War es Pfusch oder gar Vorsatz? Bei der Sanierung der Mergentheimer Straße in Kirchheim geht nichts mehr voran. Eine Kamerabefahrung der neu verlegten Kanalrohre hat ergeben, dass 13 von 21 Hausanschlüssen fehlerhaft oder überhaupt nicht verlegt sind. Im Kirchheimer Gemeinderat haben nun alle Beteiligten gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Wie diese aussehen könnte, soll schon bald in einer Sondersitzung festgelegt werden. Ursprünglich war geplant, dass der Verkehr auf der über zwei Millionen Euro teuren Staatsstraße noch im September wieder fließt.
Bei der Sitzung waren insgesamt sechs Firmenvertreter anwesend. Es war ihnen anzusehen, dass sie sich in ihrer Rolle nicht sonderlich wohlfühlten. Warum, wurde rasch klar: Selbst einem Laien fällt es nicht sonderlich schwer, zu erkennen, dass zumindest bei zwei Hausanschlüssen nicht fachgerecht gearbeitet wurde. An einem Wohnhaus ragt ein orangenes und mit Bauschaum befestigtes Plastikrohr aus dem neu gepflasterten Gehweg. Das Stück wurde auf ein altes Regenrohr aufgesetzt, das wiederum mit Hilfe stark korrodierter Metallstreben auf dem alten Steingutkanal aufgesetzt ist. Auch sind einige Übergänge der Hausanschlüsse in den Hauptkanal falsch verbunden. Hier gibt es freiliegende Bewehrungseisen, die zu Abplatzungen an den neuen Betonrohren führen könnten.
Dass Fehler vorliegen, ist denn auch unstrittig. "Wir bringen das in Ordnung und führen die Arbeiten so aus, wie sie besprochen waren", ließen Geschäftsführer Andreas Konrad von der Firma Konrad Bau ebenso wie Prokurist Robert Himmel denn auch keinen Zweifel daran, dass sich das Bauunternehmen in der Pflicht sieht.
Wie konnte es dazu kommen? Diese Frage lasse sich im Nachgang nicht mehr ganz aufklären, stellte Bürgermeister Björn Jungbauer fest. Im Auftrag sind die Hausanschlüsse aufgeführt. Auch gibt es einen entsprechenden Beschluss des Gemeinderats. Allerdings hat es wohl bei der Bauausführung weitere Gespräche gegeben, über die kein Protokoll geführt wurde. Dabei soll es, so Andreas Konrad, zu einem "Missverständnis" gekommen sein. Auch habe man den "Ehrgeiz" gehabt, "schnell vorwärts zu kommen". Die Straße sollte auch nach dem Wunsch der Gemeinde noch vor dem Herbst fertig sein. Dass die Fehler vorsätzlich geschehen seien, weist Konrad ausdrücklich von sich: Dies wäre ohnehin spätestens bei der Kamerabefahrung aufgefallen.
Tatsächlich hat auch das kontrollierende Ingenieurbüro IBU aus Tauberbischofsheim erst hierbei die Mängel entdeckt. "Wir können gar nicht alles selber sehen", erläuterte Thomas Scheidler. Dafür sei beim Bauen im Bestand der Baufortschritt zu schnell. Die Kanalstücke seien nur etwa vier Stunden einzusehen, bevor sie wieder aufgefüllt werden. So sei es möglich gewesen, dass "der ein oder andere Hausanschluss" nicht in Augenschein habe genommen werden können. Auch gehe aus dem Bautagebuch nicht hervor, dass von den Plänen abgewichen wurde.
Besonders heikel beim Kanalbau ist, dass auch bei einer Staatsstraße - anders als für die Straßendecke - die Gebührenzahler, also die Kirchheimer Bürger, für die Kanalkosten unmittelbar aufkommen müssen. "Wir zahlen im nächsten Jahr mehr Kanalgebühren, weil die Mergentheimer Straße angeblich neu gemacht worden ist", stellte SPD-Rat Robert Dürr stellvertretend für viele fest. In nüchternem Tonfall, in der Sache aber klar. "Und nun stellt sich heraus, dem war nicht so und die alten Rohre sind immer noch drin." Der unmittelbare Schaden hält sich zwar in Grenzen. Nur die fehlerhaften Hausanschlüsse genommen, geht es um etwa 11 000 Euro. Um sie auszutauschen, muss jedoch die Straße nochmals geöffnet werden. Damit wird der geschotterte Untergrund gestört. Die Gefahr, dass es später zu Senkungen kommt, ist real.
Auf welche Weise die Mängel behoben werden könnten, ist noch unklar. Eine Entscheidung soll in einer Sondersitzung des Gemeinderats getroffen werden. Die Hausanschlüsse auszutauschen, birgt die Gefahr, dass dann zwar die Straßendecke neu wirkt, im Untergrund aber Probleme entstehen. Eine Robotersanierung entfällt vermutlich. Da es nur einen Zugang zu den schmalen Rohren gibt, ist sie technisch nur schwer möglich. Das Bauunternehmen hat angeboten, eine Gewährleistung von zehn Jahren für die alten Steingutrohre zu übernehmen.
Was geschieht dann? "Jede Lösung hat gewisse Risiken", fasste Bürgermeister Björn Jungbauer die Diskussion zusammen. Er lobte den "partnerschaftlichen und lösungsorientierten Umgang" der Beteiligten, stellt aber auch fest: "Wir haben viel in die Straße investiert, in der Straße liegen dennoch falsche Leitungen."