
Montag, 13 Uhr. Anke Geißler hat pünktlich Schluss. Die sechste Stunde hat sie mit ihrem Lesekind in der Grundschule in Eibelstadt verbracht – als Leselernhelferin. Genau genommen ist es ja eine dreiviertel Stunde. Die kann aber auch ihr manchmal lang erscheinen.
Zu motivieren, ist eine von Geißlers Hauptaufgaben. Die Leselernhelfer, die wie Geißler über den Mentor-Verein organisiert sind, kommen nämlich nicht zum Vorlesen in die Schule. Stattdessen müssen die Kinder selbst ran. In diesem Fall, weil das eigentliche Lesen bei Geißlers Lesekind schon gut klappt, es den Inhalt des Textes aber noch nicht gleichzeitig verstehen kann. Es fehle an Lesefertigkeit, sagt die Lesementorin. Der Kopf sei noch zu sehr mit dem Entziffern der einzelnen Wörter beschäftigt.
Was gelesen wird, darf das Kind aussuchen
"Natürlich darf das Kind das Buch aussuchen", sagt Anke Geißler. "Weil es unterm Strich Spaß machen soll." Nur das Schriftbild sollte klar sein, darauf achte sie. Nach so einer sechsten Stunde habe sie dann aber auch genug von Einhörnern, Feen und Superhelden.
Bei den Leseanfängerinnen und -anfängern arbeite man mehr mit Wortspielen oder Memory, sagt Geißler. "Das hatte ich noch nie", schränkt sie ihre Erfahrungen ein. Geißler ist bereits im vierten Jahr Mentorin und hat bislang jeweils Dritt- oder Viertklässler betreut. Dabei setzt sie gelegentlich auch Lese-Apps ein. Zehn iPads hat der Mentor-Verein Würzburg inzwischen für diese Zwecke angeschafft und hat in Anke Geißler hier die richtige Ansprechpartnerin. Denn beruflich ist sie damit beschäftigt, für das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg Medienkompetenz an Lehrkräfte, Medien-Mentorinnen und -Mentoren und Schülerinnen und Schüler zu vermitteln.
Geduld, Humor und Wertschätzung sind gefragt
Als Lesementorin hingegen spielen ihr zufolge die persönliche Zuwendung, Geduld, Humor und Wertschätzung als Basis der Zusammenarbeit eine größere Rolle. Um ein ganzes Schuljahr lang jede Woche eine Stunde miteinander zu arbeiten, brauche es Vertrauen, sagt Geißler. Und gerade zu Schuljahresanfang auch einen Vertrauensvorschuss vonseiten der Kinder.
Ein Ehrenamt und die Arbeit mit Kindern zu verbinden, sei ihre Motivation, sagt die Lesementorin. "Lesen ist der Grundstock von allem", betont sie. Deshalb versuche sie diese Kompetenz mit Spaß zu vermitteln. "So wie früher bei den eigenen Kindern."

Dabei seien noch lange nicht alle Kinder lesehungrig und bereit, jede Hilfe anzunehmen. Fachlich helfen da ein Seminar des Mentor-Vereins zur Einführung und die regelmäßigen Austausch-Treffen auf dem Weg zum Erfolg. Wichtig sei in jedem Fall eine gewisse Gelassenheit und Flexibilität, sagt Anke Geißler. Denn es laufe nicht perfekt. "Man muss es einfach gerne machen. Es muss einem selbst ein gutes Gefühl geben". Ab und an gibt es das geballt. "Freitag ist mein Lieblingstag", habe eines der Kinder einmal verkündet. "Da kommst du.""Es sind die Momente, die alles tragen", findet Geißler.
Rektorin Obermeier-Giehl hält Mentoren für "Gold wert"
Ein Kind, ein Mentor, eine Stunde – das ist es ist das Grundprinzip. Und die Stunden sind intensiv. Aber reicht das? "Ich denke, jede Stunde, die mehr gelesen wird, hilft und ist besser als keine", sagt Geißler. Sie persönlich schaue nicht so sehr auf den Erfolg, antwortet sie auf die Frage, ob sie das Gefühl hat, etwas bewirken zu können. "Wir sind keine Hilfslehrer und keine Hausaufgabenbetreuung. Die Stunde soll einfach Spaß am Lesen wecken." Gleichzeitig merke sie, dass den Kindern das Lesen nach Ferien häufig wieder etwas schwerer falle.
Die Mentor-Lesestunden seien "Gold wert", findet Monika Obermeier-Giehl, Rektorin der Grundschule in Eibelstadt. "Man liest nur das gerne, was einen interessiert", erklärt sie. "Wenn die Lesefähigkeit nicht mehr zu den altersgemäßen Büchern passt, geht das Interesse verloren. Eins zu eins dagegen – wenn sich jemand Zeit nimmt – geht das super".
Deshalb engagiert sich auch Lehrkraft Christina Engert, die die Kontakte zwischen Mentoren, Lehrern und Verein koordiniert. Obermeier-Giehl ist glücklich über den Einsatz der Mentor-Leselernhelferinnen - und -helfer, die in diesem Jahr neu dazugekommen sind. Durchschnittlich zwei bis drei Leselernhelfer pro Klasse müssten es allerdings sein, wenn jedes Kind, das diese Leselernstunden gut gebrauchen könnte, diese Hilfe bekommen könnte, schätzt sie ein.