Es ist in der Tat eine ungewöhnliche Art, Buße zu tun, aber eine gar nicht so unangenehme. Zumindest wenn Liebhaber von Rosen, Päonien und englischer Gärten zu Besuch kommen. Der Austausch mit Gleichgesinnten könnte dann sogar als glückliche Fügung betrachtet werden. Margarethe und Gunther Heß öffnen deshalb diesen Sonntag ein weiteres Mal ihren Garten für Interessierte.
Auf unkonventionelle Art in fremde Gärten geguckt
Ein Akt der Buße sollte es sein, dafür, dass Margarethe Heß die Neugier nicht zügeln konnte und sich in England mehr als einmal auf unkonventionelle Art Zutritt zu fremden Gärten verschafft hat. Mit etwas Glück blieb sie von brenzlichen Situationen verschont und hatte sich daher geschworen, nun selbst beim Tag der offenen Gartentür mitzumachen. Denn als große Liebhaberin von Gartenreisen nach England weiß sie es zu schätzen, wenn man anderer Arbeit, Passion und Pflanzenschätze zu Gesicht bekommt.
Dabei habe sie anfänglich, als die Familie vor 20 Jahren nach Gaukönigshofen zog, "nichts mit Garten am Hut gehabt". Pflegeleicht sollte es rund ums Haus sein. Eine fränkische Hecke wurde eilends gepflanzt, um den Wind auszubremsen. Aus heutiger Warte gesehen "furchtbar grün" sei es gewesen, so Margarethe Heß. Rosengarten hieß lediglich die Siedlung, wobei dies historisch nicht von der Rose, sondern vom Ross abgeleitet ist. Und es gab das Hirngespinst "Rosengarten" für "irgendwann, wenn ich mal Zeit habe".
Die Zeit für Rosen kam schneller als erwartet. Es ist gleichsam das, was Margarethe Heß zur Entschleunigung braucht. Mit der Arbeit im Garten kommt für sie die notwendige Balance ins Leben. Außerdem ist sie hingerissen vom Duft und Liebreiz der alten, historischen Rosen wie den Moosröschen-Züchtungen aus dem 18. Jahrhundert, der dafür entschädigt, dass die meisten nur einmal blühen. Diese vier Wochen Blüte werden ausgekostet. Mal dürfen Kindergartenkinder aus Rosenblüten und Allium Mandalas legen und sich Duftpotpourris kreieren, mal sind der Mainchor Würzburg oder die Mainfränkischen Werkstätten zu Gast, um von Rosen-Limonade, -Bowle oder -Marmelade zu naschen.
Unter den 70 Rosenstöcken ist Celeste hervorragend für die Küche. Und die Uckermärker Küchenrose alias Roseraie de l’hay ist diejenige mit den aromatischsten Blüten für Sirup und auch Rosenbutter. Zusammengerührt aus Butter, braunem Zucker und Rosenblüten, passt die süße Butter perfekt zu Scones, den englischen Teebrötchen. Und schon ist Margarethe Heß wieder am Schwärmen, vor allem von den üppigen Gärten im Süden Englands. Herrlich zusammengefasst ist alles, was sie an England so liebt in "Tee und Rosen" - Geschichten übers Leben im Gartenparadies England von Heidi Howcroft.
Fast jede Rose kommt nur einmal vor
Für den Hausgarten hat Familie Heß vor allem die englische Art der Bepflanzung von Landhausgärten übernommen: Beete und Mäuerchen sind üppigst bepflanzt, zu so genannten "Mixed Borders". Dabei stehen Rosen und Stauden eng zusammen, außerdem wie zufällig und wild durcheinander. Die Kunst dabei ist, jede der Schönheiten zur Geltung kommen zu lassen und gleichzeitig ihr Zusammenspiel zu komponieren. Margarethe Heß findet es eine sehr schöne Art, Sortenvielfalt zu zeigen.
Die fortgeschrittene Version im Heß’schen Garten erfordert ein besonderes Harmonieverständnis, denn es sind auch Vagabunden zugelassen, die sich selbständig ihr Plätzchen suchen, wie die Akeleien. Und es kommt jede Rose von der Rambler Apple Blossom bis zur berühmten David-Austen-Züchtung Winchester Cathedral nur einmal vor. Ausnahme: New Dawn, die Klassikerin unter den Kletterrosen gibt es zwei Mal.
Das gleiche gilt für die fast 40 Päonien – eine Sammlung von Liebhabersorten, Strauch- und Stauden-Pfingstrosen, darunter etliche Wildformen wie paeonia tenuifolia, mit ihrem zart fiedrigen Netzblatt, die frühe gelbe Kaukasus-Paeonie mlokosewitschii und die im Gegensatz dazu spät blühende lactiflora. Aus ihr gingen die vielen Züchtungen spät blühender Edelsorten wie Scarlet O’Hara hervor: dunkelrot, mit offener, ungefüllter Blütenschale und großer Fernwirkung, was Gunther Heß sehr liebt.
Genau wie bei der neuesten Errungenschaft: Flame – in kräftigem Lachsrot. Chinesische Strauchpäonien und Rockii-Varianten – Heß ahnt schon, dass die Fülle an Spezialitäten Nicht-Kenner leicht überfordern könnte. Doch auch für ihn gibt es noch Geheimnisse: "Es werden dieses Jahr nicht alle blühen." Und auf das Warum gibt es keine Antwort. "Der trockene Sommer 2018 wird seinen Teil dazu beigetragen haben, aber fraglich bleibt trotzdem, nach was sie sich richten", resümiert er.
Schädlinge werden ökologisch verträglich vergrämt
Um die Idylle perfekt zu machen, ist bei Familie Heß nicht nur liebevoll mit Accessoires dekoriert. Es gibt auch ein Moorbeet mit Farnen, Azaleen und Rhododendron und einen mit Buchs umsäumten Kreuzgarten, in dessen Gevierten unter anderem Rosen, Herbst-Anemonen, Päonien und Mohn vergesellschaftet sind, wobei letztere ebenfalls zur Sammelleidenschaft von Gunther Heß gehören. Margarethe Heß dagegen hat einen reichen Erfahrungsschatz in der ökologisch verträglichen Vergrämung von Schädlingen – auch im Gemüsegarten, der in einer Schrebergarten-Kolonie betrieben wird. Zu ihrem Glück fehlte eigentlich nur wieder eine England-Reise zur Inspiration - und ein Schnittkurs für Knotengärten aus Buchs.