
Sie trifft vorwiegend ältere Menschen, aber gerade unter Stress und Belastung kann die Gürtelrose ("Herpes zoster") auch Jüngere erwischen: Die Krankheit, verursacht durch den Erreger der Windpocken, kann in dem befallenen Nervensegment zu dauerhaften Schmerzen führen. Seit 2018 gibt es eine Impfung gegen Gürtelrose, die in der klinischen Entwicklung am Klinikum Würzburg Mitte von Prof. Tino Schwarz getestet worden ist. Wie der Chefarzt des Labors und Impfzentrums die Krankheit einschätzt und was man tun sollte.
Um welche Art Krankheit handelt es sich bei der Gürtelrose?
Die Gürtelrose ist eine Virusinfektion. Dabei wird das Windpockenvirus, das seit der Erkrankung als Kind in den Nervenzellen "schläft", reaktiviert – es fängt wieder an, sich zu vermehren. Gürtelrose ist keine Nervenerkrankung per se. Allerdings wird das Nervengewebe, in dem das Virus sitzt, geschädigt.
Was genau hat die Gürtelrose mit Windpocken zu tun?
Es handelt sich um dasselbe Virus wie bei den Windpocken im Kindesalter. Mediziner Tino Schwarz weiß aus Studien: Jeder Dritte, der als Kind die Windpocken hatte, entwickelt im Laufe seines Lebens eine Gürtelrose. Und die Infektionsquote bei den hochansteckenden Windpocken liege in Deutschland nahe bei 100 Prozent.
Wer ist von der Erkrankung betroffen?
An Gürtelrose erkranken beide Geschlechter, Frauen sind etwas häufiger betroffen. Der Grund dafür ist laut Schwarz noch nicht klar. Ab einem Alter von 50 Jahren nimmt die Gefahr einer Erkrankung deutlich zu "und steigt dann ab 70 nochmal massiv an". Altersbedingte Begleiterkrankungen wie Atemwegs-, Herz-Kreislauf-, Autoimmunerkrankungen, Diabetes, Depression oder eine Krebserkrankung tragen dazu bei, das Windpocken-Virus zu reaktivieren.
Allerdings kann Gürtelrose auch Jüngere treffen. Bei ihnen sei Stress ein starker Faktor. Jüngere Patienten hätten in der Regel zwar mildere Verläufe als Ältere, "aber die Erkrankung zeigt, dass diese Menschen irgendein Problem haben." Die Ursachen könnten oft psychischer Natur sein, wie zum Beispiel Stress im Beruf oder in der Familie.
Sind die Fallzahlen in den letzten Jahren gestiegen?
Nach Beobachtung von Tino Schwarz erkranken heute deutlich mehr Menschen an Gürtelrose als noch vor einigen Jahren. Er führt das nicht zuletzt auf die Corona-Pandemie zurück. Unter einer Covid-Infektion komme es häufiger zu einer Gürtelrose, dies hätten weltweite Erhebungen gezeigt, "der Zusammenhang ist eindeutig".

Das Robert-Koch-Institut geht derzeit von jährlich mehr als 300.000 Erkrankungen aus. Basis für diese Zahl sind Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen aus der ambulanten Versorgung.
Welche Rolle spielt das Immunsystem bei der Entwicklung einer Gürtelrose?
Das in den Nervenzellen sitzende Virus wird normalerweise durch das intakte Immunsystem reguliert. Bei negativen Veränderungen wie zum Beispiel Stress oder einer anderen Erkrankung ist die Vermehrung des Windpockenvirus plötzlich nicht mehr blockiert und die Gürtelrose kann ausbrechen. Und im Alter wird das Immunsystem generell schwächer.
An welchen Symptomen kann ich eine Gürtelrose erkennen?
Betroffen ist eines der Nervensegmente irgendwo am Körper – das kann etwa im Gesicht, im Hals-, Brust-, Lenden- oder Beckenbereich sein. Es bilden sich dann Bläschen, die in ihrer Ausbreitung an eine Gürtelform erinnern und der Krankheit ihren Namen geben. Sie sind sehr schmerzhaft. Laut Schwarz ist für manche Patientinnen der Schmerz bei einer Gürtelrose stärker als bei Wehen.
Zu 99 Prozent der Fälle tritt die Gürtelrose einseitig am Körper auf und betrifft hier eines der verschiedenen Nervensegmente. Die schwersten Verläufe betreffen das Trigeminus-1-Segment von der Stirn bis zur Nasenspitze, weil neben chronischen Kopfschmerzen auch eine Beeinträchtigung der Augenhornhaut oder sogar eine Erblindung droht.
Ist die Gürtelrose ansteckend?
Grundsätzlich ja – allerdings nur für Menschen, die noch keine Windpocken hatten. Dies betrifft nach Einschätzung von Mediziner Schwarz in Deutschland Kleinkinder bis zum 10. oder 12. Lebensmonat, bevor sie dann gegen Windpocken geimpft werden. Großeltern mit einer Gürtelrose könnten somit ein ungeimpftes halbjähriges Kind anstecken – es bekomme dann Windpocken.
Wie kann man sich vor Gürtelrose schützen?
Schwarz verweist auf einen "sehr guten, hochwirksamen Impfstoff", der seit 2018 von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen werde. In Studien hatte er eine Wirksamkeit von 97 Prozent, der Impfschutz soll mindestens 20 Jahre halten. Aus US-Registerdaten auf Basis tatsächlicher Fälle ergebe sich eine Wirksamkeit von 85 Prozent bei allen Patienten, unabhängig von ihren Vorerkrankungen.
Wer sollte sich impfen lassen?
Die Stiko empfiehlt die Gürtelrose-Impfung für Menschen ab 60 Jahren, bei Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen auch ab 50. Andere Länder setzen zehn Jahre früher an – das würde auch Schwarz befürworten. Die Impfung sei gut verträglich, in ihren Nebenwirkungen eher milder als beispielsweise die Impfung gegen das Covid-19-Virus. Auch würden Nebenwirkungen nur ein bis zwei Tage anhalten.
Geimpft wird zweimal im Abstand von zwei bis sechs Monaten, die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Rund 30 Prozent der Über-60-Jährigen sind laut Schwarz geimpft, "die Impfmoral könnte besser sein." Leider werde die Impfung auch nicht von allen Hausärzten empfohlen, "das kann ich nicht verstehen."
Kann eine Gürtelrose dauerhafte Folgen haben?
10 bis 30 Prozent der Gürtelrose-Patienten – vor allem ältere – leiden Schwarz zufolge dauerhaft unter einer so genannten Post-Zoster-Neuralgie. Das sind Nervenschmerzen, die zeitlebens nicht mehr verschwinden und die Lebensqualität beeinträchtigen. Schwarz: "Die Schmerzen sind chronisch und nicht behandelbar." Es gebe Maßnahmen der Schmerztherapie, aber der Nervenschaden sei nicht mehr zu beheben. Auch deshalb rät er so dringend zu einer Impfung.