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WÜRZBURG
Marathon vor 40 Jahren: Exotin in der Männer-Domäne
Pionierin auf der 42-Kilometer-Strecke: Marga Rabold war in den 70er Jahren eine der ersten Marathonläuferinnen in Bayern. Bewegung hält die 76-Jährige bis heute fit.
Foto: Thomas Obermeier | Pionierin auf der 42-Kilometer-Strecke: Marga Rabold war in den 70er Jahren eine der ersten Marathonläuferinnen in Bayern. Bewegung hält die 76-Jährige bis heute fit.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:14 Uhr

42,195 Kilometer: Über Jahrzehnte war die klassische Marathondistanz Männern vorbehalten. Noch 1967 musste sich die Amerikanerin Kathrine Switzer bei der Anmeldung tarnen und ins Bostoner Rennen mogeln. Anfang der 70er Jahre durften dann auch Frauen an den Start, erst 1984 bei Olympia. Für das Jahr 1977 schätzt Experte Manfred Steffny die Zahl der Marathonläuferinnen weltweit auf gerade mal 1000. Eine von ihnen: die Würzburgerin Marga Rabold. Die heute 76-Jährige nahm 1975 als einzige Starterin aus Bayern an den ersten Deutschen Marathon-Meisterschaften für Frauen im Schwarzwald teil. 1981 war sie bei der Premiere des Frankfurt-Marathons dabei und lief dort ein Jahr später ihre Bestzeit von 3:05 Stunden. Mit 64 Jahren absolvierte sie 2006 ihren 40. und letzten Marathon im Hochgebirge von Davos. Marga Rabold trat in ihrer Wettkampfzeit bei unzähligen Läufen auch in Unterfranken für die TG Höchberg, die DJK Würzburg, den Vitalsportverein und die LG Würzburg an. Sportlich aktiv ist die Seniorin noch heute – nur die Radien sind kleiner geworden. Rabold ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und drei Enkel.

Frage: Frau Rabold, wie exotisch war es in den 70er Jahren, als Frau einen Marathon zu laufen?

Marga Rabold: Man hat als Einzelne unter lauter Männern die Blicke auf sich gezogen nach dem Motto: „Schaut mal, da läuft eine Frau! Was ist denn das?“ Man wurde gemustert. Also, das war schon ziemlich exotisch.

Und es gab zu Beginn nicht mal eine Frauenwertung?

Rabold: Ich bin meinen ersten Marathon bei den Bayerischen Meisterschaften 1975 an der Ködeltalsperre bei Kronach gelaufen. Auf meiner Urkunde steht „Platz 66“, wir Frauen wurden nicht separat gewertet, tauchten in der Gesamtergebnisliste gar nicht auf. Der Lauf war eigentlich nur für Männer gedacht. Aber immerhin gab's dann eine Siegerehrung, da durfte ich als schnellste Frau nach oben. Inoffiziell war ich also bayerische Meisterin – aber selbst das wurde nicht ausgesprochen.

Wie üblich war die Marathon-Teilnahme von Frauen Mitte der 70er Jahre?

Rabold: Ich meine, es war damals zumindest in Bayern der erste und einzige Marathon, in dem Frauen mitgelaufen sind.

Aber Marathonfrauen waren doch auf dem Vormarsch, oder?

Rabold: Im Oktober 1975, nur sechs Wochen später, gab es in Bräunlingen im Schwarzwald tatsächlich die ersten deutschen Meisterschaften im Frauen-Marathon. Der dortige Schwarzwald-Marathon hatte sogar schon ein paar Jahr davor Frauen zugelassen – das war weltweit einmalig. Bei der Meisterschaft liefen wir Frauen am Samstag, Männer am Sonntag. Ich war die einzige Starterin aus Bayern, der Lauf war international gut besetzt. Starke Amerikanerinnen nahmen teil, und auch Läuferinnen aus Norddeutschland waren damals schon weiter.

Wie waren die Reaktionen damals in Ihrem Umfeld?

Rabold: Ich habe das nicht groß erzählt, nur die Insider wussten es. Meinen Bekannten war klar, dass ich regelmäßig laufe. Sie konnten aber mit einem Marathon nichts anfangen, hatten keine Vorstellung davon. Anerkennung gab es nicht – eher Erstaunen.

Gab's auch Unverständnis?

Rabold: Wehe ich wäre krank geworden. Dann hätte es schnell geheißen: Das hast du von deiner Lauferei. So habe ich es lieber für mich behalten.

Und wie hat man die 42 Kilometer-Distanz damals gesehen? Etwas für Verrückte?

Rabold: Wenn Sie den Zeitungsartikel von 1975 lesen... Da wurde geschrieben wie über ausgemergelte Helden. Da ist von „mörderischer Marathonstrecke“ die Rede, vom „durchgebildeten, hart trainierten Körper“. Ich denke, das entspricht heute der Bewunderung für Ironman-Triathleten. Für die meisten Nichtläufer war ein Marathon damals einfach unvorstellbar. Die Teilnehmer mussten ärztliche Atteste vorlegen oder wurden vor dem Start von einem Arzt untersucht.

Hatten Sie damals überhaupt Trainingspartnerinnen?

Rabold: Am Anfang waren hauptsächlich Männer in unserer Laufgruppe in Höchberg. Mit ihnen habe ich die langen Läufe am Sonntag gemacht. Werktags war ich dann meistens allein in Würzburg unterwegs.

Wieviel haben Sie zur Marathonzeit trainiert?

Rabold: In Zeit vor Wettkämpfen 80 bis 100 Kilometer pro Woche – und ich bin jeden Tag gelaufen.

