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WÜRZBURG
Meinungsfreiheit: Die Angst vor der rechten Ecke
Stop Political Correctness       -  Stopschild 'Political Correctness'
Foto: (89281417) | Stopschild "Political Correctness"
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:51 Uhr

Kürzlich auf einer Flüchtlingsveranstaltung in Würzburg. Die Diskussion des Publikums mit den Podiumsteilnehmern kommt nicht richtig in Gang. Nur wenige Besucher melden sich zu Wort. Erst als die Mikrofone ausgeschaltet sind und sich spontan kleine Gesprächsgruppen bilden, wird es munter im Saal. Warum erst jetzt? „Ich wollte mich öffentlich nicht äußern. Denn man wird ja gleich in die rechte Ecke gestellt, wenn man auch mal was Kritisches über Flüchtlinge sagt“, begründet ein Zuhörer seine Zurückhaltung. Ein Satz, der so oder ähnlich auch von anderen Anwesenden zu hören ist.

Dazu passt das Ergebnis einer Allensbach-Umfrage aus dem Herbst vergangenen Jahres. Das Meinungsforschungsinstitut hat geprüft, wieweit die Bürger Hemmungen haben, ihre Meinung offen zu sagen, ob sie den Eindruck haben, man müsse in Deutschland aufpassen, wenn man sich zur Flüchtlingsfrage äußert. „Und da hatten wir 45 Prozent der gesamten Bevölkerung, die sagten, man muss vorsichtig sein“, erläutert die Institutsleiterin Renate Köcher. Eine Antwort, die man sonst nur in Diktaturen bekomme. „Und das sind ganz normale Bürger, die teilweise SPD-affin sind, teilweise Grün-affin, teilweise CDU-affin. Die auch mit großer Mehrheit nicht ausländerfeindlich sind.“

Hat Jörg Baberowski, Professor für Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität, etwa recht, wenn er behauptet: „In Deutschland werden abweichende Meinungen nicht mehr toleriert. Wir leben in einer Meinungsdiktatur.“ Schuld an dieser Entwicklung soll nach Ansicht der Kritiker vor allem die sogenannte politische Korrektheit (auch Political Correctness genannt) sein.

Laut „Neue Züricher Zeitung“ lähme sie die liberale Gesellschaft. Der Duden beschreibt die erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts aus den USA nach Deutschland geschwappte Bewegung wie folgt: „Einstellung, die alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird.“ In der Annahme, dass Sprache, Denken und Handeln in enger Verbindung zueinander stehen, landeten zahlreiche Wörter auf dem Sprachmüll. Alternativ wurden Ausdrücke vorgeschlagen, die feinfühliger und nicht verletzend seien. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Doch es gibt viele Unsicherheiten und Fallstricke – und reichlich Unsinn.

Vom Toilettenmann zum Facilitymanager

Dass „Nigger“ beleidigend ist, wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln. Ebenso „Neger“. Deshalb galt lange Zeit „Schwarzer“ als korrekte Bezeichnung. Darauf folgte „Farbiger“. Mittlerweile sollte in den Vereinigten Staaten jemand mit dunkler Hautfarbe als Afro-Amerikaner bezeichnet werden, um ihn nicht zu diskriminieren. Warum allerdings Afro-Amerikaner politisch unproblematischer sein soll als Schwarzer oder Farbiger, erschließt sich nicht auf Anhieb. Fraglich ist auch, ob einer Putzfrau wirklich damit gedient ist, sie als Raumpflegerin schönzureden – oder einem Toilettenmann, wenn man ihn verbal zum Facilitymanager aufwertet.

Bizarr mutet auch der aktuelle „Bathroom-Krieg“ in den USA an. Er dreht sich vor allem um die Frage: Auf welche Toilette dürfen Transgender gehen? Der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit fragt verwundert: „Wie soll man die Türen kennzeichnen, ohne Gruppen oder Einzelne zu diskriminieren, wenn Plattformen wie Facebook mehr als 50 Möglichkeiten anbieten, das eigene Geschlecht zu bezeichnen?“ Um dem wirklich gerecht zu werden, müsse jede Gemeinde in allen öffentlichen Gebäuden mehr als 50 Toiletten bauen. „Gebäude, in denen Geschlechtergerechtigkeit herrscht, bestünden demnächst künftig nur aus Klos. Soll das eine Lösung sein?“

Wohl genauso wenig wie die beschönigende Bezeichnung für Kinder, deren Verhalten unangemessen und nicht „normal“ ist. Früher galten sie als „schwer erziehbare Kinder“. Später erhielten sie zunächst das Etikett „verhaltensgestört“, danach „verhaltensauffällig“. Mittlerweile werden sie bevorzugt als „verhaltensoriginell“ eingestuft. Aus der einst negativen Klassifizierung ist somit im Laufe der Jahre ein positiver Begriff geworden – bei unverändertem Krankheitsbild.

