Rotes Licht. Roter Wein. Verwirrte Sinne. Plötzlich glänzt der Rotling blau im Glas und schmeckt ganz anders als er soll. Nämlich gar nicht gut. Dann wird der Raum in grünes Licht getaucht. Der blaue Rotling wird roséfarbener und schmeckt plötzlich ziemlich lecker. Und der Weißwein schimmert wieder golden oder orange. Die Sinne scheinen wieder zu funktionieren. Aber auch nur kurz. Dann wird das Licht himmelsblau und noch einmal verändert der Wein Geschmack und Aussehen.
Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner ist verwirrt. Eigentlich soll er das Glas mit dem Rotling ganz nach rechts stellen. Unter normalem Licht ist das einfach. Aber bei Rotlicht ist der Rotling nicht zu erkennen. Nicht einmal am Geschmack. Wie bei Hütchenspielern auf der Straße schiebt der CSU-Minister seine drei Weingläser hin und her. Anfangs ist der Rotling links, dann in der Mitte, später schließlich am rechten, am richtigen Platz.
Peter Winter, Vorsitzender des Haushaltsausschuss im Bayerischen Landtag, schummelt. Heimlich packt er sein Smartphone aus, schaltet die Taschenlampe ein und leuchtet ins Glas. Im weißen Lichtkegel ist es kein Problem, den Rotling zu erkennen. Schnell stellt er das Glas ganz nach rechts und guckt so, als ob nichts gewesen war.
Neben Brunner sitzt Frankens Weinkönigin Silena Werner. Auch sie ist verwirrt. Ihre Geschmacksnerven, bei Weinverköstigungen eigentlich stets störungssichere Gefährten, lassen sie heute im Stich.
Woran liegt das? Die Farbe eines Getränks beeinflusst den Geschmack. Wissenschaftler haben das herausgefunden. Deshalb ist das neue Sensorik-Zentrum in der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim auch in einem Weiß gehalten und spartanisch eingerichtet, um störende Einflüsse zu vermeiden. 24 Plätze gibt es. Sie sind durch eine Wand getrennt. Jeder Tisch ist gleich ausgestattet – mit Tablet und einem kleinen Waschbecken. Fast ein bisschen wie beim Zahnarzt.
Ein Geschmackslabor nicht nur für Wein
Aussehen, Geschmack und Duft sind im Lebensmittelbereich das Kaufkriterium schlecht hin. „Ein Lebensmittel das nicht schmeckt, wird auch nicht gekauft“, bringt es Brunner auf den Punkt. Daher werden im Sensorik-Zentrum der Landesanstalt nicht nur Wein und Brände bei wechselndem Lichte betrachtet, auch Honig, Obst, Gemüse und Käse unterliegen einer sinnlichen Prüfung. Sommeliers werden hier ausgebildet. Und auch für Winzer ist die Sensorik von großer Bedeutung. Denn mittlerweile gehört Riechen und Schmecken zur Ausbildung, Sensorik ist sogar Prüfungsfach. „Wir können nur so gute Weine machen, weil wir sie auch riechen und schmecken können“, sagt Frankens Weinbaupräsident Artur Steinmann bei der Eröffnung des Sensorik-Zentrums am Freitag.
Mehr als 600 000 Euro hat der Freistaat in den Neubau des Sensorik-Zentrums investiert. Es kommt Winzern und Brennern, aber auch Technikern für Weinbau und Oenologie, die an der Landesanstalt in Veitshöchheim eine Aus- und Weiterbildung machen, zugute. Aber auch Bier-, Gewürz-, Brot-, Obst- und Gemüsesommeliers können die Einrichtung mit der wechselnden LED–Beleuchtung nutzen.
Am Morgen die Weinlese offiziell eröffnet
Als Brunner das Rednerpult wieder verlässt, lässt er dort ein Häufchen Erde zurück. „Minister bringen immer etwas mit“, scherzt er. Tatsächlich stammt der getrocknete Schlamm aus den Steillagen des Stettener Steins. Dort hat Brunner zusammen mit der fränkischen Weinkönigin Silena Werner und Landtagspräsidentin Barbara Stamm am frühen Morgen die Weinlese eröffnet. Für Brunner, der aus Niederbayern kommt, sind die fränkischen Winzer an ihren Steillagen die „Bergbauern des bayerischen Nordens“. Dabei erwähnte er besonders die Unterstützung seines Ministeriums für den Weinanbau in den Steillagen.
Mittlerweile ist der Raum wieder blau beleuchtet. Vor den geladenen Gästen stehen zwei Geruchsproben. Limette, Orange, Zitrone soll es sein, behaupten sie. Limette ist richtig. Beim zweiten ist es schon einfacher. Zimt erkennt der Minister sofort. Dann wirds schwerer. Er soll die Limette mit dem Zimt vermengen, gut durchschwenken und am Gemenge riechen. Brunner ist ratlos. Irgendwie erinnert der Duft an eine schöne Caipirinha, meinen andere. „Es riecht nach Glühwein“, behauptet die Weinkönigin.
Oder ist es doch etwas anderes? Ist es. „Sie riechen Colafläschchen“, sagt Michael Zänglein, Sachgebietsleiter Oenologie und Kellertechnik an der LWG. Auf Colafläschchen ist keiner gekommen.
Wie wird der Jahrgang 2017 schmecken?
Und nach Colafläschchen wird er auch nicht schmecken, der Frankenwein, Jahrgang 2017. Artur Steinmann ist überzeugt, dass es trotz der Wetterkapriolen ein guter Jahrgang wird. Erträgen zwischen 80 bis 85 Hektolitern pro Hektar werden erwartet – und das bei einer ausgezeichneten Qualität, die dem „Wein das Potenzial mitgibt, ganz oben in der Qualitätsliga mitzuspielen“, sagte Minister Brunner bei der Eröffnung der Weinlese in Stetten. Wie er dann riechen und schmecken wird, das wird der Winzernachwuchs dann im nächsten Jahr im Sensorik-Zentrum feststellen, bei blauem, rotem und grünem Licht.