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LKR. WÜRZBURG
"Mama" Romina und die Mörder
Mord an Antiquitätenhändler       -  Eine 62-jährige Angeklagte sitzt am 22.07.2013 in Mosbach (Baden-Württemberg) in einem Verhandlungssaal des Landgerichts. Wegen Mordes an einem Antiquitätenhändler mussten sich drei Mitglieder eines Familienclans vor dem Landgericht Mosbach verantworten.
Foto: Uwe Anspach, dpa | Eine 62-jährige Angeklagte sitzt am 22.07.2013 in Mosbach (Baden-Württemberg) in einem Verhandlungssaal des Landgerichts.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:49 Uhr

Seine Neigung zu einem 17-jährigen Mädchen bringt 2012 Peter H. aus dem Landkreis Würzburg in Teufels Küche: Beim Spazieren gehen begegnet der 61-jährige – der sich nach seiner Scheidung einsam fühlt – der jungen Lena (alle Namen geändert) und ist fasziniert von ihr. Er macht ihr den Hof, sie erwidert seine Zuneigung.

Verlust von gutem Ruf und Vermögen

H. ist fasziniert von Lena – und nimmt in Kauf, dass ihre zehnköpfige Familie in einem heruntergekommenen Haus in Bad Mergentheim ihn immer stärker in Beschlag nimmt. Bald stellt er das 44 Jahre jüngere Mädchen als Verlobte seinen Verwandten vor. Im Gegenzug gerät er immer tiefer in die Abhängigkeit ihrer Familie. „Jetzt gehörst Du zu uns,“ sagt ihm eines Tages die 61-jährige „Mama“ Romina, die in dem zehnköpfigen Familienclan das Sagen hat. Inzwischen dient er als Fahrer, bezahlt Einkäufe, richtet die Wasserleitung in dem Haus in Bad Mergentheim.

50 000 Euro als Brautpreis gefordert

Dann kommen Geldforderungen: 50 000 Euro als Gegenleistung für das Verhältnis mit Lena. Die könne man daheim in Ungarn ja nun nicht mehr an den Mann bringen. Als er zögert, wird ihm – wie zwei Gerichte in Würzburg und Mosbach später feststellen – eine Falle gestellt, um ihn unwiderruflich an die Familie zu binden: Nach einer Silvesterfeier mit viel Alkohol begleitet ihn nicht nur die 17-jährige Lena nach Hause, sondern auch ihre jüngere Schwester Manu. Als Peter H. in sein Bett taumelt, liegt da schon die 13-Jährige – nackt.

Aus abgehörten Telefongesprächen erfährt die Polizei später: Im Auftrag der Clanchefin animieren die zwei Mädchen den Betrunkenen, mit der 13-Jährigen intim zu werden. Lena soll den Akt heimlich mit dem Handy filmen. „Es hat nicht geklappt“, meldet Lena in jener Nacht der Chefin „Mama“ am Telefon. Doch da hört die Polizei schon mit.

Todesdrohungen

Bald erreichen den 61-jährigen Liebhaber vehemente Drohungen von Manus Verwandtschaft: Man werde ihm mit einem Beil die Füße abschlagen, wenn er keinen Schuldschein über 200 000 Euro unterschreibe. Sogar von Morddrohungen ist die Rede, wie er später Ermittlern erzählt.

Am 18. Dezember 2012 muss der Unterfranke wieder einmal Taxifahrer spielen: Er soll mitten in der Nacht zwei Männer aus „Mamas“ Familie, die Cousins Tibor und Ferenc, nach Unterbalbach im Main-Tauber-Kreis fahren, rund 40 Kilometer südöstlich von Würzburg. Was die zwei dort wollen, verraten sie nicht.

Antiquitätenhändler ermordet

Umso größer ist sein Schreck dann, als Peter H. hört: In der Nacht ist der Antiquitätenhändler Heinz-Jürgen B. in Unterbalbach bei einem Raubmord mit einem Gipserbeil erschlagen worden. Eine 30-köpfige Sonderkommission sucht nach den Mördern. Schnell findet sie die weggeworfene Tatwaffe in einem Gebüsch. Etwa vier Wochen später hat sie die beiden Cousins im Visier. Am 24. Januar 2013 wird das Haus in Bad Mergentheim durchsucht. Ermittler finden Schmuckstücke, Kameras und Mobilfunkgeräte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Einbrüchen stammten.

Die Familienmitglieder werden schließlich für neun Wohnungseinbrüche im Raum Würzburg und Bad Mergentheim verantwortlich gemacht. Der Mann, den „Mama“ Romina mit Bildern vom Sex mit ihrer 13-jährigen Enkelin erpressen wollte, wird zum Kronzeugen: Ja, er habe die zwei Tatverdächtigen zum Tatort gefahren, gibt er im Verhör und im Zeugenstand zu. Für seine Bereitschaft, gegen Romina auszusagen, fällt im eigenen Prozess für den sexuellen Missbrauch eines Kindes das Urteil gnädig aus: zwei Jahre Haft zur Bewährung.

