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HÖCHBERG
Männer, die an Wagen schrauben
Die Brüder Giuseppe Allocca (vorne) und Massimo Orofino werkeln gemeinsam unter der Motorhaube.
Foto: Pat Christ | Die Brüder Giuseppe Allocca (vorne) und Massimo Orofino werkeln gemeinsam unter der Motorhaube.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:30 Uhr

Mehr als 20 Jahre hat der weiße Mercedes schon auf dem Buckel. „Eigentlich ist er ein Wrack“, sagt Florian Schmidt und lacht, während er das Auto auf der Hebebühne hochfährt. Sein ganzer Ehrgeiz liegt darin, die Kiste wieder fit zu machen. Der 42-Jährige im verölten Blaumann, seit einem Jahr Inhaber der Kfz-Hobbywerkstatt Werner Kohl in Höchberg bei Würzburg, liebt es, an alten Autos zu schrauben. In diese Autohalle kommt er bereits seit 20 Jahren. Die Mietwerkstatt ist noch mal zehn Jahre älter als der weiße Mercedes, unter dem Schmidt nun begonnen hat zu schrauben.

„Werner Kohl schaute sich in Frankfurt um, wie so etwas funktioniert, und gründete dann 1985 eine eigene Hobbywerkstatt in Höchberg“, weiß Schmidt. Er selbst kam zwölf Jahre danach erstmals hierher, um an einem Auto zu schrauben. Von da an gab es nicht allzu viele Tage, an denen Schmidt nicht irgendwann bei Werner Kohl aufgetaucht wäre.

Werkstatt mit sterilem Raum: die Lackierkabine

Als der Werkstattgründer vor einem Jahr starb, wussten alle: Schmidt wird die Sache fortführen. Es brauchte nicht lange, um ihn zu überzeugen. „Ich selbst wollte ja auch, dass es weitergeht.“

Gut ausgestattete Mietwerkstätten sind in der Region nicht weit verbreitet. In Würzburg gibt es mit der Hobbyhalle Cypris auf dem Heuchelhof nur noch eine weitere Werkstatt für Schrauber. Einmalig in Unterfranken ist Schmidts Halle, weil die sogar über eine Lackierkabine verfügt. Dieser sterile Raum ist überaus begehrt.

Außerdem hatte Autofan Werner Kohl im Laufe seines Lebens eine Unmenge an Werkzeugen zusammengetragen. Neben sechs Hebebühnen können verschiedene Ausziehwerkzeuge für Radlager und Antriebswellen, Montagewerkzeuge für Achslager, Gelenke und Kugelköpfe, Pressen oder Zentrierwerkzeuge für Kupplungen ausgeliehen werden. Wenn das Auto also klappert, weil die Vorderachse nicht mehr so funktioniert, wie sie soll, gibt es in der Hobbywerkstatt garantiert das richtige Gerät, um den Fehler zu beheben.

Fünf bis zehn Leute schrauben immer

Schmidt betreibt die Werkstatt halbtags. Offiziell ist sie am Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag zwischen 13 und 18 Uhr sowie am Samstag zwischen 9 und 15 Uhr geöffnet. Wer vorher anruft und einen Termin vereinbart, kann aber auch dienstags oder donnerstags kommen. Unter der Woche sind meist fünf bis zehn Bastler in der Halle zugange. Am Samstag schrauben oft um die 15 Männer an ihren Kisten. Mancher Wagen wird völlig zerlegt. Im Hof vor der Werkstatt kann er während der langen Zeit der Instandsetzung geparkt werden.

Altersmäßig sind die Bastler Schmidt zufolge bunt gemischt: „Manche kommen auch noch mit 70 Jahren her“, sagt er. Auch Studenten tüfteln an ihren Karren. Äußerst selten kommt es vor, dass sich eine Frau in der Halle verirrt – es sei denn, sie begleitet ihren Mann.

