis 16 Uhr mit Infoständen und einem Programm für Kinder in der Innenstadt, Ecke Kürschnerhof, wieder direkt aufklären wollen. Und die am Montag, 24. Oktober, im Programmkino Central in Würzburg den Film „Härte“ von Rosa von Praunheim zeigen. Ein Film, indem es um genau das geht, was so unfassbar scheint: den sexuellen Missbrauch eines Jungen durch seine eigene Mutter.
Es ist die wahre und dunkle Geschichte von Andreas Marquardt aus Berlin. Brutaler Zuhälter. Karate-Champion. Gefängnis-Insasse. Heute ein liebevoller Ehemann, der sich um benachteiligte Kinder kümmert. Marquardts Kindheit und Jugend wird in dem Film so schonungslos erzählt, wie sie war. Vom Vater brutal misshandelt. Von der Mutter sieben Jahre lang zum Sex gezwungen und später immer wieder zum Geschlechtsverkehr verführt. Der Film „Härte“ ist ab 16 freigegeben und startet um 18.30 Uhr. Andreas Marquardt wird nach dem Film Fragen aus dem Publikum beantworten, persönlich Einblick in sein bewegtes Leben geben.
Ein Leben, das durch den Missbrauch schon zerstört war. Ein Leben, das lange geprägt war von eigner Brutalität. Ein Leben, das durch eine Therapie und vor allem durch die unzerstörbare, langjährige Liebe einer Frau, seiner Ehefrau, gut werden konnte. Spät, aber nicht zu spät.
Um sexuellen Missbrauch und seine Folgen zu erkennen, braucht es Aufklärung. Bei Erwachsenen wie Kindern gleichermaßen. „Kinder haben ein gutes Gespür dafür, wann ihnen eine Berührung unangenehm ist. Unsere Aufgabe ist es, ihnen zu sagen, dass ihre Gefühle wichtig und richtig sind. Dass sie jederzeit Nein sagen dürfen, auch wenn der Erwachsene dann enttäuscht oder beleidigt ist“, sind sich die Vertreter der Würzburger Berufsgruppe gegen sexuelle Gewalt einig.
Und Eltern müssen lernen zu erkennen, wann ihrem Kind etwas wirklich unangenehm ist. Wo die Grenze liegt, die von niemandem überschritten werden darf. Körperwahrnehmung kann man auch trainieren. Insofern ist ein entsprechender Aufklärungsunterricht in Kindergärten und Schulen, die Mitarbeit von Lehrerinnen und Lehrern auch so wichtig in diesem weiten Feld an kleinen und großen Überschreitungen der Grenzen von Kindern und Jugendlichen.
„Auch darüber zu sprechen, dass es gute und schlechte Geheimnisse gibt, ist wichtig“, so Elisabeth Kirchner von Wildwasser, eines der 16 Mitglieder der Berufsgruppe. So sei ein versteckter Schatz im Gebüsch ein gutes Geheimnis. Aber die unangenehmen Berührungen eines Erwachsenen ein schlechtes Geheminis, das man auf keinen Fall für sich behalten muss. Viele Täter drohen den Kindern auch mit schlimmen Dingen, die passieren würden, wenn sie ihr Schwiegen brechen. „Dann stirbt deine Mama“, gehört da auch dazu.
Die Angst der Eltern um ihre Kinder konzentriere sich zudem noch viel zu oft auf den unbekannten Mann im schwarzen Auto, der das Kind vor der Schule abfangen wolle. Das lenke ab von den vielen tatsächlichen Fällen, die tagtäglich innerhalb der Familie, des Freundes- und Bekanntenkreises passierten. Aufmerksamkeit und Wachsamkeit – und vor allem Offenheit gegenüber dem Kind seien wichtig. „Zuhören, erklären, Glauben schenken.“
Doch wenn die sexuelle Gewalt von denen ausgeht, die die Kinder beschützen sollten, den eigenen Eltern, dann ist Hilfe und Wachsamkeit von außen gefragt. Und so soll der 7. Würzburger Kinderschutztag unter Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Christian Schuchardt alle ansprechen, denen das Wohl von Kindern am Herzen liegt.
Aktionen zum Kinderschutztag: Am Samstag, 8. Oktober, ab 11 Uhr Infostände und Programm für Kinder in der Würzburger Innenstadt, Ecke Kürschnerhof. – Montag, 24. Oktober, um 18.30 Uhr im Programmkino Central: „Härte“ mit anschließender Diskussion.