Beispiele wie diese sind Wasser auf die Mühlen von Kritikern. Sie halten den Verfechtern der politischen Korrektheit vor, dass neue Wörter die soziale Wirklichkeit nicht veränderten. Sexismus, Rassismus oder andere Formen der Diskriminierung könnten so nicht überwunden werden. Im Gegenteil: Unter dem Deckmantel freundlich klingender Benennungen könnten gesellschaftliche Missstände sogar noch verharmlost und sozialen Ungerechtigkeiten und Vorurteilen der Weg geebnet werden.

„Kritik soll konstruktiv und logisch nachvollziehbar geäußert werden."

Der aus Slowenien stammende Philosoph Slavoj Žižek warnt deshalb vor der Gefahr, mit politischer Korrektheit in einer „Euphemismus-Tretmühle“ zu landen, „in der jeder Begriff durch den folgenden seinerseits unter Diskriminierungsverdacht gestellt und entwertet werden kann“. Für ihn ist politische Korrektheit „dort gefährlich, wo sie angewendet wird, um Kritik unmöglich zu machen“. Diskussion müsse in funktionierenden demokratischen Systemen möglich sein, auch wenn sie manchmal wehtue. „Kritik soll konstruktiv und logisch nachvollziehbar geäußert werden. Empathie zeigen heißt nicht, alles gutzuheißen, aber andere Meinungen und Urteile verstehen zu wollen.“

Wer das beherzigt, wird in fast jeder Diskussion bestehen können – sofern er sich auf dem Fundament der Meinungsfreiheit bewegt. Grundsätzlich kann in unserem Land jeder sagen, was er denkt. Mit wenigen Ausnahmen. Man darf beispielsweise jemand anderen nicht einfach beleidigen. Der Schutz seiner Ehre ist in so einem Fall oft höherwertiger als die Meinungsfreiheit. Ferner ist es verboten, den Holocaust zu leugnen und den Nationalsozialismus zu verherrlichen. Schließlich muss jeder mit einer Strafe rechnen, der zu Straftaten aufruft.

So viel steht fest: Politisch korrekte Sprache ist ein vermintes Feld. Denn „der Grat zwischen verantwortungsvollem Sprachgebrauch und unsinnigen, intoleranten Formulierungen ist schmal“, wie Iris Forster von der TU Braunschweig feststellt. Ihr Ratschlag für alle, die sich empathisch, aber in der Sache unmissverständlich zu Wort melden wollen: „Prinzipiell sollten wir unsere Sprachverwendung überprüfen und dort, wo wir mit Sprache Menschen verletzen können, alternative Formen wählen.“

Dieser Text wurde am am 26. August geändert und im 5. Absatz die Ergänzung "in den vereinigten Staaten" eingefügt.

 
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Kommentare
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  • schwabayer
    Ist das Ernst oder Satire, wenn Automaten Lesermeinungen zensieren? Bei Gesprächen mit Amerikanern ist der Begriff "coloured", also Farbiger durchaus üblich und wird oft verwendet. Barack Obama ist übrigens einer davon, mit weißer Mutter und schwarzem Vater.
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  • st.bb@t-online.de
    genau dies zeigt die Erbärmlichkeit, dass Ihre vollautomatische Zensur das Wort ......... pulverisiert, welches heute durch den Begriff Vollpigmentierter ersetzt wurde. Können Sie mir erklären was aus diesem Begriff ......... eine Beleidigung macht oder orientieren Sie sich halt eben auch nur am deutschen Presserat?
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  • st.bb@t-online.de
    er zeigt besonders uns Deutschen unser mangelhaftes Selbstbewusstsein auf. Wir haben in so vielen Dingen nicht den Mut uns klar zu positionieren, sei es in der Wortwahl oder eben auch in Verhaltensweisen. Früher war ein*******ein******* und dies war nie rassistisch gemeint oder gedacht. Ein Negerkuss war ein Mohrenkopf und kein Mensch hat sich etwas schlimmes dabei gedacht. Irgendwann hat Jemand gesagt dass*******ein Schimpfwort sei und wir haben dies wortlos angenommen. In der Vollverschleierungsdebatte muss man seine Wortwahl äußerst penibel wählen, da sonst die Rechtslastigkeit droht. Ist es immer noch die Holocaustkeule die über uns schwebt, dass wir nicht den Mut haben die Dinge beim Namen zu nennen, ohne deshalb als "Rechter" bezeichnet zu werden?! Dialog und Meinung muss auch in schwierigen Themen möglich sein, ohne dafür in eine Schublade gesteckt zu werden. Rechts- und Linksextremisten wird es immer geben, man kann sie aber auch ungewollt stark machen.
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  • jochen.schoen79@web.de
    Sehr guter Kommentar. Ihrer Darstellung des Sachverhaltes kann ich voll zustimmen. Leider wird uns die Unterdrückung unserer Meinungsfreiheit bereits in den Schulen gelehrt. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde es durchaus wichtig und richtig über die schlimmen Fehler der Vergangenheit in unserm Land zu berichten und insbesondere junge Menschen aufzuklären.....aber irgendwann ist dann auch mal gut. P.S. Bin ich jetzt schon wieder in der rechten Ecke ?
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  • st.bb@t-online.de
    na ja, nicht wenige "Korrekte" in diesem Land fordern schon die "ewige Schuld" ein. Und wenn Sie eine Kanzlerin und einen Bundespräsidenten haben, die ihrem Volk immer wieder den erhobenen Zeigefinger zeigen, damit der Rest der Welt sieht, dass wir auf Kurs sind, ist es für ein Volk schwierig sich zu befreien. Die Schuld des Dritten Reiches ist mit Nichts wieder gut zu machen und die größte Verantwortung heute besteht darin, unsere Kinder und Enkel so zu erziehen, dass so etwas nie wieder geschieht.
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  • schuema@web.de
    fehlt mir in diesem Beitrag auch eine selbstkritische Betrachtung der Main-Post. Die Medien im Allgemeinen spielen doch bei diesem Euphemismus Spiel an vorderster Front(ist das jetzt schon rechts, dieser Ausdruck;-)). Man könnte ja zum Beispiel noch häufiger die Herkunft von Straftätern nennen. Durch Verschweigen macht man die Situation nicht besser...
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  • traumfrau
    Die Einteilung ist doch ganz einfach: Alle, die nicht der Meinung von CDU-CSU-SPD-Grüne-FDP-Linke sind, werden automatisch in die rechte Ecke gestellt. Die Kanzlerin hat mal kurz Kraft eigener Herrlichkeit bzw. "humanitärem Imperativ" sowohl EU- Recht (Dublin III), als auch Grundgesetz (Art. 16a) und Asylgesetz (§ 26a) außer Kraft gesetzt.