„Ich bin hier, weil ich meinen Golf innen und außen neu lackieren möchte“, sagt Rupert Bergmann. Der 31-jährige Zeitsoldat ist von Ulm nach Veitshöchheim gezogen. Schon in Ulm ging er immer in eine Halle, um an einem Auto zu basteln: „Doch mit der Hobbywerkstatt hier lässt die sich von der Ausstattung her gar nicht vergleichen.“ Kaum ein Tag, an dem er nicht in der Höchberger Werkstatt vorbeischaut und daran arbeitet, dass sein Golf bald in Beige erstrahlt.

Tipps gibt's gratis

„Super ist, dass man hier sogar Hilfe bekommt“, sagt Massimo Orofino, der zusammen mit seinem Bruder Giuseppe Allocca an einem Chrysler PT Cruiser schraubt. Die Motorhaube ist aufgeklappt, eine Stablampe erhellt vier gähnende Löcher. Die Dichtungen der Einspritzdüsen sind kaputt. Das hat Orofino gemerkt, weil das Auto plötzlich laut wurde. In der Werkstatt, sagt der selbstständige Handwerker, habe man einen gepfefferten Preis verlangt – mehrere hundert Euro für den Austausch einer einzelnen Düse. Bei vier Düsen wäre ein vierstelliger Betrag zusammengekommen. Also beschloss Orofino, sich selbst an die Reparatur zu wagen: „Auch wenn ich das noch nie gemacht habe.“

Florian Schmidt half den beiden. Er erklärte, worauf beim Ausbau, der Reinigung und beim Wiedereinbau der Düsen zu achten ist. Vieles war für die Brüder Neuland. „Wir lernen jedes Mal eine Menge“, so Orofino. Und sie sparen viel Geld.

Zwölf Euro kostet die Hebebühne pro Stunde. Für den Werkzeugsatz werden vier Euro verlangt. Spezialwerkzeuge wie das Schweißgerät sind etwas teurer, 18 Euro pro Stunde muss man dafür zahlen. Tipps gibt es gratis. So kommen die meisten Schrauber mit einem Bruchteil der Summe aus, die in einer Profiwerkstatt angefallen wäre.

Ersatzteil für die Kardanwelle im Taxi

Neben den Brüdern schwebt ein Taxi in die Höhe. Die Kardanwelle ist kaputt. „Das hat der Fahrer gemerkt, als das Auto zu vibrieren begann“, erzählt der Taxiunternehmer, dem der drei Jahre alte Wagen gehört. 2000 Euro hätte es gekostet, den Schaden beheben zu lassen. So viel wollte er nicht ausgeben. Also kaufte er sich ein Ersatzteil und repariert nun den Wagen zusammen mit einem Studenten: „Das kostet mich die Hälfte“, sagt er.

Ein Großteil der Männer, die die Hobbywerkstatt nutzen, sind Stammkunden. Sie pilgern nicht nur deshalb zu Florian Schmidt, weil sie zu Hause keine so große Auswahl an Elektro-, Druckluft- und Spezialwerkzeugen haben. „Das ist hier wie eine Familie“, sagt Massimo Orofino. Natürlich steht im Vordergrund, den Wagen wieder so weit hinzukriegen, dass er tadellos fährt. Doch das ist nicht das Einzige. „Zwischendurch unterhält man sich“, so Orofino.

Warum? „Weil es klasse ist, schwarze Hände zu bekommen“

Selbst Hand anlegen zu können, ist für einen Teil der Hobbybastler wichtig, weil ihnen schlicht das Geld fehlt, um teure Reparaturen zu zahlen. Doch nicht für alle ist die eigene schmale Börse das Hauptmotiv dafür, nach Feierabend zu Schraubenzieher, Zange und Umschaltknarre zu greifen. „Von manchen weiß ich, dass sie Geld haben“, erzählt Florian Schmidt. Sie kommen, weil Autos ihre Leidenschaft sind. Und, sagt Massimo Orofino: „Weil es klasse ist, schwarze Hände zu bekommen.“

Florian Schmidt repariert in seiner Hobbywerkstatt in Höchberg bei Würzburg einen alten Mercedes.
Foto: Pat Christ | Florian Schmidt repariert in seiner Hobbywerkstatt in Höchberg bei Würzburg einen alten Mercedes.
 
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