Viele kennen sie noch als Filmpartnerin von Gregory Peck oder Clint Eastwood, als die Frau mit der Goldkante aus der Fernsehwerbung oder als Rate-Star bei Robert Lembkes „Was bin ich“. Was Marianne Koch selbst ist: vor allem Ärztin. Viele Jahre hatte die 86-Jährige eine internistische Praxis in München. Und noch immer ist sie Expertin im Gesundheitsgespräch, das der Bayerische Rundfunk seit 16 Jahren jeden Samstag von 12.05 bis 13 Uhr live überträgt. Im November sind bundesweit Herzwochen. Deshalb kommt die ehemalige Schauspielerin und Medizinerin jetzt nach Würzburg: Am Freitag 10. November, spricht sie am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz über das besondere Organ.
Hochleistungspumpe oder Zentrum der Person? „Von seiner Funktionsfähigkeit, seiner Energie hängt es ab, ob alle anderen Organe überleben, ob wir denken, fühlen, atmen, gehen oder uns fortpflanzen können“, sagt Marianne Koch. „Jede einzelne Zelle in unserem Organismus ist auf die Nahrung und den Sauerstoff angewiesen, die der ständig kreisende Blutstrom mit sich führt, angetrieben von dieser kleinen, unglaublich kraftvollen Pumpe.
“ Doch das Herz ist mehr als Motor: Seit jeher und in allen Kulturen hatte es eine gleichsam übernatürliche Bedeutung als Sitz der Seele, als Sinnbild für die Liebe, für Mitleid und andere Emotionen.
Frage: Frau Dr. Koch, wir haben Herzenswünsche, hoffentlich das Herz am rechten Fleck, manchmal was auf dem Herzen und dann würden wir jemandem gerne das Herz ausschütten. Was sagt die Medizinerin zu all den sprachlichen Herzensangelegenheiten?
Dr. Marianne Koch: Ja, man hat das Herz wohl immer schon als etwas Rätselhaftes, auch Göttliches gesehen. Glück und Leid hat man im Herzen empfunden. Das Herz galt als Mittelpunkt des Menschen, als Sitz der Seele, als unser eigentliches Ich. Auch wenn wir heute wissen, dass Seele und Persönlichkeit im Gehirn verankert sind, leben wir weiter mit dem Mythos des Herzens. Und obwohl die Wissenschaft dieses Organ in all seinen Funktionen und bis in die kleinsten molekularen Bestandteile erforscht hat, bleibt es ja ein unbegreifliches Wunderwerk.
Dann stimmt es schon ein bisschen: ein Herz und eine Seele?
Koch: Es gibt dazu ein richtiges Fach: Die Psychokardiologie beschäftigt sich mit dem Einfluss der Psyche, der Seele auf das Herz – und umgekehrt. Wir reagieren auf seelischen Kummer auch mit körperlichen Beschwerden. Und bei großem emotionalen Stress, wenn man sich Probleme zu sehr „zu Herzen“ nimmt, kann schlimmstenfalls auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen werden. Und umgekehrt geht es genauso: Wenn jemand eine schwere Herzinsuffizienz hat, wirkt sich das selbstverständlich auch auf den seelischen Zustand aus.
Kann man an gebrochenem Herzen sterben?
Koch: Man weiß, dass depressive Menschen eher Herzprobleme kriegen. Es gibt da ein Krankheitsbild, die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, benannt nach einer japanischen Tintenfischfalle. Wenn das Herz aus einem wahnsinnigen Angstzustand durch den großen Ausstoß von Stresshormonen in eine Schockstarre kommt, kann sich die Herzkammer auf eigenartige Weise verformen und ballonförmig erweitern. Das sieht dann im Röntgenbild aus wie bei dieser Falle. Man nennt den Zustand auch „Syndrom des gebrochenen Herzens“. Was einen psychisch bewegt, schlägt sich organisch nieder.
Sie sind seit vielen Jahrzehnten in der Medizin tätig. Welche Entwicklung haben Sie denn beobachtet, was Herzerkrankungen betrifft? Nehmen Herzerkrankungen zu, einfach, weil wir heute älter werden?