Er zeichnet im Zeugenstand ein eindrucksvolles Bild vom Leben in dem Familienclan um „Mama“ Romina, die in Anlehnung an eine US-amerikanische Verbrecherchefin der 1930-er Jahre von den Medien als „Ma Barker von Balbach“ bezeichnet wird. Die Justiz will im Prozess beweisen, dass „Mama“ zwei Familienmitglieder als Raubmörder geschickt hat. Weil die Familie Geld brauchte.

Um jeden Preis Geld besorgen

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, „dass sie die beiden ausdrücklich beauftragte, bei ihrem Opfer um jeden Preis Geld zu besorgen, und wenn sie dieses dazu töten müssten“. Am ersten Prozesstag gesteht Tibor den Mord, Cousin Ferenc schweigt. „Mama“ weint vor Gericht herzerweichend und lässt übersetzen: „Ich weiß von nichts.“

Der 61-jährige Unterfranke schildert, wie er die Mörder zum Tatort fuhr und selbst immer tiefer in den Sog der Familie geriet. Ermittlungen der Polizei zeigen aber: Er war nicht der einzige. Gleichzeitig lockten die Mädchen drei weitere ältere Herren, um mit ihnen näher bekannt zu werden.

13-jähriger Lockvogel

Zur eigentlichen Kronzeugin wird die 13-jährige Manu, die von ihrer Oma als Lockvogel für Peter H. missbraucht worden war. Manu war im Zeugenschutz und erscheint aus ihrem Versteck erst zur Gerichtsverhandlung. Sie weigert sich zunächst, auszusagen, solange Romina im Gerichtssaal anwesend ist, so viel Angst hat sie noch immer. Die Angeklagten müssen den Saal verlassen.

Das Kind, das sich ängstlich an die Dolmetscherin klammert, bezeugt vor Gericht: Es habe gesehen, wie Papa Ferenc und Onkel Tibor zurückkamen, mit blutiger Kleidung. Beide hätten ihr verboten, über die Tat zu reden. Und Romina habe sie gezwungen, dem 61-jährigen Freund der Familie aus dem Landkreis Würzburg eine Sexfalle zu stellen. „Und wenn du dich geweigert hättest?“, fragt der Richter. Dann hätte sie Prügel bezogen, sagt Manu leise.

Theater im Gericht

„Mama“ ist fassungslos, als der Richter sie mit dem konfrontiert, was ihre Enkelin dem Gericht erzählt hat: Sie soll Ferenc (34) und Tibor (26) zu dem Antiquitätenhändler geschickt haben? So erzählt es das Mädchen. Um der klammen Familie Geld zu besorgen – sogar mit einem Mord?

Als sie hört, was ihre Enkelin gesagt hat, fallen ihre Hemmungen: Plötzlich ruft sie: „Ich fühle mich nicht schuldig.“ Auf Deutsch, obwohl sie bis dahin eine Dolmetscherin gebraucht hatte. Ein Wortschwall bricht aus ihr heraus: Das Kind habe geklaut und seine Mutter ins Gefängnis gebracht, wahllos mit Männern Sex gehabt. Auch der 61-Jährige wolle sich nun herauswinden, obwohl er zuvor Lena und Manu versprochen habe, ihnen ein Haus zu kaufen.

Doch es hilft ihr nichts, die Enkelin schlechtzumachen. Auch der Versuch, die 17-jährige Lena als Entlastungszeugin zu präsentieren, misslingt. Allen Ankündigungen der Verteidigung zum Trotz erscheint sie nicht vor Gericht.

Lebenslänglich hinter Gitter

Das Gericht hat keine Zweifel an Manus Aussage und schließt die Beweisaufnahme. Zwei Verhandlungstage reichen, um „Mama“ und ihre Auftrags-Mörder zu überführen. Nach kurzer Beratung fällt das Urteil: Dreimal lebenslänglich – die Entscheidung wird später auch beim Bundesgerichtshof bestätigt.

Als die Chefin des Clans murrend in Handschellen aus dem Gericht geführt wird, kommt es vor der Tür des Gerichtsgebäudes zu einer unverhofften Begegnung. Am Fuß der steilen Treppe raucht der 61-jährige Peter H., den „Mama“ erpresst hat und mit dem Tod bedrohen ließ. Sie tritt in Handschellen auf ihn zu und verlangt knurrend Zigarette und Feuer von ihm. Und so weit reicht immer noch diese merkwürdige Abhängigkeit, dass er ihr beides hinstreckt, wortlos, fast demütig. „Du weißt, dass es nicht so war,“ knurrt sie ihn an. Dann wird sie ins Gefängnis abgeführt.

Mord an Antiquitätenhändler       -  Ein Angeklagter kommt am 22.07.2013 in Mosbach (Baden-Württemberg) in einen Verhandlungssaal des Landgerichts. Drei Mitglieder eines Familienclans müssen sich wegen Mordes an einem Antiquitätenhändler vor Gericht verantworten.
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