Dieses Bild ist selten: Gut 160 Feuerwehrleute in ihrer schönsten Dienstkleidung sitzen am Donnerstagabend in der Günterslebener Festhalle beisammen, um aus ihrer Mitte den obersten Feuerwehrmann für den Landkreis Würzburg zu wählen. Spannung liegt in der Luft, denn erst wenige Minuten vor Beginn der Dienstversammlung hatte sich ein Kandidat gefunden. Doch bevor er sich offiziell erklären konnte, stand für ihn erst einmal ein wichtiges Telefonat an.
Eine Viertelstunde vor Beginn der wichtigsten Feuerwehrversammlung stehen Kreisbrandrat Heinz Geißler, Landrat Eberhard Nuß und der mögliche Kandidat Michael Reitzenstein beisammen. Auch wenn nicht zu verstehen ist, worüber die Drei gerade reden, spricht die Szene für sich: Nuß redet, Geißler auch und Reitzenstein überlegt. Sein Gesichtsausdruck ist angespannt. Das Gespräch dauert etwa zehn Minuten. Dann borgt sich Reitzenstein Geißlers Telefon und geht vor die Tür.
Eine Stunde später ist er der frisch gewählte Kreisbrandrat und verrät, dass er sich kurz entschlossen für die Kandidatur entschieden habe – und das musste er natürlich erst mit seiner Frau am Telefon abklären.
Michael Reitzenstein kommt aus Rimpar, ist 55 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern. Seit 32 Jahren ist er aktiv in der Feuerwehr. Vom Jugendwart bis hin zum Kreisbrandinspektor für den Bereich Nordost – seit 2012 – hat Reitzenstein sämtliche Führungspositionen inne gehabt. Und auch beruflich ist Reitzenstein der Feuerwehr verbunden. Erst als Lehrer, später wurde er als Sachgebietsleiter bayernweit für die Lehrmittel zuständig.
Reitzensteins Name und der eines ein weiteren Mitarbeiters der Feuerwehrschule waren im Vorfeld der Wahl in Feuerwehrkreisen immer wieder genannt worden. Doch sicher war sich keiner.
Denn die Aufgaben für den ehrenamtlichen Kreisbrandrat sind so umfassend, dass er mindestens drei Tage in der Woche freigestellt werden muss.
Und noch immer ist nicht klar, ob die Staatliche Feuerwehrschule Reitzenstein freistellen wird. Erste Anfragen des Landratsamtes habe es im November gegeben – und sie seien beim Dienststellenleiter nicht gerade auf positive Resonanz gestoßen, verrät Landrat Nuß. Deswegen betont er auch, dass staatlichen Dienstellen seiner Meinung nach eine ganz besondere Verantwortung zukomme, wenn sich Bedienstete aus ihren Bereichen um dieses wichtige Amt bewerben. „Noch dazu, wenn der Bewerber von der Feuerwehrschule kommt, gehe ich davon aus, dass die Freistellung kommt“, so Nuß.
Michael Reitzenstein macht denn auch seinen Amtsantritt davon abhängig, ob er diese Freistellung für mindestens drei Tage in der Woche bekommt. Am Freitagmorgen hat er darüber mit seinem Chef gesprochen.
Leiter der Staatlichen Feuerwehrschule ist Roland Demke. „Es freut mich, dass ein Mitarbeiter der Feuerwehrschule in dieses Amt gewählt wurde“, sagt er auf Nachfrage der Main-Post. Es habe ihn überrascht, denn bis gestern habe er überhaupt nicht gewusst, dass Michael Reitzenstein dies anstrebe, sagt Demke.
Er will nun prüfen, wie man die Bedürfnisse der Feuerwehrschule und des Landkreises unter einen Hut bringen kann. Eine Freistellung – und damit verbunden auch eine Fortzahlung des Gehalts – müsse das Innenministerium prüfen, sagt Demke. Diesem ist die Feuerwehrschule als nachgeordnete Behörde direkt unterstellt. „Von meiner Seite ist der Wille da, das positiv zu regeln.“ Sollte es nichts aus der Freistellung werden, will sich Landrat Nuß dafür stark machen.
Reitzenstein wird am 16. April um 24 Uhr sein Amt antreten. Heinz Geißler, der am 25. Juni 1995 in Böttigheim bei einer Kreisfeuerwehrtagung zum Kreisbrandrat gewählt wurde, feiert am 17. April seinen 63. Geburtstag – und muss damit seine aktive Dienstzeit als Feuerwehrmann beenden. So will es das Gesetz.
Stabsüberabe ist am Kreisfeuerwehrtag. In dessen Rahmen sollen auch Geißlers Verdienste gewürdigt werden. Bis zu seinem Ruhestand wird Geißler weiterhin im Landratsamt Würzburg beschäftigt sein. Derzeit arbeitet er im Fachbereich für Sicherheit und Ordnung.
Reitzenstein ist noch immer unsicher, ob er sich richtig entschieden hat. Kurz nach der Wahl flüstert er: „Hoffentlich habe ich keinen Fehler gemacht.“ 99 Feuerwehrleute haben ihre Stimme abgeben. Davon sind 92 gültig, 64 haben Michael Reitzenstein gewählt.
Und kaum steht fest, wer für die nächsten sechs Jahre der oberste Feuerwehrmann im Landkreis Würzburg ist, kommen schon die ersten Kommandanten und sprechen mit ihren Glückwünschen auch den Wunsch nach einem neuen Feuerwehrauto aus. „Ich werde mich bemühen“, antwortet Reitzenstein noch ganz geplättet.
Oberster Feuerwehrmann
Große Verantwortung hat der Kreisbrandrat im Landkreis Würzburg. Er ist zuständig für 113 Freiwillige Feuerwehren mit 5800 Feuerwehrleuten. Zu seinen Aufgaben gehören die Übernahme der Einsatzleitung bei größeren Einsätzen, die Alarmplanung und die Koordination der Ausbildung in Zusammenarbeit mit den Feuerwehrschulen. Kreisbrandrat ist ein staatliches Ehrenamt. Der Landkreis bezahlt eine Aufwandsentschädigung. Es wird eine Aufgabenentlastung diskutiert. Der Landesfeuerwehrverband kritisiert, dass das Amt nicht mehr ehrenamtlich auszuführen sei. tf
Die Aufwandsentschädigung steht auch in keinem Verhältnis zur Verantwortung. Hier ist der Gesetzgeber gefordert eine klare Regelung zu schaffen und dieses Amt hauptamtlich zu machen. Den neuen Rat wünsche ich eine glückliche Hand und ein dickes Fell. Den Wünschen von 113 Feuerwehren immer gerecht zu werden ist nun halt nicht immer möglich.