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Messerattacke: So arbeitet die Redaktion in Ausnahmesituationen
Für Journalisten ist der Messerangriff eine Herausforderung: Die Reporter müssen über furchtbares Leid berichten und sich dabei permanent selbst überprüfen.
Main-Post-Reporter Thomas Fritz (Dritter von links) am Freitagabend bei der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mit Innenminister Joachim Herrmann.
Foto: Silvia Gralla | Main-Post-Reporter Thomas Fritz (Dritter von links) am Freitagabend bei der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mit Innenminister Joachim Herrmann.
Ivo Knahn
Ivo Knahn
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:13 Uhr

Wir waren auf dem Weg in ins Wochenende, als uns am Freitag um 17.22 Uhr die Nachricht erreicht, dass es einen "Amoklauf" in Würzburg gibt. Innerhalb von Minuten finden sich Reporter, Blattmacherin, Fotograf, Grafikerin, Digitalmanagerin und Chefredaktion in einem digitalen Raum zusammen. Die ersten Kollegen fahren zum Barbarossaplatz. Wir sehen Videos und Bilder in den Sozialen Medien. Für uns ist das noch keine sichere Quelle, eine Falschmeldung wäre jetzt fatal. Wir legen um 17:30 Uhr einen Liveblog an, in dem wir bis heute aktuelle Meldungen tickern.

Die erste Meldung, die wir per Pushnachricht auf die Handys unserer Leserinnen und Leser schicken lautet um 17.49 Uhr: "Würzburger Innenstadt meiden! Großeinsatz in Würzburg nach Gewalttat". Mittlerweile ist klar, dass wir eine lange Nacht und ein intensives Wochenende vor uns haben. Das Team ist sensibilisiert und kennt die Regeln: Wir zeigen keine Bilder oder Videos vom Täter, weil wir ihm diese Art der Aufmerksamkeit nicht geben werden und weil es Nachahmer motivieren kann. Wir berichten Opferzahlen und andere Fakten nur, wenn wir sicher wissen, dass die Informationen stimmen. Es gelten unsere journalistischen Leitlinien, wir lassen uns nicht treiben von der Informationsflut.

An diesem Freitag gibt die Pressestelle der Polizei bis in den späten Abend hinein keine Auskunft. Als wir die Informationen zu den Opfern aus drei unterschiedlichen, inoffiziellen polizeiinternen Quellen erfahren, veröffentlichen wir. Zu unseren eigenen Aufgaben kommen Anfragen anderer Medienhäuser. BILD möchte Fotos von uns. Machen wir nicht. Das ZDF möchte einen Reporter von uns in fünf Minuten in die Live-Schalte nehmen. Machen wir.

Was die Reporter erfahren und beschreiben müssen, ist furchtbar

Irgendwann kommt die offizielle Information, dass der Täter einen kleinen Junge schwer verletzt hat und seinen Vater oder seine Mutter (das ist noch unklar) getötet hat. Am Samstag korrigiert sich die Polizei: Es war kein kleiner Junge, sondern ein elfjähriges Mädchen, das verletzt wurde. Seine Mutter ist umgebracht worden. Was wir erfahren und beschreiben müssen, ist furchtbar. Doch das Team funktioniert und ist bis Mitternacht im Einsatz. Eine Kollegin sagt: "Erst als ich ins Bett bin, ist mir klar geworden, was da passiert ist."

Die meisten von uns schlafen schlecht. Um 8 Uhr am Samstag geht es weiter. Die Lage ist jetzt übersichtlicher. Wir haben Zeit, unsere Berichterstattung zu reflektieren: Sind wir genau? Treffen wir den angemessenen Ton? Stellen und beantworten wir die richtigen Fragen? Mit der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft bringt der Samstag viel traurige Gewissheit. Es ist bei so einer Tat absolut ungewöhnlich, dass es nach 24 Stunden schon eine so klare Lage gibt. Inhaltlich hilft das der Redaktion, emotional macht es kaum einen Unterschied.   