Koch: Natürlich ist das Alter zunächst einmal der größte Risikofaktor. Auf der anderen Seite werden die Menschen immer dicker, haben einen höheren Blutdruck und, wenn sie nicht aufpassen, auch erhöhte Blutfettwerte. Das alles trägt dazu bei, dass die Arteriosklerose, also die eingeschränkte Elastizität der Arterien, eine Volkskrankheit ist. Wenn die Arterien nicht mehr ausreichend Blut ins Gehirn und ins Herz bringen, sind auch Erkrankungen der Herzkranzgefäße auf dem Vormarsch. Seit wir heute so viel mehr wissen und vor allem untersuchen können, nicht nur durch Herzkatheter, sondern durch Computertomografie oder Kernspin und Herzultraschall, kann man Erkrankungen viel besser diagnostizieren – und in dem Maße auch besser therapieren. Und es sind in den letzten Jahrzehnten wirklich großartige neue Techniken etabliert worden.
Zum Beispiel?
Koch: Zum Beispiel der Ersatz einer kaputten Aortenklappe. Früher musste man den ganzen Brustkorb aufschneiden und eine neue Klappe „hineinbasteln“. Heute macht man das meistens mit Kathetertechnik. Oder bei Vorhofflimmern bei geschädigten Herzen, wenn sich die beiden Vorhöfe nicht mehr richtig zusammenziehen, sondern nur noch zittern. Da kann man heute mit Kathetern die impulsgebenden Zellen, die das Flimmern verursachen, ausschalten. Das Herz schlägt dann wieder gleichmäßig. Das hat es vor 20 Jahren nicht gegeben.
Wie sind Sie Herzspezialistin geworden? Weil das Herz so faszinierend ist?
Koch: Ich hätte während der ganzen Ausbildung mit Kardiologen zu tun gehabt – und mein Interesse dafür war eben sehr, sehr groß. Und natürlich ist es eines der interessantesten Gebiete in der Medizin.
Wie unterschiedlich sind denn die medizinischen Herzensangelegenheiten bei Männern und Frauen? Gibt es spezifisch männliche, typisch weibliche Herzerkrankungen?
Koch: Sehr auffallend ist es beim Herzinfarkt. Bei den Frauen sind die Symptome oft völlig andere. Die klassischen Symptome eines drohenden Herzinfarkts, nämlich das starke Druckgefühl, der in den Hals oder in den linken Arm ausstrahlende starke Schmerz, ist bei Frauen eher selten. Bei ihnen kommt es zu Atemnot, Übelkeit, großem Unwohlsein. Deshalb wurde die Brisanz der Situation früher häufig verkannt.
Und von Herzschwäche sind eher Frauen betroffen, oder?
Koch: Nein, da sind Männer ganz sicher genauso betroffen. Die Herzschwäche hat zwei grundlegende Ursachen. Zum einen, wenn das Herz zu lange gegen einen Widerstand ankämpfen und viel Kraft aufwenden muss, weil die Arterien durch hohen Blutdruck verändert und verengt sind oder wenn die Klappen nicht mehr richtig schließen. Zum anderen, wenn das Herz selbst schwach geworden ist, also der Muskel. Drogen, Alkohol, Entzündungen – dafür gibt es viele Ursachen. Der größte Risikofaktor, neben dem Alter, ist ganz sicher der hohe Blutdruck. Ein hoher Blutdruck schädigt nicht nur die Herzmuskelzellen, sondern trägt dazu bei, dass das Herz ständig gegen einen erhöhten Widerstand ankämpfen muss.
Gut, gegen den ersten Risikofaktor, also das Alter, kann man selbst ja wenig tun...
Koch: Stimmt nicht ganz. Man kann sein Herz schon ein bisschen trainieren. Wenn man älter wird, sollte man für Bewegung sorgen: spazieren gehen, in den Sportverein gehen und nicht nur zwischen Sofa und Balkon pendeln. Körperliche Betätigung im Alter ist ganz, ganz wichtig, um das Herz gesund zu halten. Eine Studie in Großbritannien mit 1000 über 75-Jährigen hat das gut gezeigt: Die Teilnehmer, die jeden Tag drei Kilometer spazieren gegangen sind, völlig egal in welchem Tempo, hatten nach fünf Jahren um 50 Prozent weniger Herzinfarkte und um 50 Prozent weniger Schlaganfälle als die Vergleichsgruppe. Und auch nach einem Herzinfarkt oder bei einer Herzschwäche ist es wichtig, dass man weiter körperlich aktiv bleibt.
Spazieren gehen mit dem Hund reicht also? Es muss nicht der schweißtreibende Sport sein?
Koch: Spazieren gehen ist gut, schwimmen ist gut, wandern ist gut. Um Gottes willen kein Hochleistungssport! Aber in der Gruppe macht es erstens mehr Spaß und zweitens motiviert man sich dann leichter, wenn man weiß, die anderen warten auf mich.
