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Mathias Repiscus: „Ganz oben mitspielen!“
Er jagt Leute nicht ins Bockshorn – er holt sie. Am Dienstag erhält er den Kulturpreis der Stadt.
Das Gespräch führten Alice Natter und Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 09.12.2012 12:05 Uhr

Er stammt aus der Schweiz und schuf in der fränkischen Provinz eine Kabarettbühne auf – ja, sagen wir ruhig: Weltniveau. Ins Bockshorn kommen die Großen der Kleinkunstszene – und vielen von ihnen begleitet Mathias Repiscus von Beginn an. Jetzt wird der Regisseur und Bockshorn-Chef von der Stadt Würzburg mit dem Kulturpreis geehrt.

Herr Repiscus, wie wichtig ist Ihnen dieser Preis? Wie bedeutend ist er, wie schmeichelnd?

Mathias Repiscus: Das ist so wie in armen Familien, wo die Kinder wissen, sie können nichts erwarten zu Weihnachten. Und dann sind sie halt überrascht, wenn doch etwas unter dem Baum liegt.

Und Würzburg ist die arme Kulturstadt, das Bockshorn-Kind ist überrascht?

Repiscus: Nun ja, der Vergleich hinkt wie so oft. Aber ich habe das nicht erwartet, habe auch nie darüber nachgedacht. Ich bin von dem Brief des Oberbürgermeisters wirklich überrascht worden. Genauso, wie mich die Resonanz vieler Zuschauer und Freunde überrascht hat. Die einen sagten: Toll, das hast Du auch verdient. Und die anderen: Das war längst an der Zeit.

Und, was bedeutet Ihnen der Preis jetzt?

Repiscus: Ich denke, er ist eine gewisse Anerkennung meiner Arbeit von Seiten der Stadt. Ich gehe davon aus: nicht von allen Seiten. Manche können auch darauf verzichten.

Klingt, als ob Sie ein etwas zwiespältiges Verhältnis zur Stadt hätten.

Repiscus: Eigentlich nicht. Aber, nun ja . . . ich muss etwas ausholen. Vor etlichen Jahren, als noch Pia Beckmann an der Regierung war, habe ich mir erlaubt, in einem Vorwort des Bockshornprogramms eine kritische Betrachtung über die Verhältnismäßigkeit beispielsweise von Hafensommer zu Kabarettbühne zu schreiben. Wenn man so viel Nachwuchsarbeit macht wie wir, dann denkt man schon: Das kann nicht sein. Von jenem Artikel war Pia, die Glücklose, so angefressen, dass sie uns mit dem Justiziar drohte.

Das Bockshorn ist eine weitgehend unsubventionierte Bühne?

Repiscus: Wir fallen durch das Raster der Bezuschussung. Wir gehören angeblich zu den kommerziellen Theatern. Dafür sind wir unabhängig von der Stadt, das ist auch schön. Wir haben halt von Anfang an einen Fehler gemacht. Wir hätten sagen sollen: Wir kommen nach Würzburg, aber es kostet was. Aber eigentlich wollte ich gar nicht über Geld reden . . . Ich gehe auch nicht zu den Zusammenkünften des Dachverbands. Nötig wäre es eigentlich schon, wegen der Information und dem gegenseitigen Befruchten. Aber wissen Sie, da wird immer nur über Geld gesprochen. Nur! Mich ekelt das irgendwie an. Dafür mache ich den Laden nicht.

17 Jahre lang hatten Sie Kabarett in Sommerhausen gemacht. Wie kam's, dass Sie dem Ruf nach Würzburg gefolgt sind? Es gab damals ja viel Gerangel hier, die große ungelöste Frage war, wer in den geplanten Kulturspeicherkeller kommt.

Repiscus: Davon bekam ich nichts mit, über die Würzburger Szene wusste ich nicht Bescheid. Claudia Strobel, die Vorgängerin des Kulturreferenten, und Marlene Lauter vom Museum sind auf mich zugekommen: Es werde hier etwas gebaut, man bräuchte noch jemand, der das mit Leben füllt.

In Sommerhausen war es schnuckelig. Haben Sie lange überlegt?

Repiscus: Platz für 250 Zuschauer – das hat mir schon Eindruck gemacht. Denn die Künstler wie Urban Priol, an deren Erfolgsrad ich ja selber gedreht habe, zogen natürlich mehr als 100 Zuschauer an. Es war die Zeit, in der eine Veränderung gutgetan hat. Wenn ich an Richard Rogler, Georg Schramm, Hanns Dieter Hüsch oder andere denke – da basierte schon sehr viel auf Freundschaft, dass die noch nach Sommerhausen kamen.

Und da spielten sie dann vor 100 Leuten, statt wie üblich vor 500.

Repiscus: Natürlich spielten auch das Fachwissen und die Regiekompetenz eine gewisse Rolle. Es ist ja heute noch so, dass die Künstler, die ins Bockshorn kommen, von mir wissen wollen: Ist das Programm gut? Was ist nicht gut? Was sollte man verändern?

Das größte Manko der Bühne hier?

Repiscus: Das liegt im technischen Bereich. Am Anfang waren wir ja in die Planungen der Architekten eingebunden, aber dann wurde vieles nicht theatertauglich. Zum Beispiel: Es müssten zwei unterschiedliche Leitungsstränge für Ton und Licht laufen. Aber sie liegen so nah zusammen, dass wir oft Störungen haben. Und die Deckenbeleuchtung ist eine Katastrophe – das ist eine ähnliche Scharlatanerie wie draußen diese Lamellen.

