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Würzburg
Mehr Aufmerksamkeit für Sprachentwicklungsstörungen
Logopädin Karolina Volk (22) bringt Arvid Cimbalista (8) in der Berufsfachschule für Logopädie in der Würzburger Innenstadt spielerisch bei,  Akkusativ und Dativ zu unterscheiden.
Foto: Patty Varasano | Logopädin Karolina Volk (22) bringt Arvid Cimbalista (8) in der Berufsfachschule für Logopädie in der Würzburger Innenstadt spielerisch bei,  Akkusativ und Dativ zu unterscheiden.
Carolin Funcke
 |  aktualisiert: 15.10.2021 02:35 Uhr

"Der Frosch springt in dem Topf", sagt Karolina Volk, Logopädin an der Würzburger Berufsfachschule für Logopädie. Ohne Zögern legt der achtjährige Arvid einen der vielen bunten Steine auf die Karte mit dem Frosch, was signalisieren soll, dass in diesem Satz ein Dativ verwendet wurde. "Das Spiel dient der Kontrastierung der Fälle Dativ und Akkusativ", so Volk – einer Sache, die Arvid aufgrund seiner Sprachentwicklungsstörung nicht so leichtfällt.

Arvids Mutter Julia Cimbalista ist selbst Lehrlogopädin und erkannte aus eigener Beobachtung bei Arvid Anzeichen für eine Sprachentwicklungsstörung. Bei dem, was Arvid konkret gesagt hat, gab es keine Auffälligkeiten, aber im Bereich der Grammatik hatte Cimbalista das Gefühl, dass er komplexere Strukturen nicht komplett verstehen würde. "Beim Kinderarzt war das vorher nie ein Thema", so Cimbalista. Untersuchungen dauern hier meist nicht länger als zehn Minuten und sind wenig individuell, sodass Sprachentwicklungsstörungen, die ab etwa drei Jahren diagnostiziert werden können, oft nicht sofort auffallen.

Grundsätzlich ist die Sprachentwicklungsstörung auch – anders als beispielsweise Lispeln oder Stottern – viel unbekannter, obwohl sie die häufigste Entwicklungsstörung bei Kindern ist. Fünf bis acht Prozent aller Kinder sind betroffen. "Das sind bei gleichmäßiger Verteilung ungefähr zwei Kinder pro Klasse", erklärt Kathrin Heeg, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik der Uni Würzburg. Betroffen sind meist nicht nur, wie in Arvids Fall, grammatikalische Störungen, sondern auch Probleme bei der Aussprache und ein kleinerer Wortschatz. Die Konsequenzen reichen aber bis ins Erwachsenenalter und können schlechtere Bildungschancen zur Folge haben und das Wohlbefinden einschränken.

Mit verschiedenen Aktionen versucht der Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik deshalb am kommenden Freitag, dem 4. Internationalen Tag für Sprachentwicklungsstörungen, die Aufmerksamkeit auf die häufigste Entwicklungsstörung zu richten. Geplant sind Online-Veranstaltungen sowie Aktionen der Studierenden in der Stadt. Die Aufmerksamkeit müsse in der gesamten Bandbreite der Gesellschaft erhöht werden, findet Cimbalista. Eltern werden oft mit dem Vorurteil konfrontiert, sie würden ihr Kind nicht ausreichend sprachlich fördern und zu wenig lesen. Da die Störung aber nicht auf den Input zurückzuführen ist, würde sie sich wünschen, dass die negative Behaftung verschwindet.

Besonders wichtig sei es allerdings, dass Sprachentwicklungsstörungen ein größeres Thema in der Bildung der Lehrerinnen und Lehrer sind, findet Heeg. In der Schule werden die meisten Lerninhalte sprachlich vermittelt, was eine große Hürde für Kinder mit Sprachentwicklungsstörung darstellt, die dann oft als lernschwach oder bockig wahrgenommen werden. Gerade in der pandemiebedingten Online-Schule sei es noch schwerer, Sprachentwicklungsstörungen zu erkennen, da die Kinder in digitalen Formaten deutlich weniger auffallen.

Auch Arvid hat seine Logopädin Karolina Volk diese Woche das erste Mal in Präsenz getroffen. Die bisherige Therapie konnte ausschließlich online erfolgen. "Wir haben viele Spiele gespielt, zum Beispiel Würfeln oder Memory", erzählt Arvid. Meistens sind diese Spiele mit Grammatikübungen verbunden. Arvids Lieblingsfach in der Schule ist trotzdem Mathe. Vor allem im Kopfrechnen ist der Viertklässler richtig gut. Durch die spielerischen Therapiestunden konnten aber schon einige Erfolge erzielt werden. Die Unterscheidung von Akkusativ und Dativ klappt auf jeden Fall auf Knopfdruck.

 
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