Warum wir ab sofort vom "Täter" schreiben

Am Sonntagmorgen beginnt die Planung für die Printausgabe am Montag. Die Chefredaktion entscheidet nach intensiver Diskussion, dass wir ab sofort vom "Täter" schreiben, nicht mehr vom "mutmaßlichen Täter". Mit dem Wort "mutmaßlich" wird eine Vorverurteilung ausgeschlossen. Denn in Deutschland gelten Verdächtige vor dem Gesetz so lange als unschuldig, bis ihre Schuld bewiesen ist. Der Pressekodex, dem sich unsere Redaktion verpflichtet hat, kennt aber Ausnahmen: "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat."

Für Mittwoch planen wir einen Podcast, in dem wir ausführlich über die Arbeit der Redaktion in Folge der Messerattacke informieren werden. Schreiben Sie mir, was Sie interessiert. Auch über kritische Rückmeldung zu unserer bisherigen Arbeit freue ich mich: ivo.knahn@mainpost.de

 
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    Völlig unnötige Schilderung der beruflichen Belastung und seelischen Befindlichkeit redaktioneller Mitarbeiter. Habe ich in dieser Form noch nie in einer anderen Zeitung - auch nicht in der Main-Post - gelesen. Journalistisch unprofessionell und auch etwas wichtigtuerisch, angesichts dieses schrecklichen Ereignisses die Rolle des eigenen Mediums so ins Licht zu rücken. Der vorauseilende Erklärungseifer für verschiedene Formen der Nicht-Berichterstattung rundet das Bild ab.
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  • A. F.
    Ich finde es sehr gut, dass die Main-Post, die in dieser trauriger Situation einen bisher sehr guten Job gemacht hat, unterscheidet, wem sie unterstützt und wem nicht.

    Nur wird es sich dennoch nicht vermeiden lassen, dass es ein gewisses Presseklientel trotzdem an Bilder etc. heran kommt und diese veröffentlicht, um Geld damit zu verdienen.

    Aber wenigstens, und das ist dass Gute, muss die Main-Post sich nicht diese Sensationsgier vorwerfen lassen.
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  • M. D.
    Vielen Dank für Ihren berechtigten Hinweis. Ich gebe ihn an direkt an die verantwortliche Redaktion weiter.
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  • F. K.
    Ich habe die Berichterstattung der Main-Post über den Amoklauf bislang sehr sachlich und angemessen erlebt. Vielen Dank allen Redakteuren etc. für ihre gute Arbeit!
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  • C. L.
    Sehr gut reflektiert.
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  • M. D.
    ...."Wir zeigen keine Bilder oder Videos vom Täter, weil wir ihm diese Art der Aufmerksamkeit nicht geben werden und weil es Nachahmer motivieren kann."....

    Sie dürfen davon ausgehen, dass das letzte was diese Art Täter motiviert oder antreibt die Art der Berichterstattung ist! Ein völlig absurder Gedanke.

    Was "Nachahmer" angeht: bei der FLUT der (zum Teil auch peinlichen) Berichterstattung ist es vermutlich völlig egal, ob der Täter selbst in irgendeiner Weise "gezeigt" wird! Mehr Reaktion geht kaum.
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  • F. H.
    Die im Artikel gezeigte selbstreferentielle Lamoryanz ist angesichts des durch den Täter verursachten Leids unerträglich. Ich möchte nicht wissen, wie es den Angehörigen der (Todes-)Opfer und den Opfern selbst derzeit ergeht. Auch die Rettungs- und Einsatzkräfte, die schreckliche Bilder zu verarbeiten haben, sind sicherlich anderen Belastungen als die Reporter der Mainpost ausgesetzt. Der Artikelflut nach zu urteilen, scheint die MP eher das journalistische Eisen zu schmieden, solange es noch heiß ist. Jetzt hat man ja abseits von Corona und Fußball-EM ein Thema, das auf sehr großes Interesse stößt, und sich deswegen gut verkaufen läßt.
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