Haben Sie den Sommerhäuser Keller je vermisst?

Repiscus: Nein, nein, unser Programm wäre da nicht mehr machbar. Da würde dritte Liga noch gehen. Aber ich wollte von Anfang an ganz oben mitspielen!

Machen Sie eigentlich ein Programm, das Sie mögen? Oder orientieren Sie sich am Publikum, am „Würzburger“ Geschmack?

Repiscus: Natürlich schaue ich, was passt – zu gut Deutsch – in meinen Kram? Was gefällt mir, was nicht? Da bin ich sicher relativ anspruchsvoll in der Auswahl. Es gibt aber zwei Kriterien: Der Jugend eine Chance zu geben, da bekommt man keine fertigen Künstler. Und ich bin immer wieder bereit, dem fränkischen Faktor Rechnung zu tragen. Bei Michl Müller weiß ich, die Leute mögen ihn einfach. Sie haben ihn gefressen! Also, wieso sollten wir ihn nicht machen? Abgesehen davon, dass er im Laufe der Jahre wirklich sehr viel besser geworden ist.

Aber sonst ist Ihnen der „fränkische Faktor“ eher suspekt?

Repiscus: Ich habe immer international gedacht. Nichts gegen die Würzburger Szene. Ich überlasse das gerne denen, die das machen können und auch den Spaß daran haben, Würzburg durch den Kakao zu ziehen. Das muss ja auch sein.

Ein Wort zum Würzburger Publikum? Älter, oder?

Repiscus: Kabarettpublikum ist einfach nie sehr jung. Eigentlich: Leider! Ich finde, dass die Studentenschaft da sehr viel mehr daran teilhaben müsste. Einfach, weil das, was heute an der Politik und der Gesellschaft kritisiert wird, gerade im Interesse der Studenten sein muss. Wer soll denn etwas verändern, wenn nicht die junge Generation?

Haben Sie eine Erklärung, warum die Jungen nicht kommen?

Repiscus: Es ist eine gewisse Schwellenangst.

Ist Kabarett zu anspruchsvoll?

Repiscus: Es ist zum Teil anspruchsvoll. Aber war heißt das? Wenn auf der Bühne über den Innen- oder Außenminister geballert wird, habe ich ja nichts davon, wenn ich nicht weiß, wer das eigentlich ist.

Sie brauchen Würzburg nicht, oder? Aber Würzburg das Bockshorn?

Repiscus: Sie meinen die Lippenbekenntnisse? Die Stadtväter werden nicht müde, zu sagen: Das Bockshorn in Würzburg ist sehr, sehr wichtig.

Sehen Sie das denn auch so? Hat die Stadt das Bockshorn nötig?

Repiscus: Ich glaube schon. Bundesweit hat Kabarett einen hohen Stellenwert, da ist Würzburg gut beraten, dass sich so etwas hält. Die Stadt braucht ja nicht viel dafür zu tun.

Was halten Sie – als Nachbar – von den Plänen mit der Frankenhalle?

Repiscus: Ich war einer der ersten, der über die ersten großen, tollen Pläne informiert wurde. Über die feudale Ausgabe, mit Anbau und Kneipe. Eine schöne Sache eigentlich. Ich bin dabei geblieben, dass wir dort etliche Veranstaltungen machen könnten. Allerdings: Es dauert!

Mit Blick auf das Viertel und seine Entwicklung – wie wichtig wäre da Theater in der Frankenhalle?

Repiscus: Das ganze Gerede über die Entwicklung ist Geschwätz. Das Viertel will man hochwertiger machen, aber dann bringt man die Billighotels hier her. Die Planung läuft nicht gut. Ich habe nichts gegen die Frankenhalle. Nur ist die Frage: Kann man diese Halle auf den heutigen Stand der Technik und die Bedürfnisse einer Multifunktionsstätte bringen? Was die Umgebung hier betrifft: Tut mir leid, dass ich wieder auf die Architekten losgehen muss, aber da ist viel falsch gelaufen, völlig falsch. Wir haben hier einen großen tristen, grauen, unschönen Vorplatz. Lockerheit hätte hergehört. Mit Wasser, mit Bäumen hätte wirklich was Tolles gestaltet werden können.

Der Kulturpreis ist „nur“ eine undotierte Ehre. Wenn er mit dem Erfüllen eines Wunsches verbunden wäre: Was würden Sie sich in Würzburg wünschen?

Repiscus: Mehr Offenheit.

Kulturpreisträger 2012

Mathias Repiscus ist Schweizer, verrät sein Alter nicht, hat bei allen Soloprogrammen von Urban Priol Regie geführt und in Sommerhausen anno 1984 das Bockshorn begründet. 2001 zog er mit seiner Kabarettbühne in den Würzburger Kulturspeicher, hat dort 199 Plätze und macht bis zu 150 Veranstaltungen im Jahr.

Nun würdigt die Stadt die Verdienste des Regisseurs und Theaterleiters, der Würzburg einen deutschlandweiten Ruf als Kabarettstandort brachte, mit ihrem Kulturpreis.

 
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