    Politker beschimpfen alle, die anderer Meinung als sie selbst sind mit drastischen Ausdrücken. - Wer will schon gerne zu den so unflätig Beschimpften gehören... also hält man besser seinen Mund bzw. mit seiner Meinung hinter den Berg.
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  • mausschanze
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  • Amiga-Freak
    Aus dem Artikel:

    "Mittlerweile sollte jemand mit dunkler Hautfarbe als Afro-Amerikaner bezeichnet werden, um ihn nicht zu diskriminieren."

    Ich glaube da muß ein Mißverständnis vorliegen - ich kann mir nicht vorstellen daß das irgendjemand fordert - selbst der politisch korrekteste Mitmensch nicht.

    Oder kann mir jemand plausibel machen warum ich z.B. einen dunkelhäutigen Nigerianer als "Amerikaner" bezeichnen soll?
    Warum sollte ich einen gebürtigen Afrikaner, der in seinem Leben nie Amerika betreten hat, als "Amerikaner" bezeichnen ?
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    entscheidet bei der MP mittlerweile über den Wert von Meinungen. Da ist es dann auch wurscht wo ein Mensch her kommt und wie menschenwertlich er ist und überhaupt.
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  • Michael_Reinhard
    Die Bezeichnung Afro-Amerikaner bezieht sich natürlich nur auf dunkelhäutige Amerikaner. Das wird aus dem Text leider nicht deutlich. Danke für den Hinweis.
    Herzliche Grüße
    Michael Reinhard
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  • High_Noon
    Das Posting verstößt gegen unsere AGB und wurde daher gesperrt.
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Warum darf ich im Kommentar nicht*******schreiben wenn es die MP doch auch tut?
    Dass bei mir kein Rassismus vorliegt dürfte doch auch lesbar sein. Oder?
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  • FabienneMetzger
    Wörter dieser Art werden vom System automatisch gefiltert und in den Kommentaren verborgen. Daran können/wollen wir aktuell auch nichts ändern - wir hoffen dabei auf Ihr Verständnis! Wenn wir einen rassistischen Inhalt in Ihrem Kommentar vermuten würden, hätten wir diesen gar nicht freigeschalten.
    Herzliche Grüße,
    Fabienne Hobner - Main Post Digitale Medien
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    ist damit aber unverständlich geworden.
    Verstehen Sie das?
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  • FabienneMetzger
    kann leider nicht ohne Filter veröffentlicht werden - das tut mir leid, aber aktuell kann ich da nicht mehr für Sie tun, außer das Thema gerne noch einmal intern zu besprechen. Bis dahin muss Ihr Kommentar leider so stehen bleiben.
    Herzliche Grüße
    Fabienne Hobner - Main Post Digitale Medien
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  • st.bb@t-online.de
    Sie haben den Beitrag ohnehin nicht verstanden, von daher ist es egal, ob Ihr Beitrag zensiert wurde oder nicht. Unverständlich wäre er so oder so gewesen. Dieser übrigens äußerst interessante Beitrag von Herrn Reinhard wäre eine Chance gewesen sich selbst zu erkennen. Aber damit sind Sie leider heillos überfordert. Darum weiterhin, alles was nicht Ihre Meinung ist, bleibt "RECHTS".
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Keineswegs, ich hau da verbal drauf wann immer es nötig ist.
    Was ich allerdings nicht verstehe ist, dass Worte wie*******no go sind. Nur weil es ähnlich klingt wie das beleidigend gemeinte********
    Abgesehen davon, ein Mensch wird von mir nicht nach seiner Farbe sondern nach seiner Menschlichkeit beurteilt. Beurteilen tue ich aber schon recht streng!
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