Vor 120 Jahren sah die Welt noch ganz anders aus. Es gab noch keine Frauen im Reichstag, denn es war Hedwig Dransfeld, die 1919 als eine der ersten einzog. Im Grundgesetz stand noch nicht der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", der musste erst von den "Müttern des Grundgesetzes" erkämpft werden - eine von ihnen war Helene Weber. Ellen Ammann hatte in München auch noch nicht Hitlers Putschversuch von 1923 erfolgreich mitvereitelt und sich dafür stark gemacht, dass dieser aus Bayern ausgewiesen würde. Was diese drei Frauen vereint? Sie waren Teil des KDFB - dem Katholischen Deutschen Frauenbund. Im Juni 1903 veröffentlichte Emy Gordon (1841 bis 1909) einen Artikel in der Kölner Katholischen Volkszeitung, in dem sie sich leidenschaftlich für die Zusammenführung der einzelnen Frauenverbände einsetzte – wenige Monate später wurde der Katholische Frauenbund (KFB) als erster katholisch-kirchlicher Verein unter der Leitung von Frauen und nicht von Geistlichen in Köln gegründet.
Nur ein Jahr danach gründeten Emy Gordon mit Maria Oehninger, welche die erste Präsidentin des Würzburger Katholischen Frauenbund war, und acht katholischen Frauenvereinen die Zweigstelle des KFBs in Würzburg. 400 Frauen waren in den Anfängen im Würzburger Frauenbund. Es war eine Zeit des Aufbruchs, des Krawalls, des Aufstehens für Gleichberechtigung – so steht es in der Satzung von 1904: "Ziele und Aufgaben des Zusammenschlusses sind, die Frau zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit und zu ständiger Weiterbildung anzuregen und sie dadurch bereit zu machen und zu befähigen für eine eigenverantwortliche und zeitgemäße Mitgestaltung in allen Bereichen der Gesellschaft, in Kirche und Staat, in Familie und Beruf".
Ab 1933 musste der KDFB unter den Schutz der Kirche
Der Bau einer Kinderbewahranstalt und eines Säuglingskrankenhaus wurde in der Gründungsversammlung beschlossen (heute: Missio Kinderklinik), genauso wie der Beginn der Bildungsarbeit für Frauen. Zwischen 1914und 1933 entstanden in Kooperationen mit anderen Frauenvereinen Kinderhorte, Auskunftsstellen, Kriegskochkurse, Volksküchen, Wärme- und Strickstuben, Kleiderstuben für Kinder und Erwachsene sowie Lebensmittelausgaben. 1921 setzte sich der Name KDFB offiziell durch. Bis 1933, so veröffentlicht es der Würzburger Frauenbund in seiner Chronik, "gab es für den KDFB eine Blütezeit mit vielen Neugründungen und hohem Mitgliederzuwachs". Doch obwohl Ellen Ammann und viele andere Frauen des KDFBs die Gefahr des Nationalsozialismus sahen, breitete dieser seine Schrecken aus.
Ab 1933 musste sich der KDFB unter den Schutz der Kirche stellen, seine Tätigkeiten auf Religion und Kultur beschränken, Anzeigen liefen gegen katholische Frauen, welche mit ihrem "Grüß Gott" Aufsehen erregten, sich für Religionsunterricht einsetzten. "Ein Wirken in der Stille war es, das der Frauenbund in diesen Jahren entfalten konnte", schreibt der ZV Karlstadt in seiner Chronik. Doch 1947 trifft sich der erste Diözesanausschuss unter der Leitung von Katharina Marstaller nach 12-jähriger Unterbrechung wieder. Es ist das Jahr in dem die KDFBlerin Christine Teuch als erste Frau in der Bundesrepublik Deutschland Ministerin wird. Schon 1948 beginnen Nachmittagsvorträge, Mütterbildungskurse, Eheberatung und Einkehrtage für Witwen.
Ein Thema zieht sich durch die Geschichte des Verbandes: Vernetzung!
Die Arbeit des KDFB ist so vielfältig wie die Lebenssituationen der Frauen: der Bund setzt sich für Gleichberechtigung und Bildung ein. Schon 1964 feiert der Verein den Weltgebetstag ökomenisch, 1971 werden Stellungnahmen an den Bundesjustizminister Jahn zur Reform des Scheidungsrechts, des Strafbestimmungen über Pornografie und Schwangerschaftsunterbrechungen geschickt. 1984 entsteht ein Schulprojekt in Tansania, es entstehen Arbeitskreise zu den Themen Ehe und Familie, Gesellschaft und Politik, Medien, Glaube und Kirche. In ihrer Chronik findet sich auch der Equal Pay Day, den Bettina Schleicher 2008 initiierte und bei dem sich der KDFB neben anderen Akteurinnen aktiv beteiligt.
Seit 2018 ist Anja Bauer die Vorsitzende des Verbandes Würzburg. Ein Thema zieht sich durch die Geschichte des Verbandes: Vernetzung! 1911 schloss sich Würzburg an den Landesverband Bayern an: heute setzt sich dieser für "starke Frauen – starke Demokratie" gegen den Rechtsruck ein und lässt verlauten: "Wer Mitglied in einer demokratiefeindlichen Partei ist, muss mit Verbandsausschluss rechnen".
Von Flashmobs, Wallfahrten, Faschingsumzügen und Frauengottesdiensten über Flohmärkte und Menschenketten, internationaler Vernetzungen nach Tansania und Brasilien, dem VerbraucherService Bayern, der seit 65 Jahren unabhängig aufklärt, dem Bildungswerk, den Landfrauen bis hin zu 123 Zweigvereinen des Diözesanverbandes - es ist unmöglich die Vielfalt und Angebote dieses engagierten Verbandes alle zu nennen. Alt geworden ist der 120 jährige Verband – doch von veraltet ist er weit entfernt! Jetzt wurde das Jubiläum gefeiert: ein "Markt der Möglichkeiten". Zum Abschluss zog das Fest in einer Prozession vom Kilianeum zum Dom. Bischof Franz Jung hat den KDFB empfangen. Obwohl viele Frauen beteiligt sind, findet der Bischof bestärkende Worte, bleibt das Spannungsfeld und die Ambivalenz erhalten: Seit 120 Jahren für ihre Rechte eintretende Frauen dürfen an ihrem eigenen Jubiläum nicht predigen! "Das es im 21. Jhd. noch immer keine Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche gibt, ist nicht zu verstehen", sagt die ehemalige Diözesanvorsitzende Edeltraud Hann. "Wenn keine Frauen mehr in die Kirche gehen, dann sind die Kirchen leer", meint Edith Werner. Es bräuche Veränderung – und die geht von unten nach oben. Und so bleibt dem Frauenbund noch immer viel zu tun und ihre Satzung genauso aktuell wie sie vor 120 Jahren war, als die ersten Frauen sich für ihre Rechte vereinten.