Stichwort Ernährung. Was empfehlen Sie?
Koch: Man kann das sehr einfach sagen: Die sogenannte mediterrane Ernährung ist auch für den Herzmuskel am allerbesten. Das heißt: wenig tierische Fette, vor allem sehr wenig rotes Fleisch, dafür sehr viel Obst, Gemüse und Salate. Und Kohlenhydrate schon in ausreichender Menge: Reis, Linsen, Pasta – was sie wollen. Und kochen sollte man alles mit Öl statt mit Butter oder Butterschmalz. Und vor allem: Industrienahrung meiden wie der Teufel das Weihwasser. In den Industrieprodukten steckt viel zu viel Fett, meistens auch zu viel Salz, was den Blutdruck hebt, oder zu viel Zucker, was das Übergewicht begünstigt. Also: Fertigprodukte so wenig wie möglich.
Ist das auch Ihr persönliches Rezept?
Koch: Ja, aber das ist so seit der Kindheit. Ich esse alles, wirklich alles. Aber eben mit großem Schwergewicht auf Obst und Gemüse. Ich halte mich schon an das, was ich hier erzähle. Ich gehe jeden Tag raus, auch wenn es furchtbar regnet, und laufe mit meinem sehr netten Hund mindestens eine halbe Stunde.
Das Stück Torte am Sonntag ist erlaubt?
Koch: Ja, selbstverständlich! Man sollte nicht auf jegliche Schokolade oder Leckerei verzichten. Es sollte eben nur in Maßen sein, wie alles.
Stichwort Vorsorge: Wie wichtig ist es, regelmäßig zum Arzt zu gehen? Oder ab wann sollte man mal das Herz überprüfen lassen?
Koch: Als erstes sollte man ein bisschen Familiengeschichte studieren. Gab es irgendwelche Verwandte, die mit 50 einen Herzinfarkt hatten, obwohl sie nie geraucht haben? Oder Onkel oder Tanten, die, bevor sie gestorben sind, ein Jahr lang nur noch heftig schnaufend im Sessel sitzen konnten. Das heißt nicht, dass die Gene sich übertragen haben. Aber es könnte Veranlagungen geben. Man sollte ruhig ab 30 der 35 Jahren mal, auch wenn man vorher keine Probleme hatte, einen richtigen Check von Herz und Kreislauf machen lassen.
Fassen wir mal zusammen, was gut ist fürs Herz: Regelmäßig zur Vorsorge gehen, frisches Essen, viel Obst und Gemüse und der Hund für den täglichen Spaziergang.
Koch: Und alles vermeiden, was das Immunsystem schwächt: Rauchen, zu viel Alkohol, zu viel Sonne, zu wenig Schlaf.
Veranstaltung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz
Um das Herz geht es in der gemeinsamen Veranstaltung vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) und der Domschule Würzburg. In der Veranstaltungsreihe „AndersOrte“ laden sie am Freitag, 10. November, ins Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz dem Gelände der Uniklinik ein: „Hochleistungspumpe oder Zentrum der Person?“ Ab 18 Uhr sprechen Dr. Marianne Koch und Professor Stefan Störk vom DZHI über das Wunderwerk Herz – und was wir dafür tun können.
Neben einem Einblick in die medizinischen Möglichkeiten geht es auch um eine kleine Kulturgeschichte des Herzens. Theologe Stefan Meyer-Ahlen von der Domschule moderiert den Abend. Nach einer Diskussionsrunde gibt es einen kleinen Imbiss. Wer mag, kann im DZHI die Ambulanz, Labore und den modernen 7-Tesla-Magnetresonanztomographen besichtigen. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Herzwochen 2017 der Deutschen Herzstiftung statt. Die Herzstiftung bietet an ihrem Infostand ihren aktuellen Experten-Ratgeber „Das schwache Herz“ an. Patienten erhalten darin Ratschläge für den Umgang mit ihrer Erkrankung.
Dr. med. Marianne Koch, die für ihre Tätigkeit als Internistin ihre Filmkarriere aufgab, hat ein Buch über das Organ geschrieben mit viel Wissenswertem und Tipps, wie man das Herz schützen kann: „Das Herz-Buch“, dtv Ratgeber, 240 Seiten, 12,90 Euro.
Anmeldung für die Veranstaltung (Teilnahmegebühr 15 Euro) bis Montag, 6. November, unter www.domschule-wuerzburg.de
oder Tel. (0931) 386-43 111