Lachen schallt aus dem Waldgebiet „Alter Acker“ oberhalb von Wiesthal. Hackgeräusche, das Schnarren von Sägen und das Knipsen von Drahtscheren machen schnell klar, dass hier auch gearbeitet wird – trotzdem ist die Stimmung gut. Oder gerade deswegen?
Auf etwa einem halben Hektar Spessartwald bei Wiesthal waren jüngst rund 50 freiwillige Helfer des Bergwaldprojekts im Einsatz. An einem der Vormittage waren 13 Ehrenamtliche damit beschäftigt, die Fläche mit einem Metallzaun zu umgeben. Unterstützt wurden die Bergwaldhelfer von etwa ebensovielen Schülern des Friedrich-List-Gymnasiums in Gemünden. Auch Revierleiter Stefan Feller war an diesem Tag am Alten Acker. Nicht zur Kontrolle. „Das läuft schon alles ordentlich“, sagt Feller.
Die Aufgaben für das Bergwaldprojekt im Wiesthaler Gemeindewald sind klar: Kleine Weißtannen-Wildlinge in das von Fichten umgebene und unter anderem durch Borkenkäfer und Schneebruch geschädigte Gebiet pflanzen und die Fläche mit einem Zaun vor Verbiss durch Wildtiere schützen. Feller weiß die Arbeiten in „seinem“ Forstrevier in guten Händen bei Bergwald-Projektleiter Henning Rothe, der in seinem Hauptberuf ebenfalls Revierleiter ist – allerdings in Niederbayern.
Hier in Wiesthal organisiert Rothe die Arbeit und leitet die ehrenamtlichen Helfer an.
Seit zehn Jahren ist der Verein in verschiedenen Gemeindewäldern im Spessart in Zusammenarbeit mit dem Amt für Landwirtschaft und Forsten in Karlstadt tätig. Nach zwei Wochen Arbeit im Wiesthaler Wald zogen die ehrenamtlichen Waldarbeiter dann weiter nach Rothenfels und Hafenlohr. Stefan Feller hat selbst auch im Studium Ende der 80er-Jahre beim Bergwaldprojekt in der Schweiz als Freiwilliger mitgearbeitet.
Die kleine Schar der freiwilligen Helfer im Wiesthaler Wald war bunt gemischt. Von Anfang Zwanzig bis weit ins Rentenalter, Studenten, Beamte, pensionierte Lehrer, ehemalige Busfahrer oder Doktoren der medizinischen Grundlagenforschung aus Hamburg, Oberbayern, München, Aachen und der Schweiz. Viele Freiwillige sind Leute, die sonst den ganzen Tag Büroarbeit machen, erklärt Rothe. Für die sei es eine Abwechslung, „am Ende des Tages mal zu sehen, was man geschafft hat“. Die Teilnehmer im Wiesthaler Wald bestätigten das. „Ich sitze sonst nur am Schreibtisch, mache keinen Sport, bewege mich aber gern. Da ist das hier ideal“, sagte einer. „Man lernt interessante und sehr unterschiedliche Menschen kennen“, sagte ein anderer Helfer.
Ist das Bergwaldprojekt also eine Art Wellness-Urlaub für Schreibtischtäter? Für manche schon, sagt Henning Rothe. „Handwerker sind die wenigsten der freiwilligen Helfer“, lacht der Projektleiter. Aber nicht nur der körperliche Ausgleich lässt Menschen ihren Urlaub und ihre Freizeit opfern – manche sogar mehrere Wochen im Jahr. „Viele interessiert auch einfach das Thema Wald, Natur und Nachhaltigkeit“, erklärt Rothe.
Geld bekommen die Helfer keines für ihren Einsatz, müssen aber außer der Anfahrt nichts zahlen. Kost und Logis ist frei. „Es geht das Gerücht um, dass einige Teilnehmer nur wegen des guten Essens kommen“, lacht Rothe. Aber die „Kitchen of Love“, die „Küche der Liebe“, wie das Kochteam auf der Internetseite Bergwaldprojekts genannt wird, ist Rothe wichtig. „Die Leute arbeiten hart, ohne Geld dafür zu bekommen“, sagt der Projektleiter, „da muss wenigstens das Essen schmecken.“ Meist übernachtet die Bergwaldgruppe in der Nähe des Einsatzortes. Diesmal hatte das aber nicht funktioniert, die 13 Helfer und die Verantwortlichen wohnten in Seifriedsburg bei Gemünden, was täglich etwa eine dreiviertel Stunde Fahrt nach Wiesthal und zurück bedeutete.
„Es ist gar nicht so einfach, eine günstige Unterkunft für so viele Leute hier im Spessart zu bekommen“, sagt der Projektleiter.
Im Grunde nicht freiwillig, aber trotzdem mit Eifer dabei waren die Zwölftklässler aus Gemünden. Zu dem einen Tag Arbeitseinsatz für das Bergwaldprojekt in Wiesthal waren sie über das P-Seminar „Umweltethik“ gekommen, das Lehrer Andreas Raps am Friedrich-List-Gymnasium anbietet. In dem Seminar geht es um Themen wie Recycling oder Nachhaltigkeit. Die Schüler hatten schon den Förster in Gemünden oder das Forstamt in Karlstadt besucht, und nun arbeiteten sie einen Tag beim Bergwaldprojekt mit.
Es gibt viele Projekte des Bergwaldprojekts mit Schulen zusammen, sagt Martin Ladach. Der Pädagoge ist Ansprechpartner für die Schulprojekte. Das Bergwaldprojekt bietet Waldschulwochen an, aber auch die Mitarbeit an einem Tag, wie in diesem Fall. „Da kommen immer Anfragen, das Bergwaldprojekt zu besuche“, erzählt Ladach. Drei Wochen arbeiten die freiwilligen Helfer in jedem Jahr im Spessart, die Schulen würde das mittlerweile wissen und das schon einplanen.
Ein zwanzig Zentimeter tiefes Loch hacken, das kleine Bäumchen reinsetzen und fest mit Erde andrücken, und ein paar Meter entfernt beginnt das Spiel von vorne. Die angehenden Abiturienten aus Gemünden arbeiteten sich bis zum Nachmittag durch das Gebiet im Wiesthaler Wald.
Nicht jeder der Schüler hatte schon mal eine Hacke in der Hand gehabt, aber nach kurzer Zeit klappte es bei allen. Projektleiter Rothe war zur Mittagszeit zufrieden mit der Arbeit der Schüler. „Das haben sie gut gemacht, ich musste kaum einen Baum monieren.“ Auch die Schüler schienen Spaß an der Arbeit zu haben, spornten sich gegenseitig an und ein gewisser Stolz auf die Anpflanzung war ihnen anzumerken.
Die Schüler würden hier lernen, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, sagt Roth. „So jung die Schüler auch sind, sie werden kaum erleben, was aus dieser Anpflanzung mal werden wird und bedanken wird sich darum auch niemand bei ihnen.“
Die forstwirtschaftliche Arbeit, die durch das Bergwaldprojekt geleistet wird, sei sinnvoll und gut, erklärt Rothe, „aber damit retten wir nicht die Welt“. Wichtiger sei es, ein Bewusstsein zu schaffen für Natur, Umweltschutz und Ökologie, auch für deren Bedeutung für die nachfolgenden Generationen. Damit könne man eher die Welt retten.