Wenn Sie Marathonläufe in den späten 70er oder Anfang der 80er Jahre mit heute vergleichen: Was hat sich verändert?

Rabold: Die „Kasperei“ wie heute hat es damals noch nicht gegeben. Niemand wäre da zum Beispiel verkleidet gelaufen. Es waren rein sportliche Wettkämpfe, als würde man ein Rennen auf der Bahn bestreiten. Alles war sehr ernsthaft. Heute ist ja jeder Marathon ein Event, das ist nicht mehr meine Welt.

Heißt, die Marathonis waren damals ehrgeiziger oder verbissener?

Rabold: Damals ging es definitiv mehr um Leistung als heute. Wobei ich es völlig in Ordnung finde, einen Marathon „zum Spaß“ zu laufen. Zum Massenphänomen wurde er mit den großen Stadtmarathons in Deutschland in den 80er Jahren. Da hat man immer öfter gehört: Einmal im Leben will ich einen Marathon laufen.

Haben Sie auch so gedacht? Eine einmalige Aktion...?

Rabold: Nein. Wobei... Als ich meinen ersten Marathon 1975 hinter mir hatte, dachte ich: Nie mehr! Sechs Wochen später war ich bei der Deutschen Meisterschaft im Schwarzwald.

Wann wurde es „normal“, dass auch Frauen einen Marathon laufen?

Rabold: Als die Joggingwelle Ende der 70er Jahre aus Amerika herübergeschwappt ist, sind mehr Frauen zur Langstrecke und auch zum Marathon gekommen. In Deutschland hat sich der Sportarzt Ernst von Aaken sehr für die Frauen eingesetzt. Er hat uns auf der Langstrecke für begabter gehalten als Männer. Die Anfänge waren bei uns die vielen Volks- und Waldläufe in den 70er Jahren.

Sie selbst sind aber leistungsbetont gelaufen, waren nah an der Drei-Stunden-Marke.

Rabold: Ja, einmal wäre ich gern unter die drei Stunden gelaufen – das hat mich lange gereizt. Vielleicht habe ich auch nicht optimal trainiert, weil ich das ganze Jahr durchgelaufen bin, im Winter wie im Sommer. Es hat mir einfach immer Spaß gemacht, draußen unterwegs zu sein. Training war ein Vergnügen. Die Wettkämpfe habe ich aber ernst genommen.

Welchen Ihrer 40 Marathons haben Sie in besonderer Erinnerung?

Rabold: Also der Londoner Frauen-Marathon 1980 war der beeindruckendste. Wir waren etwa 350 Frauen am Start, die Topläuferinnen aus Amerika und Australien waren eingeladen – die Kosmetikfirma Avon hatte gesponsert. Die Strecke zwar fürchterlich, aber es war ein Erlebnis, in dieser Zahl und in dieser Stadt nur unter Frauen zu laufen. Und später waren natürlich die Bergläufe wie der Jungfrau-Marathon oder der Swiss-Alpin als Landschaftserlebnis toll.

Wie gezielt konnten Sie überhaupt trainieren? Hatte man zu dieser Zeit Zugang zu Knowhow und Trainingsplänen?

Rabold: Die gab es auch damals schon. Manfred Steffny hat uns hier viel geholfen – mit seinem Marathon-Buch, mit der Zeitschrift „Spiridon“, in der auch Trainingspläne zu finden waren. Für die kürzeren Strecken hat mich mein Mann beraten, der früher auch gelaufen ist. Aber natürlich gab es an Büchern viel weniger als heute und auch kein Internet mit tausend Ratschlägen.

Wie weit war das ein Nachteil? Oder: Wie viel Information braucht der Läufer?

Rabold: Ich würde sagen: Hör' auf dein Körpergefühl. Das geht mit etwas Erfahrung. Natürlich sind Grundlagenkenntnisse wichtig, aber ich konnte mich nicht eins zu eins nach Trainingsplänen richten.

Obwohl die Marathonwelle in den 80ern Deutschland erreichte, bekam Ihre Heimatstadt erst 2001 einen Stadtmarathon...

Rabold: Ja, das hat etwas gedauert. Dabei haben wir in den 80ern schon einen Versuch unternommen. Mit ein paar Leuten wollten wir einen Marathon in Würzburg auf die Beine stellen. Aber im Rathaus haben sie abgewunken: zu viel Absperrung. Wir sollten aber mal um die Residenz herum schauen. Daraus ist dann der Würzburger Residenzlauf entstanden.

Laufen Sie heute immer noch?

Rabold: Ein paar Mal in der Woche gehe ich „stöckeln“, um das Knie zu schonen. Ich habe lange gebraucht, das zu akzeptieren. Als Läuferin dachte ich: Stöcke sind was für alte Leute. Aber ich gehe sehr zackig. Und manchmal spanne ich auf der Runde die Stöcke einfach aus und renne heimwärts. Also ich kombiniere Nordic Walking und Laufen. An anderen Tagen mache ich noch etwas Krafttraining, gehe Schwimmen. Und einmal pro Woche wandern wir. Ich will in Bewegung bleiben.

Als einzelne Frau unter Männern: Marga Rabold lief beim ersten Frankfurt-Marathon im Jahr 1981 die beachtliche Zeit von 3:06 Stunden.
Foto: Brigitte Otte | Als einzelne Frau unter Männern: Marga Rabold lief beim ersten Frankfurt-Marathon im Jahr 1981 die beachtliche Zeit von 3:06 Stunden.
Marga Rabold auf ihrer Trainingsrunde in den Weinbergen des Würzburger Stein.
Foto: Thomas Obermeier | Marga Rabold auf ihrer Trainingsrunde in den Weinbergen des Würzburger Stein.
 
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