Zum Artikel "Aus für die Bereitschaftspraxis" vom 23. Juli erreichte die Redaktion folgende Zuschrift.
Die Schließung der Bereitschaftspraxis Ochsenfurt ist bedauerlich, jedoch kein Einzelfall. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) setzt von München aus zentralistisch eine Bereitschaftsdienstreform durch, die an den Bedürfnissen der Bevölkerung sowie der Dienstärzte insbesondere im ländlichen Raum völlig vorbeigeht. Reihenweise gut etablierte, regional koordinierte Bereitschaftspraxen bekommen unter fadenscheinigen Argumentationen ihre Betriebserlaubnis entzogen, während die KVB bayernweit monopolistisch von der eigenen Tochterfirma Gedikom betriebene Bereitschaftspraxen etabliert. Assistenzpersonal wird zu schlechteren Konditionen neu eingestellt, konstruktive Gestaltungsvorschläge der dienstverpflichteten Ärzte werden ignoriert und abgekanzelt. Die regionalen Dienstobleute wurden von der KVB abgeschafft.
Der zu Recht kritisierte zentralistische Aktionismus der Bundesgesundheitspolitik (vgl. Titelseite 19. Juli) wird von der KVB auf Landesebene in gleicher Weise betrieben. Die Dienstgruppe Bad Neustadt/Rhön hat auf mehreren Informationsveranstaltungen der KVB vor den Folgen der Bereitschaftsdienstreform mit objektiven Fakten und Sachargumenten gewarnt. Der im Artikel zitierte Regionalbeauftragte Bereitschaftsdienst in Nordbayern hatte hierfür nie ein offenes Ohr. Konsequenz: Die Wege zum Dienstarzt für Patienten werden länger, die Anfahrtszeiten (und damit Wartezeiten) im Hausbesuchsdienst ebenso
Ärzte arbeiten zwölf Stunden in beengten Behandlungsräumen ohne Tageslicht und Frischluftzufuhr. Der Dienstplan darf nicht mehr kollegial regional erstellt werden. Die Finanzierungsgrundlage der Dienstpraxen durch die Krankenkassen ist nicht mehr gegeben. Für ihre eigenbetriebene Infrastruktur bedient sich die KVB aus dem Honorartopf der Ärzte, gleichzeitig werden ärztliche Leistungen insbesondere im Fahrdienst schlechter vergütet. Von den selbstgesetzten Zielen (maximale Dienstbelastung von 80 Stunden pro Jahr) hat sich die KVB mangels Realisierbarkeit längst distanziert. Zur Entlastung angedachte sogenannte Poolärzte interessieren sich aufgrund finanzieller Anreize für Metropolregionen – nicht aber für Dienstbezirke in denen ein Mangel an Bereitschaftsärzten existiert oder droht.
Keine Frage: Unsere Patienten haben einen Anspruch auf bestmögliche ärztliche Versorgung – im Akutfall auch außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten. Das stellen die niedergelassenen Ärzte seit Jahrzehnten sicher, 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr, zusätzlich zu 50 bis 60 Wochenstunden in der eigenen Praxis. Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen müssen zu Umstrukturierungen führen. Die Ideen hinter der Bereitschaftsdienstreform mögen hehr sein. Aber die Umsetzung durch die KVB zerstört regional gewachsene Strukturen, gefährdet die Versorgung der ländlichen Bevölkerung und frustriert motivierte und engagierte Ärzte. Leider.
Dr. Stefan Reiß
Hausarzt in 97616 Salz